SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
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SWR2 DIE BUCHKRITIK
Tom Slee: Deins ist meins
Die unbequemen Wahrheiten der Sharing Economy
aus dem Englischen von Ursel Schäfer
Verlag Antje Kunstmann
22,95 Euro
Rezension von Margrit Irgang
Freitag, 03. Juni 2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Das Anliegen der Sharing Economy ist so einfach wie überzeugend: Man müsste, dachten
sich vor ein paar Jahren in den USA ein paar kluge Köpfe, den großen Unternehmen die
Marktmacht entreißen und Dienstleistung wieder als gemeinschaftliche Aufgabe
betrachten. Und so entstanden in rasanter Schnelligkeit Plattformen für Hilfsangebote in
den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Heute kann man sich über einen CarsharingPool ein Auto leihen oder über einen Putzdienst sein Haus putzen lassen, man kann
Handwerker bestellen, Werkzeuge leihen oder eine Köchin engagieren.
Diese Initiativen begannen fast durchweg bei irgendjemandem am Küchentisch; eine
Webseite wurde entworfen, eine Software geschrieben, für die Vermittlung wurde ein
Betrag erhoben, und das Geschäft begann zu laufen. Ist doch alles ganz sozial, sollte man
meinen. Tom Slee jedoch hat sich akribisch mit den Hintergründen befasst und kommt zu
dem Schluss: „Die Sharing Economy beruft sich auf Ideale, um gewaltige Privatvermögen
anzuhäufen.“
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Zwei Beispiele, die auch in Deutschland für Schlagzeilen sorgten: der Fahrdienst Uber und
die Mitwohnzentrale Airbnb. Am Beginn von Airbnb standen ein paar Studenten, die
Schlafplätze auf aufblasbaren Luftbetten für Konferenzbesucher in San Francisco
anboten. Heute sind die Gründer Milliardäre. Die Grundidee von Airbnb ist, dass nette
Menschen bei netten Menschen zu Gast sind, aber das Unternehmen übernimmt keine
Verantwortung für die Qualität der Beherbergung. Es gibt immer wieder sowohl sexuelle
Belästigung durch Gastgeber wie auch Vandalismus durch Gäste, und manche Vermieter
setzten ihre langjährigen Mieter auf die Straße, weil sie über Airbnb mehr verdienen
können. Vor allem umgeht das Unternehmen die steuerlichen Abgaben und
Qualitätsprüfungen, zu denen Hotelbetriebe verpflichtet sind, indem Airbnb nur als
Vermittler einer Dienstleistung auftritt.
Noch krasser ist dies beim Taxidienst Uber, der Menschen mit ihrem eigenen Pkw als
Fahrer einsetzt und ihnen ein großzügiges Einkommen verspricht. Tom Slee hat
nachgerechnet, und als die Kosten für Steuern, Versicherung und Haftpflicht, die der
Fahrzeughalter zu tragen hat, abgezogen waren, blieb vom Gewinn nicht viel übrig.
Darüber hinaus erhöht Uber sukzessive den eigenen Anteil am Fahrpreis und setzt seine
Fahrer einer gnadenlosen Kontrolle aus. In jeder Stadt bekommt Uber Schwierigkeiten mit
den etablierten Taxi-Unternehmen, die Lizenzgebühren zahlen und für ihre Fahrer haften
müssen. Uber jedoch ist nur Vermittler, das Risiko trägt die Person, die das Auto besitzt.
Die Sharing Economy beruft sich auf Ideale wie Vertrauen unter den Menschen, Offenheit
und den Wert des Miteinanderteilens. Tom Slee zeigt an zahllosen Beispielen, dass diese
Ideale nur die Gewinnabsichten der Unternehmen verschleiern. Die Sharing Economy
wollte einst die Marktmacht der Großen aushebeln und ein faires Miteinander unter den
Menschen herstellen, aber tatsächlich schädigen sie die Kleinen. Airbnb etwa nimmt den
Pensionen die Kunden weg, nicht den großen Hotelketten, die ein anderes Publikum
haben.
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Tom Slee hat ein durchaus wichtiges Buch geschrieben. Leider liest es sich etwas zäh,
weil der Autor seine Recherchen mit einer ermüdenden Menge Zahlen belegt. Ich höre
auch einen Unterton von Verbissenheit: Tom Slee will eine Bewegung entlarven, da ist für
Humor oder Gelassenheit kein Raum. Die meisten der Unternehmen, mit denen er sich
befasst, operieren zurzeit nur in Kanada und den USA. Einzig das Kapitel über die
Aushebelung des Copyrights von Künstlern im Internet interessiert auch uns in Europa; es
ist aber etwas kurz ausgefallen. Ein Aufruf zur Wachsamkeit ist das Buch auf jeden Fall.
Vielleicht sollte man es Politikern in die Hände drücken, damit die Gesetzgeber endlich
begreifen, dass der Begriff „Verantwortung“ im Zeitalter der digitalen Vernetzung völlig neu
definiert werden muss.
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