SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Óscar Martínez: Eine Geschichte der Gewalt Leben und Sterben in Zentralamerik Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein Verlag Antje Kunstmann, München 2016 298 Seiten 24,95 Euro Rezension von Eva Karnofsky Donnerstag, 12.05.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Nach Jahrzehnten der Bürgerkriege kehrte im Laufe der Neunzehnhundertneunziger Jahre in den Ländern Zentralamerikas Frieden ein. Doch er währte nicht lange. Heute haben kriminelle Banden El Salvador, Guatemala und Honduras fest im Griff. Wieder sterben jedes Jahr tausende von Menschen. Óscar Martínez arbeitet als Journalist in der Region. In seinem Buch Eine Geschichte der Gewalt. Leben und Sterben in Zentralamerika schildert und analysiert er die Situation. Eva Karnofsky hat es gelesen. San Pedro Sula zählt mit seinen knapp 800.000 Einwohnern zu den gefährlichsten Städten der Welt. Schuld ist die organisierte Kriminalität: Im vergangenen Jahr wurden in der zweitgrößten Stadt von Honduras 885 Menschen ermordet und rund 1300 entführt. In den drei zentralamerikanischen Ländern El Salvador, Guatemala und Honduras starben im vergangenen Jahr rund 13.400 Menschen eines gewaltsamen Todes, fast viermal so viel wie in Afghanistan. Und so ist der Band Eine Geschichte der Gewalt. Leben und Sterben in Zentralamerika des salvadorianischen Journalisten Óscar Martínez nichts für schwache Nerven. Angesichts der zahllosen Leichen, die grausam zu Tode kamen, Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT übertreffen die Schilderungen jeden Thriller. Szenen, in denen etwa ein Gerichtsmediziner versucht, Skelette aus einem Brunnen zu bergen, tragen ebenfalls dazu bei. Brunnen sind in Zentralamerika beliebt - als Abladeplatz für Ermordete. Das Buch ist im Übrigen auch besser geschrieben als so mancher Thriller. Der Autor arbeitet mit literarischen Stilmitteln und versteht es, Spannung aufzubauen. Óscar Martínez gehört einem zwanzigköpfigen Reporterteam der 1998 gegründeten, digitalen Tageszeitung Elfaro.net aus El Salvador an. Das Projekt finanziert sich ausschließlich aus Spenden und Zuwendungen von Entwicklungshilfe-Organisationen, denn man legt Wert auf Unabhängigkeit von Politik und Wirtschaft. In dem nun auf Deutsch vorliegenden Buch hat Martínez Reportagen aus den Ländern Zentralamerikas der vergangenen sechs Jahre zusammengestellt, die zum Teil aufeinander aufbauen und Entwicklungen aufzeigen, und in denen einige Personen wie Kronzeugen oder führende Köpfe krimineller Banden immer wieder auftauchen. Die Maras, wie die kriminellen Organisationen in Zentralamerika genannt werden, haben als Jugendbanden angefangen. Sie sind in Los Angeles entstanden, in den Achtzigerjahren, als viele Zentralamerikaner vor den Bürgerkriegen ihrer Heimatländer in den Norden geflüchtet waren. Wurden sie straffällig, wies man sie aus. Sie organisierten sich dann in ihren Herkunftsländern. Inzwischen sind die Maras keine Jugendbanden mehr, sondern straff geführte Mafia-Organisationen, deren Mitgliederzahl längst die 100.000 überschritten haben dürfte. An Nachwuchs mangelt es nicht, denn Arbeitsplätze sind knapp und schlecht bezahlt in Zentralamerika. Die Maras arbeiten eng mit den kolumbianischen und mexikanischen Drogenkartellen zusammen, auf ihr Konto gehen jedes Jahr tausende von Entführungen und Schutzgelderpressungen. Darüberhinaus verlangen sie Wegegeld von Abertausenden von illegalen Migranten, die in die USA reisen wollen, und sie verschleppen Frauen, die sie zur Prostitution zwingen. Längst gibt es ganze Landstriche in Zentralamerika, die man nur unter Einsatz seines Lebens betreten kann und die von Polizei und Behörden aufgegeben wurden. Dort herrscht allein die Mafia. Polizisten und Staatsanwälte, die ehrlich bleiben und unerbittlich ihrem Job nachgehen, leben meist nicht lange, der Rest ist korrumpiert. Und Martínez berichtet von den Verbindungen des organisierten Verbrechens bis in die hohe Politik. Der Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT mutige Journalist hat mit Tätern wie Opfern gesprochen, mit ehrlichen und korrupten Polizisten, Staatsanwälten und Politikern, und er hat Kronzeugen interviewt, die in Zentralamerika meist vergeblich auf Schutz durch die Behörden warten und ermordet werden. Hoch spannend ist auch das Entstehen der Reportagen, wie sich Martínez von Kontaktmann zu Kontaktmann hangelt, wenn er etwa in ein Mafia-Gebiet reisen oder mit einem der Bosse sprechen möchte. Eine Geschichte der Gewalt. Leben und Sterben in Zentralamerika ist ein trauriges Buch, erzählt es doch davon, wie in einer Region in wenigen Jahren die Ansätze von Rechtsstaatlichkeit fast gänzlich ausgehebelt und die nach dem Ende von Diktatur und Bürgerkrieg geschaffenen, neuen demokratischen Institutionen durch mafiöse Strukturen unterwandert und zur bloßen Fassade wurden. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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