SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Sarit Yishai-Levi: Die Schönheitskönigin von Jerusalem übersetzt von Ruth Achlama Aufbau Verlag 618 Seiten 22,95 Euro Rezension von Karen Frankenstein Freitag, 13.05.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Von Karen Frankenstein Im Zentrum dieses Romans aus Israel steht die wunderschöne Luna mit den auffällig roten Haaren und den durchdringend grünen Augen: die Titelheldin, die „Schönheitskönigin von Jerusalem“. In den Anfangsjahren der britischen Mandatszeit, also Anfang der 1920er Jahre, in Palästina geboren, ist sie die älteste von drei Schwestern und das Lieblingskind ihres Vaters. Gabriel, der Patriarch der hoch angesehenen sefardischen Familie Ermozo, betreibt das größte Delikatessengeschäft auf dem Machane-Jehuda-Markt in Jerusalem. Erzählt wird Lunas Geschichte aus der Perspektive ihrer Tochter Gabriela, der IchErzählerin. Der Roman beginnt mit Lunas Tod, als ihre Tochter gerade einmal 18 Jahre alt ist, und er reicht zurück bis zur Hochzeit ihrer Urgroßeltern. Engstirnigkeit und Engherzigkeit, Vorurteile und Aberglauben prägen das Denken in den traditionellen Strukturen der Familie. Lieblos sind die arrangierten, meist unglücklichen Ehen, vor allem aber die Beziehungen der Frauen der verschiedenen Generationen untereinander. Am schlimmsten steht es um das Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern. Trotz aller innerfamiliärer Konflikte hält die Familie nach außen hin bedingungslos zusammen. Vor allem die Geschwister jeder Generation unterstützen sich gegenseitig. Gabrielas Großmutter Rosa ist vor allem ihrem jüngeren Bruder, dem Tunichtgut Efraim, eng verbunden. Als sich Efraim der radikal-zionistischen Untergrundorganisation Lechi anschließt, die Attentate gegen die britische Mandatsmacht verübt, ist sie voller Bewunderung für ihn. Doch eines Tages geht Efraim zu weit: Ihm wird die Ermordung der Nachbarstochter Matilda zur Last gelegt, die sich mit einem britischen Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Besatzer eingelassen hatte. Von da an wird die Familie Ermozo im Viertel geächtet. Im Roman sind Familiengeschichte und Zeitgeschichte eng miteinander verwoben: Die erzählte Zeit reicht von der osmanischen und britischen Besatzung über die Staatsgründung bis hinein in die israelische Gegenwart. Im Mittelpunkt aber steht ein Familienfluch: Er verwehrt den Frauen das Glück der Liebe und läßt sie verbittern. Alle Männer haben ihr Herz schon vor der Heirat an andere Frauen verloren. Auch wenn Luna als erste in der Familiengeschichte ihren Mann selbst wählen kann, ist auch ihr in dieser Hinsicht kein besseres Schicksal beschieden. Denn auch ihr Mann träumt von einer Anderen, in die er sich während des Krieges in Italien verliebt hat. Doch eine Heirat mit einer Nichtjüdin ist undenkbar. So wählt er stattdessen die Schönste der Schönen von Jerusalem: Luna Ermozo. Diese jedoch, obschon strahlend und lebenslustig, ist eitel und eigensinnig: ein junges Mädchen, das nichts anderes im Kopf hat als Kleider, Schönheitsmagazine und Hollywoodfilme. Das Mutterdasein widerstrebt ihr zutiefst, und so lehnt auch die Tochter, die Erzählerin Gabriela, ihre Mutter Luna vom ersten Augenblick an ab. Der Familienfluch, die unheilvollen Beziehungsstrukturen werden von Generation zu Generation weitergegeben. Erst Jahre nach Lunas Tod beginnt die Erzählerin Gabriela die Geschichte ihrer Mutter mit anderen Augen zu sehen. Die Erzählungen ihrer Tante offenbaren ihr einen völlig unbekannten Menschen mit einer zweiten, geheimen Identität. Erst am Grab der Mutter gelingt Gabriela eine Aussöhnung. Die fest zementierten, traditionellen Familienstrukturen machen es anfangs schwer, mit irgendeiner der Personen Sympathie zu empfinden. Erst allmählich werden die Figuren, die sich zwischen magischem Denken und Fortschrittsglauben bewegen, vielschichtiger. Die moderne israelische Gegenwart hält auch in die Familie Ermozo ihren Einzug: Gabriela kann den Fluch der Familie brechen, indem sie sich ihrer Familiengeschichte stellt. Der Vergleich mit Amos Oz’ „Geschichte von Liebe und Finsternis“, mit dem der Verlag wirbt, ist allerdings gewagt und allzu hoch gegriffen. Sarit Yishai-Levis Sprache einer Journalistin und Sachbuchautorin erreicht nicht den poetische Ausdruck eines großen Autors wie Amos Oz. Auch denken ihre Figuren passagenweise recht schlicht, was ihrem Roman ein Stück Komplexität raubt. Gleichwohl bietet der Roman von Sarit Yishai-Levi einen seltenen, realitätsnahen Einblick in die traditionelle Welt der Sefardim. Er zeigt eine Familie, hin und hergerissen zwischen Aberglaube und Fortschritt, vor dem Hintergrund der bewegten jüngeren Geschichte Israels. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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