SWR2 MANUSKRIPT
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SWR2 DIE BUCHKRITIK
Dave Goulson: Wenn der Nagekäfer zweimal klopft
Das geheime Leben der Insekten
aus dem Englischen Sabine Hübner
Hanser Verlag
320 Seiten
21,90 Euro
Rezension von Johannes Kaiser
Mittwoch, 18.05.2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Von Johannes Kaiser
Spr.: Blutsaugend, eklig, lästig, stechend und beißend – bei den meisten von uns lösen
Insekten nicht gerade große Begeisterung aus. Und doch sind viele von ihnen wie die
Schmetterlinge faszinierend bunt, wie die Wanzen aufregend abwechslungsreich, wie die
Ameisen perfekte Hirten, wie Bienen und Hummeln unverzichtbar für die Existenz vieler
Pflanzen. Ohne Insekten gäbe es wahrscheinlich kein Leben auf der Erde.
Das jedenfalls behauptet der englische Biologe und Naturschützer Dave Goulson und
entführt uns in seinem Buch ‚Wenn der Nagekäfer zweimal klopft‘ in die weitgehend
unbekannte Welt der krabbelnden und fliegenden Tiere.
Zit.:
„Heutzutage sind von den etwa 1,5 Millionen bekannten Pflanzen- und Tierarten ...
eine Million Insekten ... und von diesen wiederum etwa 800 000 Käfer, Fliegen, Falter oder
Wespen... Schwenken Sie im tropischen Regenwald mal ein Schmetterlingsnetz und Sie
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werden garantiert etliche Spezies fangen, von denen die Wissenschaft bislang nichts
weiß.“
Spr.: Dave Goulson hat sich auf jene Handvoll Arten beschränkt, die sozusagen direkt
vor seiner Nase auftauchen. Auf einer dreizehn Hektar großen Wiese hinter einem alten
Landhaus im Süden Frankreichs, das der Insektenforscher vor einigen Jahren erworben
hat, hat er wochen- und monatelang die dort vorkommenden Insekten beobachtet. Man
muss schon ein sehr geduldiger Mensch sein, um nahezu regungslos Hummeln und
Käfern, Ameisen, Blattläusen und Libellen bei ihrem Treiben zuzuschauen. Doch diesem
Beharrungsvermögen verdanken wir nun auf gut 300 Seiten faszinierende Einblicke in
eine Liliputwelt.
Und damit wären wir beim titelgebenden Gescheckten Nagekäfer, der sich vom Holz alter
Balken ernährt. Um ein Weibchen zu finden, haut das Männchen mit dem Kopf gegen das
Holz. Das Weibchen antwortet ebenfalls mit Klopfen. Die Beine des Käfers stehen zu eng
nebeneinander, um aus den Vibrationen die Richtung des Klopfens zu erkennen.
Stattdessen läuft er ein paar Schritte, klopft erneut. Ist die Antwort lauter als zuvor, bewegt
er sich weiter in diese Richtung, ansonsten kehrt er um, probiert eine andere Richtung
aus. So braucht er Ewigkeiten, bis er das Weibchen findet. Eine ausgesprochen mühsame
Brautsuche. Die Kopulation ist nicht weniger kurios:
Zit.:
„Durchschnittlich transferierte ein Männchen 13 Prozent seines Körpergewichts auf
das Weibchen. Welche Substanz da übertragen wurde, habe ich nie herausgefunden,
aber vermutlich Sperma und ähnliche Körperflüssigkeiten. Diese Menge entspräche auf
den Menschen übertragen 14 Litern Sperma pro Begattung – keine sehr angenehme
Vorstellung.“
Spr.: Viele solcher Erkenntnisse über das Verhalten von Insekten hat der
Hochschullehrer auch in Experimenten an der University of Sussex gewonnen. Er ergänzt
sie durch zahlreiche Querverweise auf die Forschungsarbeiten anderer. Dave Goulson
versteht es phantastisch, seine Beobachtungen und Einsichten so amüsant und
verständlich zu präsentieren, dass man ihm gerne und neugierig folgt, selbst seinen
Fußnoten.
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Zit.:
„Insekten besetzen fast jede denkbare ökologische Nische: Sie können Räuber,
Parasiten, Pflanzenfresser oder Detriusfresser sein.
Fußnote:
Detriusfresser sind Tiere, die tote organische Stoffe fressen, einschließlich Leichen, totes
Laub sowie andere Pflanzenmaterialien und Fäkalien. Wahrlich kein Traumjob, aber
irgendjemand muss ihn ja erledigen.“
Spr.: Selbst Fliegen, die den Autor in seinem Landhaus gehörig nerven, haben eine
wichtige Funktion im Ökosystem. Sie bestäuben viele Pflanzen und sind als Vogelfutter
unverzichtbar. So gibt es zahlreiche ‚Dienstleistungen‘ der Insekten für die Tier- und
Pflanzenwelt. Ameisen zum Beispiel schützen Blattläuse gegen Fressfeinde, denn die
versorgen sie mit Honigtau, einem zuckrigen Sekret. Manchmal geht die Liebe soweit,
dass Ameisen Läuseeier im Herbst mit in ihr Nest nehmen, um sie dort schön warm zu
halten, bevor sie sie im Frühling wieder an einer geeigneten Pflanze aussetzen.
Geben und nehmen – auch in der Insektenwelt gibt es viele Symbiosen. Noch allerdings,
so Dave Goulson, wissen wir sehr wenig über diese Zusammenhänge, haben erst einen
rudimentären Einblick in eine Miniaturwelt, die voller Geheimnisse und rätselhafter
Verhaltensformen steckt.
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