SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Wolfgang Reinhard: Die Unterwerfung der Welt Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415-2015 C. H. Beck Verlag 2016 1661 Seiten 58 Euro Rezension von Konstantin Sakkas Dienstag, 07.06.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Seit fünfzehn Jahren erleben wir, wie über den Nahen Osten, das Herzland Eurasiens, eine Welle der Destabilisierung hinwegfegt. Dass sich koloniale Gelüste auf die Levante und Vorderasien richten, ist dabei historisch nichts Neues. „Die europäische Ausbreitung über die Erde ist ein neuzeitlicher Vorgang. Aber sie hat eine Vorgeschichte, die bis in die Antike zurückreicht, eine Vorgeschichte, deren Kenntnis erheblich zu ihrem Verständnis beizutragen vermag. Es lassen sich nämlich von Anfang an bestimmte geohistorische und kulturelle Strukturen beobachten, die wir auch in der Neuzeit wieder finden.“ Wolfgang Reinhard, Emeritus an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, schildert diese Strukturen in der longue durée der letzten exakt sechshundert Jahren. Hier liegt das große Verdienst dieses großen, aber auch schweren Buches, über dem eine Wolke von Gelehrsamkeit und Schwermut liegt und das auf ein vierbändiges Vorläuferwerk zurückgreift, erschienen zwischen 1983 und 1990, aktualisiert und erweitert um das Vierteljahrhundert, das zwischen dem Ende des Kalten Krieges und heute liegt. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Vierundzwanzig Kapitel umfasst dieses gewaltige Werk, das sich als wissenschaftliches Vermächtnis des Autors verstehen lässt. Territoriale Expansivität ist für Reinhard ein Phänomen Europas und damit ein Phänomen der Neuzeit, die ihrerseits ein europäischer Topos ist. Von Europa im heutigen kulturellen, politischen und ideologischen Sinne sprechen wir seit der Renaissance. Und so lässt Reinhard den Prozess der Kolonialisierung, also der Europäisierung der Welt im Jahr 1415 beginnen, als die Portugiesen im Zuge der Reconquista nach Afrika übergreifen. Reinhards Prozesse von Kolonisation und Dekolonisation spielen sich in zwei Superräumen ab: dem pazifischen und dem atlantischen. Auf die Darstellung der iberischen Expansion am Beginn der Neuzeit lässt er die Inbesitznahme der atlantischen Welt durch die Westmächte Frankreich und England folgen, deren Konkurrenz er originell als einen Weltkrieg von 1648 bis 1763 bezeichnet. Es folgt die Aneignung Ostasiens auf der einen, Afrikas auf der anderen Seite, das great game zwischen England und Russland um die Vorherrschaft in Innereurasien mit dem Vorderen Orient als wichtigster Zone im neunzehnten Jahrhundert, und schließlich, nach den verspäteten und gescheiteren Expansionsversuchen Deutschlands und Japans, der rasche Prozess der Dekolonialisierung seit 1945. Bei der gigantischen Faktenfülle verschwimmen die großen Linien. Dass man die Geschichte der europäischen Expansion auch als Geschichte der Westernisierung beschreiben könnte, die ihre Anfänge bei Alexander hätte, schimmert bei Reinhard zwar durch, wird aber nirgends explizit. Umso dankeswerter ist die große ideengeschichtliche Reflexion, die dieses Buch durchzieht: „Zur Expansion gehört Gewalt. Europa als mythologische Gestalt und als geographische Repräsentationsfigur war zwar eine Frau, aber Europas Expansion blieb in ihrer latenten oder manifesten Gewalttätigkeit von Anfang bis Ende überwiegend Männersache. [...] Die ersten gewalttätigen Männer, Wikinger, italienische Händler, Kreuzfahrer, portugiesische Entdecker, spanische Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Conquistadoren und britische Seehelden gehörten zu einem Typ Abenteurer, der schon in der Odyssee auftritt. Sie und nicht die Machthaber ihrer Herkunftsländer begannen mit der Expansion.“ Es ist das traurige Wissen um diese Gewaltsamkeit, das Reinhards Erzählung so schwermütig macht. Das ist verständlich – und doch bedauerlich, insofern, als er die Geschichte der Expansion letztlich allein als Geschichte eines moralischen Scheiterns erzählt. Doch expansiv ist letztlich die ganze Geschichte, ja, das Leben selbst. Von der Entstehung des Universums, dem Anfang aller Geschichte, bis zum Griff der Menschheit nach den Sternen, der unmittelbar nach dem letzten großen Expansionskrieg begann und der der Masterplan unserer Zeit ist. Diese große Perspektive habe ich bisweilen beim Lesen dieses sonst fraglos meisterhaften Buches vermisst. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
© Copyright 2024 ExpyDoc