SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Amy Sackville: „Reise nach Orkney“ aus dem Englischen von Eva Bonné Luchterhand Verlag 251 Seiten 19,99 Euro Rezension von Margrit Irgang Montag, 15. August 2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Amy Sackville wurde 1981 geboren, lebt in London und lehrt kreatives Schreiben an der University of Kent. Ihr erster Roman „Ruhepol“ erhielt in England mehrere Auszeichnungen, ihr zweiter Roman „Reise nach Orkney“, den Margrit Irgang heute bespricht, erhielt 2014 den Somerset Maugham Award. Der Literaturprofessor Richard ist sechzig und hat vor einer Woche seine vierzig Jahre jüngere beste Schülerin geheiratet. Es war ihr Wunsch, die Hochzeitsreise auf eine kleine einsame Insel der Orkneys zu machen, ein Archipel südöstlich von Schottland. Der Sommer neigt sich dem Ende zu, die Tage sind kühl, der Sturm tobt und das Meer ist aufgewühlt. Eigentlich will Richard an seinem Buch über Magie und alte Sagen arbeiten; stattdessen lässt er seine Frau nicht aus den Augen. Beunruhigt stellt er fest, dass sie sich seit der Ankunft auf der Insel verändert hat. Sie will allein sein, streift am Wassersaum entlang oder sitzt im Sand und starrt auf das Meer. Und jede Nacht hat sie Alpträume, in denen das Meer sie holen will. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Amy Sackville hat ihrer Hauptfigur keinen Namen gegeben; wir lernen sie nur durch die Augen des Ich-Erzählers Richard kennen. Richard findet keinen Zugang zum Inneren seiner Frau, deshalb versucht er sie über ihr Äußeres zu begreifen: Die nachlässig zusammengewürfelte formlose Kleidung, die gesplitterten Fußnägel, die eiskalten Hände und Füße. Die Art, wie sie Kaffee schlürft, den Toast anbrennen lässt, das Ei köpft. Ihr Haar ist silbern, nahezu weiß, sie ist dünn und zwischen den Fingern hat sie, wie Richard es formuliert, Schwimmhäute. Und alles, was er sieht, verbindet er sofort mit sich. Er fragt sich, wie sie ihn wohl wahrnimmt, beharrt auf seiner Version ihres Kennenlernens und schiebt ihre, die anders ist, beiseite. Gierig versucht er, ihr Informationen über den verschwundenen Vater und ihre Kindheit zu entlocken, und ist eifersüchtig auf die Touristenfamilie, mit der sie auf der Insel ein paar Worte wechselt. Sie gibt ihm keinen Anlass, an ihrer Liebe zu zweifeln, und die gemeinsamen Nächte sind voller Leidenschaft, aber Richard zweifelt an sich selbst – er fühlt sich zu alt für sie, zu schwerfällig, zu hässlich. Ihre Alpträume lassen ihn nicht schlafen, er hilft mit Whisky nach und versucht, auch ihr Alkohol aufzudrängen, vielleicht in dem unbewussten Wunsch, sie in seine erdenschwere Welt zu zwingen. Und immer stärker überlagert die Literatur das Geschehen, schiebt sich das Gelesene über das Gesehene. Richard forscht ja zum Thema Sagen und Magie; er kennt auch seinen Keats und seinen Tennyson und ihre Erzählungen von Männern, die von sirenengleichen Frauen betört und verlassen wurden. Er vergleicht seine Frau mit Melusine und Undine, sieht in ihr eine Nymphe, eine Nixe, und mit jedem Vergleich wird ihm die einzigartige Persönlichkeit, mit der er sein Leben teilt, unbegreifbarer. Stundenlang steht er am Fenster und beobachtet seine Frau draußen am Strand; das Fenster bildet den Rahmen, die Frau ist das Bild, und der Mann bleibt ein Betrachter. Die Frau indessen hat ihr Element gefunden. Sie tanzt im Sturm, spricht mit den Robben, und wenn sie heimkehrt mit salzverkrustetem Haar und leuchtendem Blick – den Richard „irre“ nennt – ist sie ihrem Mann noch weiter entglitten. Kann Richard dieses Naturwesen wirklich in seine kleine Londoner Wohnung mitnehmen, um mit ihm stille Abende beim Wein am Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Kamin zu verbringen? Der Tag der Abreise naht, die Frau verfällt in stille Verzweiflung, und Richard weiß, er muss eine Entscheidung treffen. Amy Sackville hat einen wunderbaren Roman geschrieben über einen Mann, der eine unbezähmbare Frau besitzen will und dabei in eine Besessenheit gerät, die von seinen eigenen Projektionen ausgelöst wurde. Die Autorin lässt offen, wer die Frau wirklich ist; je nach Blickwinkel können wir in ihr eine freie Frau, eine gestörte Persönlichkeit oder ein magisches Wesen sehen. Im Zentrum des Romans aber stehen die Beschreibungen der Natur. Amy Sackville findet immer neue, äußerst präzise Bilder für die wechselnden Lichtverhältnisse, die Bewegungen des Meeres, das Farbenspiel am Himmel, und Eva Bonné hat dies nuancenreich und melodisch übersetzt. „Reise nach Orkney“ ist ein leiser, betörender Roman, dessen Bilder den Leser lange begleiten. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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