SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Gaito Gasdanow: Die Rückkehr des Buddha Roman Deutsch und mit einem Nachwort von Rosemarie Tietze Hanser Verlag 19,90 Euro Rezension von Gisela Erbslöh Freitag, 24. Juni 2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Hunderttausende russischer Staatsbürger zogen in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Westen. Der Bürgerkrieg hatte sie vertrieben. Allein Berlin brachte es dann auf etwa 400 000 Russen und in Paris strandeten nicht weniger. Unter ihnen war der noch blutjunge hochbegabte Gaito Gasdanow, der in Frankreich zunächst vom Taxifahren lebte, später, nach dem zweiten Weltkrieg, nach München zum amerikanischen Auslandssender Radio Liberty ging und nebenher zu einem der wichtigsten russischen Exilautoren seiner Zeit avancierte. In Deutschland wurde Gasdanow allerdings erst vor wenigen Jahren bekannt. Da brachte die renommierte Übersetzerin Rosemarie Tietze seinen Roman „Das Phantom des Alexander Wolf“ heraus – mit großem Erfolg. Jetzt ist ihre dritte Gasdanow-Übersetzung erschienen: der nicht minder faszinierende Roman „Die Rückkehr des Buddha“. Autorin Zuerst sieht es so aus, als nähme der Romananfang das Ende vorweg. Der Protagonist stürzt in den Tod. Beinahe hat er die rettende Oberkante einer steilen Felswand erreicht, Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT da bricht das Bäumchen, an dem er sich festhielt und - er fällt in die Tiefe. Packend, geradezu mitreißend schildert der Fallende selbst die schreckliche Episode. Es stellt sich heraus, dass er nicht wirklich, nicht physisch gestorben ist. Doch selbst, wenn die Todeserfahrung nur eine Schreckensvision war, sie scheint etwas in ihm getötet zu haben. Mehr und mehr leidet er von nun an unter dem Verlust seiner Identität. Gasdanows Roman „Die Rückkehr des Buddha“ kreist um ein „Ich“, das von ständigen Realitätseinbrüchen bedroht wird. Phantome, Erscheinungen, gänzlich fremde Gefühle und körperliche Schmerzen ergreifen jäh von ihm Besitz und – lösen sich wieder auf. Der Ort, an dem der Protagonist lebt, ist Paris. Seinen Namen erfahren wir nicht und auch was die eigentliche Ursache seines Leidens ist, wird lediglich angedeutet. Wir wissen nur, dass er – wie so viele andere – im vom Bürgerkrieg zerrissenen Russland kämpfte und dann emigrierte. Nun studiert er Geschichte an der Universität, meidet nähere Kontakte und pendelt zwischen Bibliothek, Cafés und bescheidenem Hotelzimmer, immer bemüht, dem Ansturm der Halluzinationen Einhalt zu gebieten und seinen Zustand zu verbergen. Brillant und ungemein spannend stellt Gaito Gasdanow hier die fließenden Grenzen zwischen Wirklichkeit und Vorstellung dar: wie sich ein bekanntes Pariser Viertel unmerklich in eine bedrohliche Albtraum-Szenerie verwandelt oder, umgekehrt, halluzinierte Gefängnismauern sich unvermittelt auftun und der Nebel des Fremden nach und nach einen vertrauten Ort und sicheren Boden freigibt. Doch auch das ganz reale Migranten-Milieu, dem der Protagonist trotz aller Anstrengung nicht ausweichen kann, hat etwas permanent Trügerisches. Kranke, abgewrackte oder in die Kriminalität abgerutschte Akteure phantasieren, lügen und täuschen vor, was das Zeug hält - ohne Chance, jemals zurückkehren zu können in ein halbwegs sicheres, geordnetes Leben. Nur einer ist darunter, der sein früheres „Selbst“ hat bewahren können. Per Zufall erneut zu Wohlstand gekommen, dient sein Haus dem gequälten Studenten als Hort der Ruhe. Aber nur kurz. Der Freund und Gönner fällt einem Mord zum Opfer, und der Student selbst ist des Mordes verdächtig. So verbindet Gasdanow die existentiellen Fragen nach Leben, Tod und Identität, Wahrheit und Unwahrheit mit einer spannenden Kriminalgeschichte. Und schließlich bekommt der Roman noch eine gewisse politische Dimension. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Im Verhör des verhafteten Studenten durch den – realen - Untersuchungsrichter spiegelt sich nämlich eine zuvor geschilderte halluzinierte Schreckensszene kafkaesken Ausmaßes. Da hatte der Erzähler in Notwehr einen Unbekannten getötet, war ebenfalls verhaftet und anschließend an einem obskuren, „Zentralstaat“ genannten Ort mehreren Haftrichtern vorgeführt worden. Sie verkörperten auf absurdeste Weise das Prinzip des stalinistischen Strafgerichts: kein Angeklagter hat hier die Chance, dem Regime zu entkommen. Dass die Angstphantasie eines Emigranten in totalitäre Verhältnisse zurück zu geraten, durchaus reale Grundlagen hatte, zeigt ein Blick ins Nachwort dieses Buches. Tatsächlich haben die Sowjets ihre Gegner immer wieder aus dem Ausland zurück nach Russland verschleppt. Doch dieser Aspekt des Buches, ist, wie gesagt, nur einer unter vielen. In erster Linie geht es hier um das literarische Spiel mit den verschiedenen Realitätsebenen. Dass hinter dem Spiel eine bitterernste Lebenserfahrung des Autors steht, der selbst oft genug im Exil auf schwankendem Boden stand, tut dem Glück, dieses Buch in Händen zu halten, keinen Abbruch. Bleibt zu hoffen, dass weitere GasdanowAusgaben dieses Glück fortsetzen werden. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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