SWR2 MANUSKRIPT

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Omar Shahid Hamid: Der Gefangene
Roman
Übersetzt von Rebecca Hirsch
Draupadi Verlag 2016
315 Seiten
19,80 Euro
Rezension von Claudia Kramatschek
Freitag, 16.12.2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Die englischsprachige Literatur aus Indien hat schon lange Konkurrenz aus dem
Nachbarland Pakistan. Mohammed Hanif, Nadeem Aslam, Kamila Shamsie oder Uzma
Aslam Khan: Sie alle erzählen brillant und anspruchsvoll aus einem verrufenen Land. Nun
gesellt sich ein weiterer Name dazu: Omar Shahid Hamid. 13 Jahre lang war der 1977
geborene Autor im Polizeidienst von Karatschi, 2011 stieg er aus, da er auf der Todesliste
der Taliban stand. Nun liegt sein Debutroman „Der Gefangene“ im Deutschen vor. Eine
Buchkritik von Claudia Kramatschek
Karatschi – die größte Stadt in Pakistan – hat den Ruf, eine Hauptstadt des Verbrechens
zu sein. In den 80er Jahren boomte dort die sogenannte Kalaschnikow-Kultur: General
Zia ul-Haque war bereits an der Macht, Karatschi diente als Umschlagplatz für die
unzähligen Waffen, mit denen die USA die Mudschaheddin ausstatteten, die im Zuge des
Kalten Krieges die Sowjets in Afghanistan bekämpfen sollten. Inzwischen gelten ganze
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Stadtteile als Hochburgen der Taliban und Jihadisten sowie als no-go-areas, in die sich
niemand wagt, nicht einmal die örtliche Polizei. Aus eben dieser Melange von lokaler
Gewalt, internationalem Verbrechen und scheinbarer Rechtsfreiheit bezieht Omar Shahid
Hamids Roman „Der Gefangene“ seine Spannung. Alles beginnt an einem kalten
Dezembertag 2006 vor den Toren des Zentralgefängnisses in Karatschi. Constantine
D’Souza – einst Mitglied einer Spezialeinheit der Polizei, nun abkommandiert zum
Gefängnisdienst – erwartet Besuch von einem Armeeangehörigen namens Major Rommel.
Rommel hat nur eine Order: den Gefangenen Nr. 2377 mitzunehmen – einen Mann
namens Akbar Khan. Wenige Tage zuvor hatten Jihadisten einen amerikanischen
Journalisten entführt – nun erhofft man sich von Khan wertvolle Informationen, um den
angekündigten Tod des Amerikaners zu verhindern. Ein Wettrennen mit der Zeit beginnt –
und zugleich werden alte Rechnungen beglichen zwischen allen an der Suche Beteiligten.
Khan – dem vor allem D’Souza eng verbunden ist – ist nämlich kein gewöhnlicher
Gefangener: Einst war er ein mächtiger Polizist, der Drogenbarone, Entführer und
widerständige Politiker zur Strecke gebracht hat. Was ihn selbst ins Gefängnis gebracht
hat, schildert der Roman Stück für Stück in eingeschobenen Rückblenden, die ausgreifen
in die Jahre zwischen 1996 und 2006. Es sind die Jahre, in denen die Stadt ihr Gesicht
noch einmal dramatisch verändert: 1996 ergreift die Vereinigte Front, eine Partei mit
säkularem Gewand aber radikalem Anliegen, die Macht und überzieht die Stadt mit Gewalt
und Schrecken. Bei einem Angriff auf die Zentrale der Vereinigten Front werden Akbar
Khan und D’Souza, die Seite an Seite in einer Spezialeinheit der Polizei kämpfen, schwer
verletzt – das schweißt sie zusammen. Beide machen sich in dieser Zeit allerdings auch
Erzfeinde: darunter Männer, die nun, 2006, wieder auftauchen und sich zu gefährlichen,
da wichtigen Beratern von Macht habenden Politikern, wie etwa dem Innenminister
gemausert haben. Tatsächlich bilden die so hanebüchenen, da abgrundtiefen
Verstrickungen zwischen der Armee, dem Geheimdienst, der jeweiligen Regierung sowie
sektiererischen radikalen Gruppen den eigentlichen Fokus des Romans. Zwar verliert man
manchmal den Faden, da der Autor – der merklich auf seine eigenen Erfahrungen im
Polizeidienst von Karatschi zurück greift – nicht mit Figuren, Namen und sachlichen
Details geizt. Dennoch bekommt man, auch ohne Vorwissen, einen realistischen Einblick
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in die undurchsichtigen Allianzen und tückischen Ränkespiele in einer politischen
Landschaft, in der das Blatt sich jeden Tag wenden und in der scheinbar nur der
überleben kann, der sich mit der jeweiligen Macht arrangiert. Einzig D’Souza bildet als
‚guter Cop’ eine löbliche Ausnahme –- wie ihn auch seine Herkunft als Christ mit Wurzeln
im indischen Goa schon als Ausnahmefigur kennzeichnet. Doch solches
Hintergrundwissen ist für die Lektüre und den Spaß an dem Roman ebenso zweitrangig
wie die Tatsache, dass dieser auf reale Personen und Ereignisse anspielt: Die Vereinigte
Front ist Synonym für die MQM, die wichtigste Partei in der Stadt; im amerikanischen
Journalisten ist unschwer der Wall-Street-Journal-Korrespondent Daniel Pearl zu
erkennen, der 2002 in Karatschi entführt und ermordet worden ist. „Der Gefangene“ ist
also kein Schlüsselroman, sondern ein veritabler Krimi mit Tempo und mehrfachem whodone-it-Effekt. Die Übersetzung lässt zwar stellenweise zu wünschen übrig. Dennoch
bietet „Der Gefangene“ viel Stoff und beste Unterhaltung.
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