SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Alvin E. Roth: Wer kriegt was und warum? Bildung, Jobs und Partnerwahl Aus dem amerikanischen Englisch von Thorsten Schmidt Siedler Verlag 2016 304 Seiten 24,99 Euro Rezension von Wolfgang Schneider Dienstag, 19.07.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2012 erhielt der nordamerikanische Wirtschaftsprofessor Alvin E. Roth den Nobelpreis für Ökonomie. Nun ist auf Deutsch ein Buch von ihm erschienen, das uns verrät, wie die Märkte des Lebens funktionieren: „Wer kriegt was und warum?“ lautet der Titel. Wolfgang Schneider bespricht es für uns. Vom beschaulichen Wochenmarkt bis zu den entfesselten Finanzmärkten – Märkte bestimmen unser Leben. Nicht nur wenn wir etwas kaufen oder verkaufen und die Geschäfte anonym über Preise und Geld geregelt sind, sondern gerade auch dann, wenn sich die Beteiligten zu einem Abgleich von Interessen zusammenfinden müssen: etwa bei Partnerwahl, Job- oder Schulsuche und vielen anderen „Transaktionen“ in Alltag und Berufsleben. Diese sogenannten „matching markets“ sind das Forschungsgebiet des 1951 geborenen Ökonomen und Spieltheoretikers Alvin E. Roth – Marktplätze, wo man sich nicht einfach etwas aussuchen und bezahlen kann, sondern auch selbst ausgewählt werden muss. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Die Disziplin des Nobelpreisträgers heißt Marktdesign. Denn Märkte sind nicht naturgegeben, sondern werden von Menschen gestaltet und verändert. Manchmal funktionieren sie nur schlecht – und Roth hat geholfen, sie zu verbessern. Einer seiner größten Erfolge war die Neuorganisation eines Marktes für ein knappes Gut, das üblicherweise nicht mit Geld bezahlt wird: der komplexe Ringtausch mit Spendernieren. Dadurch konnte das Leben vieler Menschen gerettet werden, die sonst vergeblich auf ein passendes Organ gewartet hätten. Als fragwürdig oder gar wahnwitzig empfinden viele den Hochfrequenzhandel der Finanzmärkte, wo Unternehmen Unsummen in immer bessere Faserkabel investieren, um noch millisekundenschneller als die Konkurrenz agieren zu können. Dort rät Roth ein Marktdesign im Zeichen der Entschleunigung an, etwa die Bündelung der Transaktionen in Ganzsekundenschritten. Dysfunktionale Matching-Märkte, mit denen er sich ausgiebig beschäftigt, sind akademischen Bewerbungsverfahren und die Schul-Wahl. Bei letzterer folgen die Eltern oft strategischen Überlegungen, wenn sie etwa als erste Wahl für die weiterführende Schule ihres Kindes gerade nicht ihr wirkliches Wunschgymnasium angeben, weil sie befürchten, dass das schon zu viele andere Eltern tun und deshalb die Chancen womöglich zu gering sind. Und wenn sie als zweite Wahl wiederum nicht die wirkliche zweite Wunschschule nennen, weil sie wissen, dass diese ihren Bedarf sowieso nur aus Erstwahlwünschen deckt. Roth beschreibt, wie er für das Schulsystem von Boston und New York algorithmische Verfahren und Clearingstellen entwickelt hat, die zu größerer Zufriedenheit geführt haben. Details lassen sich in der Kürze nicht anführen, sie werden von Roth aber plausibel dargestellt. Prinzipiell gilt: Märkte lassen sich verbessern, wenn ihr Design Menschen dazu bringt, wichtige Informationen nicht zurückzuhalten. Auch die neuen Internet-Marktplätze thematisiert das Buch. Wie gewährleisten Auktionsplattformen wie Ebay einen verlässlichen Informationsaustausch? Und welche Strategie steckt dahinter, wenn man als Gewinner einer Auktion nicht sein Höchstgebot zahlt, sondern nur den zweithöchsten Preis? Auch dabei geht es um die Gewährleistung Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT solider Informationen zur Preisbildung – und um die Einschränkung des Snipings, des Bietens in allerletzter Sekunde. Zu den Lehren des Buches gehört es, dass Märkte ständigem historischem und moralischem Wandel unterliegen. Die Vorstellungen davon, ob mit Geld und Zins gehandelt werden darf, ob etwa Pferdefleisch, Menschennieren oder Sklaven zu Verkauf stehen sollen, ändern sich im Verlauf der Zeiten und in verschiedenen kulturellen Kontexten. In vielen islamischen Ländern ist das Kreditwesen immer noch verboten; wer im Iran ein Haus bauen will, der kann stattdessen zur Finanzierung seine Niere verkaufen, denn das ist dort wiederum erlaubt. In früheren Jahrhunderten wurden zahlungsunfähige Menschen in Schuldtürmen inhaftiert oder gar in die Vertragsknechtschaft geschickt. Heute sehen wir Schulden als eine viel harmlosere Sache an als solche Versklavung und empfinden die einstige Moral als sehr unmoralisch. Auch die Frage, was als unerwünscht oder abstoßend gilt, gehört also zum Design von Märkten. Ein neuer, sehr aktueller Matching-Markt ist übrigens die Verteilung von Flüchtlingen auf die Länder. Aber da hat auch Alvin E. Roth noch keinen Zauber-Algorithmus parat. Dieses Buch hat einige Längen, etwa wenn die Details der Bewerbungsverfahren amerikanischer Medizinabsolventen auf Assistenzarztstellen analysiert werden. Aber man wird klüger bei der Lektüre, weil Alvin E. Roth theoretisches Wissen auf praktische Probleme anwendet, die jeden betreffen. Denn Märkte bestimmen unser Leben. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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