SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
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SWR2 DIE BUCHKRITIK
Elizabeth Graver: Die Sommer der Porters
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Juliane Zaubitzer
Mare Verlag
22 Euro
Rezension von Claudia Fuchs
Donnerstag, 15. September 2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Mit ihrem vierten Roman "Die Sommer der Porters" gewann die
mehrfach ausgezeichnete 52jährige Schriftstellerin und
Literaturprofessorin Elizabeth Graver aus Massachusetts größere
Aufmerksamkeit. Die Familiengeschichte aus Neuengland wurde für
den National Book Award 2013 nominiert und erhielt Empfehlungen
mehrerer Zeitungsredaktionen. Elizabeth Graver gelingt das Porträt
eines magischen Ortes, der seine Bewohner noch Jahre später
prägt.
Eine leichte Sommerlektüre ist dieser Roman nicht, auch wenn der
deutsche Titel "Die Sommer der Porters" dies vermuten lässt. Der
englische Originaltitel "The End of the Point" kommt der Stimmung
von leiser Melancholie, die diese Familiengeschichte durchzieht, sehr
viel näher. Ashaunt Point ist eine fiktive Halbinsel vor Massachusetts,
wo die Porters, eine amerikanische Upper-Class-Familie, ein
Sommerhaus besitzen.
Drei Protagonisten erzählen in vier Kapiteln von ihren Sommern auf
Ashaunt, die in den Jahren 1942 bis '99 Glück und Zufriedenheit,
aber auch Abschiede von Menschen und Lebensträumen mit sich
bringen. Das schottische Kindermädchen Bea, die älteste PorterBitte beachten Sie:
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Tochter Helen und deren Sohn Charlie sind die Hauptfiguren, die uns
durch die mäandernde Familiengeschichte führen. Doch auch
zahlreiche Nebenfiguren spielen darin eine Rolle. Trotz dieser
kompliziert klingenden Figurenkonstellation und dem dreifachen
Perspektivenwechsel geht man nicht verloren in diesem Buch, weil
eine allwissende Erzählerin mit kurzen Nebenbemerkungen immer
wieder für Einordnung und Überblick sorgt.
Es ist ein breites Themenspektrum, das die Autorin in ihrem Roman
aufgreift. Kindermädchen Bea entscheidet sich im Kriegssommer
1942 gegen eine letzte Chance auf eigenes Familienglück und für
ihre Stelle bei den Porters. Die drei Porter-Töchter werden ihren
idealisierten älteren Bruder nicht wiedersehen, weil er vom Kriegseinsatz in Europa nicht zurückkehrt. Helen, die begabte, ehrgeizige
älteste Tochter, hadert in Briefen und Tagebucheinträgen aus den
Jahren 1947 bis '61 mit der Unvereinbarkeit von Karriere und
Mutterrolle. Befreit von ihrer inneren Zerrissenheit fühlt sie sich nur
auf ihren langen Schwimmausflügen auf Ashaunt, inmitten der
reichen Naturwelt Neuenglands. Helens Sohn Charlie zieht sich 1970
nach Panikattacken und Drogenmissbrauch in eine Hütte auf dem
Familienbesitz zurück und versucht vergeblich, den Zugriff von
Immobilienhaien auf unbebaute Grundstücke zu stoppen. Charlie
liest den Autor Thoreau und fängt Fische, während seine weniger
privilegierten Altersgenossen aus dem Kriegseinsatz in Vietnam
zurückkehren - traumatisiert und in einer Zivilgesellschaft nicht mehr
überlebensfähig.
Die äußere Handlung des Romans ist auf ein Minimum beschränkt,
aber es passiert viel im Alltag der Protagonisten, in ihrem Denken
und Handeln. Durch den Wechsel der Erzählperspektive und die
psychologisch fein austarierten Beschreibungen kleinster
Gefühlsregungen kommen wir dem inneren Erleben der Personen
sehr nahe. So ist Bea als Angestellte zwar Teil der Familie, bleibt
aber als schottische Immigrantin auch immer eine Beobachterin in
der Neuen Welt. Die Autorin Elizabeth Graver lässt den Leser die
reiche Ostküstenfamilie Porter mit dem fremden Blick des lebensklugen Kindermädchens behutsam abtasten.
Das letzte Kapitel, in dem sich die Stimmen der drei Protagonisten
abwechseln, gibt einen Ausblick auf Beas und Charlies weiteren
Lebensweg, während Helen und mehrere Nebenfiguren
verabschiedet werden.
Elizabeth Gravers Roman ist vieles: Eine Milieustudie der
amerikanischen Upper-Class der vergangenen Jahrzehnte, eine
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Exkursion in die Pflanzenwelt Neuenglands und eine
Familiengeschichte im Wandel des zwanzigsten Jahrhunderts. Auch
wenn zeitgeschichtliche Ereignisse wie Vietnamkrieg,
Protestbewegungen der siebziger Jahre und Umweltverschmutzung
aus der Perspektive eines männlichen Protagonisten erzählt werden,
sind die Frauenfiguren in diesem Roman stärker, komplexer und
überzeugender gezeichnet. Die Männer bleiben flache Randfiguren
über mehrere Generationen.
Die 52-jährige Autorin versichert, dass dieser Roman nichts mit ihrer
eigenen Biografie zu tun habe. Elizabeth Graver ist die Tochter
sephardischer Juden und ihre Eltern hatten kein Sommerhaus. Erst
durch ihre Heirat in eine Familie der Ostküsten-Oberschicht mit
Sommerhaus, wurde sie Teil einer privilegierten Klasse, deren
Geschichte und Alltag sie deshalb mit intimer Kenntnis beschreiben
konnte. Die kühle, selbstgewisse Familie Porter wird dem Leser nicht
unbedingt sympathisch, aber der Roman ist anregend, klug und
unterhaltsam geschrieben. Und die Sehnsucht nach diesem
besonderen Ort am Meer, wo man Seelenfrieden in allen
Turbulenzen findet, die gräbt sich nach 450 Seiten tief ein.
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