SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Bille Haag: Königin der Nacht Roman Klöpfer & Meyer, Tübingen 2016 302 Seiten 22 Euro Rezension von Eberhard Falcke Freitag, 28. Oktober 2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2007 legte die aus Düsseldorf gebürtige Freiburgerin Bille Haag mit einem späten Debüt ihren ersten Roman vor: „Der Abfahrer“ lautete der Titel und es ging ums Radfahren, bei dem sich zugleich die Erinnerung an ein halbes Leben abspult. Die Autorin bewies vielfältige Kenntnisse und Einblicke ins bundesrepublikanische Dasein und ein eigenwilliges, an Tonlagen reiches Sprachvermögen. Nun ist ihr zweiter Roman erschienen: „Königin der Nacht“. Themen sind vor allem ein Frauenleben im Deutschland des vergangenen Jahrhunderts, die Doppelbödigkeit der Kunstbegeisterung und die Auswirkungen der Zeitgeschichte auf das private Leben. Der Pfarrer murrt kräftig, als er im Jahr 1906 dieses unschuldige Christenmädchen auf den sündig schillernden Namen Lilith taufen soll. Gilt Lilith doch unter Gottesmännern seit je als Verkörperung gefährlicher Mächte, unter Feministinnen dagegen als emanzipatorische Symbolfigur. Damit ist immerhin schon klargestellt, daß diese Lilith Kordewan für eines nicht geschaffen ist: nämlich sich von Männern unterdrücken zu lassen. Was jedoch nicht heißt, daß damit ein makelloses Frauenleben bereits gesichert wäre. Lilith Kordewan, die meiste Zeit kurz Lili genannt, ist die Heldin im zweiten Roman der Freiburger Autorin Bille Haag. „Königin der Nacht“ heißt der Titel, womit gleich eine zweite berühmte Frauengestalt ins Bild rückt, die ebenfalls einigen Interpretationsspielraum eröffnet. Entlang von Lilis Lebenslauf geht es in diesem Roman bis zu ihrem Tod im Jahr 1988 durch das zwanzigste Jahrhundert, so wie es sich im näheren und weiteren Umkreis dieser Düsseldorfer Bürgertochter darstellt. Daß sie dabei von der deutschen Schuld, die Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT zwischen 1933 und 45 angehäuft wird, nicht frei bleibt, ist ein entscheidender Brennpunkt des Romans. Was Lili Kordewan auszeichnet, ist ihr Eigensinn. Sie weiß, was sie will und das setzt sie durch. Zunächst, im Mädchenalter, ist das ihre Liebe zur Musik, für die sie im Gesangsfach großes Talent beweist. Außerdem besitzt sie eine beträchtliche Begabung zur Träumerei. Da kommt nun Mozarts „Zauberflöte“ ins Spiel, die ja vom Romantitel „Königin der Nacht“ bereits evoziert wird. Vorerst aber träumt sich Lili in die Rolle der Pamina, die darauf hofft, ihren Prinzen zu bekommen, wenn sie nur einige Prüfungen besteht. Lilis Prinz heißt Johnny Ohne. Ihn liebt sie, obwohl er ein Bigamist und Schlawiner ist, was sie als selbstbewußte Frau aber durchaus verkraften kann. Doch obwohl sie zum Opfer männlicher Unterdrückung nicht taugt, versteht sie es ausgezeichnet, sich mit Unterdrückungsverhältnissen zu arrangieren. Und genau daraus erwächst die entscheidende Frage, die Bille Haag mit diesem Roman an ihre Hauptfigur stellt: Wie kann eine eigensinnige Frau, die nicht etwa den zackigen uniformierten Phallokraten hinterherläuft, sondern sich die Freiheit nimmt, ihren eigenen Weg zu gehen wie kann die zur Mitläuferin der Nationalsozialisten werden? Denn Lili Kordewan ist sich nicht zu schade, auch ihre Chancen als Arierin wahrzunehmen, um Glück und Erfolg näher zu kommen. Dem unzuverlässigen Johnny werden 1938 durch Kontakte zu Nazifunktionären Berufschancen eröffnet, die ihn aus seinen notorischen finanziellen Nöten befreien. Und Lili bekommt auf einmal Auftrittsmöglichkeiten im völkischen Kulturwesen, die ihrem künstlerischen Ehrgeiz schmeicheln. Und plötzlich haben beide das Gefühl, daß sie als Paar im Gleichschritt mit der neuen Zeit nach oben kommen können. Bille Haag führt hautnah hinein in die halb provinziellen, halb urbanen Lebenssphären ihrer Protagonistin. Erzählerisch geht das mit erstaunlichem Tempo voran. Ohne sich groß mit zeitgeschichtlicher Kulissenmalerei aufzuhalten, folgt die Autorin den entschlossenen Schritten ihrer Heldin durchs Leben, von der burlesken Zeugung bis zu den letzten Griffen in die Tasten des Klavierflügels, der einst Lilis jüdischem Gesangsprofessor gehörte. Der zuweilen geradezu spritzige Erzählton, den Bille Haag dabei anschlägt, gehört zu den größten Stärken des Romans: Er bietet eine sehr lebendige idiomatische Zeitreise, die vieles von den Sprechweisen, Redewendungen, Denkmustern und Gefühlsmelodien in Erinnerung ruft, was den Klang jener Jahrzehnte bis weit in die Nachkriegszeit ausmachte. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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