SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Boris Schumatsky: Der neue Untertan Populismus, Postmoderne, Putin Residenz-Verlag, Wien 2016 160 Seiten 18,90 Euro Rezension von Judith Leister Freitag, 29.07.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Den „neuen Untertanen“ entdeckt der russisch-deutsche Autor Boris Schumatsky in seinem gleichnamigen Essayband. Das Buch ist eine harsche Kritik an der Autoritätsgläubigkeit vieler Russland-Freunde. Schumatsky warnt vor Verschleierungstaktiken und Verschwörungstheorien und wünscht sich eine Rückkehr zu den Werten einer offenen Gesellschaft. „Putinversteher“ – der Begriff wurde in Deutschland geprägt. Inzwischen hat er weltweit Karriere gemacht. Der Schriftsteller Boris Schumatsky, 1965 in Moskau geboren und heute in Berlin lebend, hat sich näher mit diesem Phänomen beschäftigt. In seinem Essay „Der neue Untertan. Populismus. Postmoderne. Putin“ beschreibt er die Anhänger Putins als Feinde der Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Demokratie und Gegner der Aufklärung – und nimmt vor allem die deutsche Szene unter die Lupe. Das Ungewöhnliche daran: Schumatsky findet die deutschen Putin-Fans im rechten und linken politischen Spektrum – vor allem bei der Linkspartei und bei der AfD. Manche hält er einfach für Russland-Romantiker. Für Linke sei die Sowjetunion lange die einzig valide Alternative zum Westen gewesen, der einzige ernsthafte Widerpart der NATO. Praktisch aus alter Anhänglichkeit hätte mancher seine Sympathie dann einfach auf das System Putin übertragen. Für seine Thesen führt Schumatsky überzeugende Beweise an. Nach der Annexion der Krim im Frühjahr 2014 gab es in deutschen und österreichischen Städten so genannte „Montagsmahnwachen“. Deren Kritik galt aber nicht Russland. Vielmehr meinten die Demonstranten, dass die USA und die amerikanische Zentralbank an der Ukraine-Krise schuld seien. Auch antisemitische Verschwörungstheorien kursierten. Die Verfechter dieser oft bizarren Weltbilder bekannten sich bei einer Befragung überdurchschnittlich häufig zur Linkspartei oder auch zur AfD. Schumatsky meint, dass der Kreml solche Veranstaltungen – wie überhaupt jede sich bietende Möglichkeit – nutzt, um den Westen zu destabilisieren. Er erwähnt den Fall des angeblich von Migranten entführten russlanddeutschen Mädchens von Anfang 2016. Seinen Recherchen zufolge setzte die NPD das Gerücht in die Welt. Es verbreitete sich über russlanddeutsche Netzwerke. Dann griff das russische Fernsehen das Thema auf. Ihren Höhepunkt erreichte die Affäre, als Außenminister Lawrow den deutschen Behörden „Vertuschung“ vorwarf. Tatsächlich unterscheidet sich die neue Propaganda des Kremls dadurch von der sowjetischen, dass ihre Anlässe sich oft aus dem Tagesgeschehen ergeben. Die neue Propaganda hat keinen ideologischen Kern mehr. Sie schert sich nicht darum, dass ihre Behauptungen widersprüchlich und ihre Lügen leicht zu Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT entlarven sind. Sie dient allein dem Machterhalt. Dazu nutzt sie moderne Werbestrategien ebenso wie Geheimdienstmethoden. Schumatsky nennt dies zu Recht „postmodern“: Im poststrukturalistischen „Spiel der Signifikanten“ geht die politische Wahrheit unter. „Der Krieg erfindet sich gerade neu“, schreibt er über die lautlose Annexion der Krim. „Er will heute wie Frieden aussehen, und sein Schlachtfeld hat sich so weit ins Mediale verlagert, dass man, wenn es so weitergeht, irgendwann scharfe Bilder gegen scharfe Waffen tauschen wird.“ Schumatsky schildert, wie freundliche „grüne Männchen“, Soldaten ohne Rangabzeichen, auf der Krim auftauchten und öffentliche Gebäude besetzten. Auf Selfies ließen sie sich mit jungen Frauen ablichten. Bald wurden sie zum Vorbild für ein Set von Spielzeugsoldaten mit dem Titel „Die moderne russische Infanterie – Die höflichen Menschen“. „Der neue Untertan“ ist auch ein Text über den unbegreiflichen Rückhalt, den die aggressive Ukraine-Politik in Russland genießt. Nur am Rande kommen die Zumutungen vor, denen der gewöhnliche russische Untertan durch den Staat bis heute ausgesetzt ist. So wurden Boris Schumatskys schwerkrankem Vater Schmerzmittel in schikanöser Weise vorenthalten. Seine Leiche wurde in einem Sack abtransportiert, den die Bestatter nachlässig über den Boden schleiften, als sie sich unbeobachtet glaubten. Boris Schumatskys Buch ist subjektiv, sicherlich, und manchmal vielleicht etwas wild wuchernd. Man muss seinen erklärtermaßen linken Positionen nicht zustimmen. Aber der Essay öffnet die Augen für die fahrlässigen Zugeständnisse, die Putins Regime nicht nur, aber auch in Deutschland gemacht werden. Und schlimmer: Die Putinversteherei ist ein Indiz dafür, dass sich Teile der Gesellschaft vom aufklärerischen Konsens entfernt haben. Dabei entstehen neue Koalitionen, deren Sprengkraft man noch nicht wirklich einschätzen kann. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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