SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Frank Goosen: Förster, mein Förster
Verlag Kiepenheuer&Witsch
336 Seiten
19,99 Euro
Rezension von Jochen Rack
Montag, 04.04.2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Frank Goosen zählt zu den Entertainern im deutschen Literaturbetrieb. In seinen
Unterhaltungsromanen – "Liegen lernen" oder "Raketenmänner" – stellte der 1966
geborene Kabarettist sein humoristisches Talent in den Dienst des epischen Erzählens.
Seine Themen findet er vor allem in Befindlichkeiten seiner Generation, im Ruhrgebiet mit
seinen Menschen und Eigenheiten sowie im Fußball. In seinem neuen Roman "Förster,
mein Förster" reflektiert Goosen auf humorvolle Weise das Älterwerden. Unterhaltsam und
aufmunternd zugleich, meint Jochen Rack.
Der Held von Frank Goosens Roman heißt Roland Förster, aber nur seine
Eltern nennen ihn beim Vornamen, für seine alten Freunde Brocki und
Fränge ist er schlicht der „Förster“, wie es eben unter Kumpeln so üblich
ist - die Spitznamen aus Schultagen bleiben an einem kleben, vor allem,
wenn man den Ort seiner Jugend nicht verlässt. Die Dreierbande kennt
sich seit den 80er Jahren, als das Thema Weltrettung angesichts von
Nachrüstung und Waldsterben noch aktuell war. Dreißig Jahre später
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haben sich nicht nur die gesellschaftlichen Umstände geändert, sondern
die Zeit selbst hat ganz heftig an den Jugendfreunden genagt. Derangiert
und vom Leben gezeichnet sind sie alle auf ihre Art: Brockis Frau ist (an
Krebs) gestorben, Fränge, der eine Affäre mit einer wesentlich jüngeren
Frau beginnt, fährt gerade seine Ehe „gegen die Wand“, und Förster – von
Beruf Schriftsteller und ein Alter Ego des Autors - findet angesichts seines
bevorstehenden 50. Geburtstages, dass das Älterwerden schlimmer ist als
jede OP, die ihm nach einer ärztlich verordneten „Gewebeentnahme“
vielleicht bald bevorsteht. Irgendwie will er weg aus den vertrauten
Verhältnissen, leidet an einer Schreibkrise, träumt vom Abhauen ins
Outback und weiten stillen Landschaften, aber am Ende schafft er es doch
immer nur bis ins Cafe Dahlbusch zu seinen Freunden Fränge und Brocki.
Oder bis in seinen Vorgarten, um mit seinem siebzigjährigen Nachbar
Dreffke oder der leicht dementen ehemaligen Tanzkapellen-Saxophonistin
Frau Strobel zu plaudern. Außerdem wartet er auf die Rückkehr seiner
Freundin Monika, die auf den Äußeren Hebriden gerade einen Film dreht.
Und er muss einen Hamster versorgen, den er zufällig auf der Straße
aufgelesen hat.
Kurzum, alle drei Männer befinden sich in einer ausgemachten Lebensund Alternskrise und trauern wehmütig der Zeit nach, als sie wie sie –
betonen, „saufen konnten, ohne krank zu werden“, und den besten Sex
ihres Lebens hatten. - Flapsige Unterhaltungen zwischen den drei
Jugendfreunden machen einen großen Teil von Goosens Roman aus, ob es
um verflossene Geliebte, ehemalige Lehrer, Schleckmuscheln und
Bonanza-Fahrräder, C-90- und C-120-Kassetten oder die Begeisterung für
Popbands geht, die heute vergessen sind.
Kein Zufall, dass sich Fränge einen alten VW-Bulli kauft, eine Ikone der
70er Jahre und Sehnsuchtsobjekt auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
Goosen kennt sich gut aus in der Popmusik, auch Comics, Filme und
Bücher sind seine Referenzen, um biografische Prägungen der in den
sechziger Jahren Geborenen verständlich zu machen - ein erzählerischer
Ansatz, der schon seinen ersten Roman „Liegen lernen“ charakterisiert.
Zwischendurch versucht sich Förster an der Formel „Fünfzig ist das neue
dreißig“ – ein Beispiel für die Ironie und den Sarkasmus, mit dem Goosen
die Zumutungen des Älterwerdens kontert. In seinem Roman malt er
ebenso lustvoll wie unterhaltsam die grotesken Kapriolen aus, in die sich
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Männer verstricken, die sich im Angesicht ihres letzten Lebensdrittels
noch einmal alle Sinnfragen stellen. Schnoddrige Dialoge und ein frechderber Slang brechen die Melancholie und Lebenszweifel seiner Helden.
Dem Schweren und dem Scheitern gewinnt Goosen auf unvergleichliche
Weise seine komischen Seiten ab.
Wenn im weiteren Verlauf der Geschichte die Jugendfreunde, begleitet
von zwei Jugendlichen und den beiden Alten in dem VW-Bus an die Ostsee
aufbrechen, wo Frau Strobel mit den Mitgliedern ihrer ehemaligen
Tanzkapelle zu einem Auftritt zusammenkommt, wird Goosens
Freundschafts- und Generationsroman zu einem deutschen Roadmovie
zwischen Autobahn-Raststätten und Klinkerhäuschen. Das ganz normale,
unspektakuläre Leben und das scheinbar Banale des Alltags sind das große
Thema dieses Autors und seine humorvolle Beschwörung schon ein Teil
der Antwort auf die Sinnkrisen seiner clownesken Helden.
Goosens neuer Roman tröstet mit seinem fröhlichen Desillusionismus
über die Schwermut des Alterns. Ein äußerst unterhaltsames und
aufmunterndes Buch - nicht nur für alle Fünfzigjährigen.
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