SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Luiz Ruffato: Ich war in Lissabon und dachte an dich Übersetzt aus dem Portugiesischen von Michael Kegler Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg 2015 96 Seiten 14 Euro Rezension von Peter B.Schumann Montag, 14.03.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Seit seinem ersten Roman "Es waren viele Pferde" aus dem Jahr 2001 hat sich Luiz Ruffato in die vorderste Reihe der brasilianischen Schriftsteller geschrieben. Darin, wie auch in dem darauf folgenden fünf-bändigen Zyklus "Vorläufige Hölle" setzt er sich kritisch mit dem Leben der unteren Mittelschicht auseinander, und damit auch mit seiner eigenen Vergangenheit. Dieser Linie bleibt er auch in seinem neuen Kurzroman treu: "Ich war in Lissabon und dachte an dich". Peter B. Schumann hat ich gelesen. Lissabon wird zum Sehnsuchtsort für einen perspektivlosen jungen Brasilianer: für Sérgio de Souza Sampaio aus Cataguases, einer Kleinstadt in der tiefsten Provinz, aus der auch der Autor stammt. Der 20-jährige versucht, sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten, denn es gibt keine Aussicht auf einen festen Job. Es gibt überhaupt wenig Hoffnung in seinem Kaff, aber viel Unordnung in seinem Leben. Deshalb will er sie endlich ernsthaft Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT beseitigen. Wie ich aufhörte zu rauchen hat Luiz Ruffato diesen ersten Teil der Geschichte ironisch überschrieben. Doch der Schlammassel wird immer größer: er schwängert eine Nachbarin, muss sie heiraten, sie wird nervenkrank, er darf das Kind nicht mehr sehen. Da erzählt ihm ein portugiesischer Kneipier von den immensen Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten in Lissabon. Also lässt sich Sérgio seinen Anteil an einem sehr bescheidenen Erbe auszahlen und macht sich auf den Weg nach Europa. Wie ich wieder anfing zu rauchen hat der Autor diesen Teil der portugiesischen Erfahrungen betitelt. Denn das sprachliche Mutterland wird bald zum Trauma für den Einwanderer. Zwischen dem weichen, melodiösen Brasilianisch und dem gutturalen Portugiesisch liegt z.B. eine idiomatische Barriere, die ein einfach Gebildeter wie der junge Provinzler nur mühsam zu überwinden vermag. Die Sprachverwirrung wird dadurch potenziert, dass er selbst zahlreiche dialektisch eingefärbte Ausdrücke verwendet, die ein normaler Brasilianer kaum und ein Portugiese noch weniger versteht. Sie werden im Text grafisch hervorgehoben, sind aber nicht immer übertragen worden, weil es dafür einfach keine vernünftige deutsche Entsprechung gibt, noch nicht einmal für Michael Kegler einen der besten Portugiesisch-Übersetzer. Der Leser sollte sie einfach als etwas Befremdliches in der Ausdrucksweise eines Menschen zur Kenntnis nehmen, der sich in einer Sprachwelt zurechtfinden muss, die auch ihm recht fremd erscheint. Sérgio will in Lissabon „eine Zeitlang hart arbeiten, so viel Geld wie möglich verdienen, nach Brasilien zurückgehen, ein Haus kaufen und von der Miete leben“ – so sein Plan. In der Stadt seiner Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT heimlichen Träume wird er jedoch keineswegs mit offenen Armen aufgenommen, sondern trifft auf geradezu feindliche Reaktionen. Das kalte Klima bei seiner Ankunft entspricht der gesellschaftlichen Kälte, die ihn umgibt. Er muss in einer elenden Herberge absteigen, bleibt lange arbeitslos, bis er als Kellner unterkommt. Dann begegnet er der Brasilianerin Sheila, die gelernt hat, ihren Körper zu verkaufen. Mit ihr erlebt er eine kurze, glückliche Zeit, lernt dabei auch Lissabons Schönheiten kennen, bis sie ihn um sein Geld und seinen Pass bringt und er auch noch seinen Job verliert. Am Schluss steht er schlechter da als vor seiner Emigration. „Und so bin ich wieder in einen Tabakladen gegangen, habe mir ein Päckchen SG gekauft und ein Feuerzeug, habe mir eine Zigarette herausgenommen, sie angesteckt und wieder angefangen zu rauchen.“ Mit diesem lapidaren Satz beendet Luiz Ruffato die Ich-Erzählung. Thematisch bleibt er der Hauptlinie seines Werkes treu: dem Schicksal einfacher Menschen, das er hier am Beispiel eines der vielen brasilianischen Arbeitsemigranten darstellt. Der Fall ist nicht real, obwohl der Autor in seiner Vorbemerkung diesen Eindruck erweckt. Es gehört jedoch zu seinen literarischen ‚Tricks‘, manchen fiktionalen Geschichten eine zusätzliche Glaubwürdigkeit anzudichten, die sie gar nicht benötigen. 2009 ist das Original erschienen, als weltweit die Flüchtlingsströme zunahmen und verstärkt Europa zum Ziel hatten. Angesichts des gegenwärtigen Flüchtlingselends in vielen unserer Länder hat die Geschichte an neuer Aktualität gewonnen. Luiz Ruffato beschreibt sie aus der Sicht dieses Sérgios, eines jungen Mannes von naivem Gemüt, der etwas schief ins Leben gebaut ist. Er stolpert eher durch sein Schicksal, als dass er es Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT bewusst lebt, und verstrickt sich deshalb in Situationen, die „ein Mensch von normalem Verstande“ problemlos bewältigen würde. Das verleiht dieser literarischen Petitesse einen tragikomischen Grundton, die das bisherige Werk des Autors nicht aufweist. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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