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ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Branko Milanovic: Die Ungleiche Welt
Migration, das Eine Prozent und die Zukunft der Mittelschicht
Suhrkamp Verlag Berlin
311 Seiten
25 Euro
Rezension von Friedrich Pohlmann
Mittwoch, 15. Februar 2017 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Der Autor dieses vollmundig vom Verlag unter Berufung auf Thomas Piketty als
Gewährsmann zur „absoluten Pflichtlektüre“ erklärten Buches ist ein anerkannter Experte
für die statistische Analyse von Einkommensentwicklungen, dem man wie dem berühmten
Schuster hätte raten sollen, bei seinen „Leisten“ zu bleiben statt sich mit dem begrenzten
Wissen seines Faches an Deutungen über ein so umfassendes Objekt zu versuchen, das
im Buchtitel die merkwürdige Bezeichnung „ungleiche Welt“ trägt. Natürlich ahnt man, was
gemeint ist, und nach einigen Seiten der Lektüre begreift man auch, was der Autor vorhat nämlich nicht mehr und nicht weniger als eine empirisch fundierte Analyse der
Entwicklungstrends von sozialer Ungleichheit im Weltmaßstab -, aber man erkennt doch
auch sehr schnell, dass mittels der Fach-Perspektive des Autors sich nur recht
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bescheidene Ergebnisse zu Tage fördern lassen, die einmal mehr die Fragwürdigkeit
„globalistisch“ orientierter ökonomischer Zeitdeutungen offenbaren. Immerhin hat der
Autor mit einem enormen Aufwand Daten über die weltweite Enkommensentwicklung in
den letzten Jahrzehnten zusammengetragen und vergleichbar gemacht und dabei einen
Trend erkannt, der erhärtet, was das Alltagswissen schon lange vermutete: Dass die
Einkommen der Mittelschichten in den westlichen Gesellschaften seit Jahrzehnten
stagnieren und zurückgehen, während sie in den aufstrebenden asiatischen Ländern
kontinuierlich angewachsen sind. Zugleich hat es eine nochmalige enorme
Reichtumskonzentration in den Händen der Reichsten gegeben, in jenem Einen Prozent
der Weltbevölkerung, deren Hälfte Amerikaner sind. Diese Reichtumskonzentration wertet
der Autor als Entstehung einer „globalen Plutokratie“ und die asiatischen Mittelschichten
bezeichnet er als neue „globale Mittelschicht“, und bereits an diesen Benennungen lässt
sich die ganze Problematik seines Gesellschaftsverständnisses ablesen: Der Autor
arbeitet, wie heutzutage freilich weitverbreitet, mit theoretisch vollkommen ungefüllten
Begriffen der „Globalisierung“ und der „Weltgesellschaft“, die voraussetzen, was
tatsächlich der empirischen Evidenz entbehrt, nämlich die nur noch periphere Bedeutung
kultureller und einzelstaatlicher Strukturen. Freilich versteht er sich keineswegs als ein
Apologet der „Globalisierung“, und er betrachtet die „westlichen“ Bevölkerungen sogar in
ihrer großen Mehrheit als „Globalisierungsverlierer“, aber da sein Globalisierungsbegriff
nur auf unhinterfragten ökonomischen Kategorien einfachster Art fußt, schleppt er
sozusagen, ohne es selbst zu merken, den ganzen ideologischen Ballast, der dem Begriff
in seiner massenmedial-politischen Verwendung anhaftet, mit sich fort und deutet als
quasi naturgesetzliche Geschehnisse, was tatsächlich auf Bündel ökonomisch-politischer
Machtentscheidungen zurückgeht, die keineswegs „alternativlos“ sind. Das ließe sich
besonders an den weltweiten Migrationsprozessen verdeutlichen, denen der Autor große
analytische Aufmerksamkeit schenkt und zu deren Regulierung sich bei ihm auch einige
vernünftige Überlegungen finden. Aber auch Migration wird von ihm im Prinzip begrüßt,
weil sie ihm wie ein Naturgesetz der Globalisierung erscheint. Tatsächlich aber ist sie auch
das Ergebnis von Prämissen einer neoliberalen Ideologie, die ein ungehindertes Strömen
der Migration aus kurzfristigen Profitkalkülen fördert. Selbst im Rahmen der
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kapitalistischen Globalisierung ist das Credo der bedingungslosen grenzüberschreitenden
Mobilität der Ware Arbeitskraft aber kein zwingendes Postulat. Das enge ökonomistische
Kategorienkorsett des Autors ermöglicht auch keine angemessene Deutung der vielen
kulturalistischen Gegenströmungen zur neoliberalen Globalisierung, so dass Gewinn aus
der Lektüre nur ein Leser mit einem auf Daten zur Einkommensentwicklung begrenzten
Erkenntnisinteresse zu ziehen vermag.
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