SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Marilynne Robinson: Lila Roman Aus dem Englischen von Uda Strätling S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015 288 Seiten 21,99 Euro Rezension von Wolfgang Schneider Mittwoch, 02.03.2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Von Wolfgang Schneider Marilynne Robinson eilt ein Ruf voraus: Sie sei Barack Obamas Lieblingsschriftstellerin. Was liest der Präsident? Das möchte man doch wissen und greift zum Roman „Lila“, dem dritten Band einer locker gefügten Trilogie, der aber auch ohne Kenntnis der beiden anderen Teile gut zu lesen ist. Und man staunt nicht schlecht: Um keinen modernen Gesellschaftsroman à la Franzen handelt es sich, der den Trends und Tendenzen unserer Epoche auf der Spur wäre, auch nicht um einen intrigenreichen Politthriller im Stil von „House of Cards“ – dergleichen erlebt Obama ja in Echtzeit, davon muss er nicht lesen. Stattdessen: ein tief innerliches Buch, ein Buch der religiösen Suche, voller spiritueller Symbolik und atmosphärischen Beschreibungen. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Und doch ein ur-amerikanisches Werk, das eine lange Traditionslinie seit den Pilgrim Fathers aufruft – bekanntlich spielen Religion, Christentum, Protestantismus in den Vereinigten Staaten eine zentrale Rolle. „Lila“ führt zurück in jene mythische Krisen-Zeit, als die Moderne ins Stocken geriet: die Große Depression der dreißiger Jahre. Lila wächst als heimatloses Waisenkind auf. „Leergeheult“, hungrig, zusammengekauert gegen die Kälte und von Katzen blutig gekratzt, verkörpert sie zu Beginn die ganze menschliche Verlassenheit und Preisgegebenheit. Eine Wanderarbeiterin namens Doll nimmt sich ihrer an, Retterin oder Kindesentführerin – das Bild schillert. Mit ihr zieht Lila durch die Dust Bowl und die Maisfelder des Mittleren Westens und lernt früh, jede Hilfsarbeit anzunehmen, auch wenn sie oft nur mit Trockenbohnen oder ein paar Äpfeln bezahlt wird. Die Jahre mit der Ersatzmutter enden blutig, als Doll in Notwehr einen Mann ersticht, womöglich Lilas Vater. Das tödliche Messer wird Lila fortan als einzige Hinterlassenschaft mit sich tragen. Sie geht nach St. Louis und lebt in einem Hurenhaus. Rosie nennt man sie dort, weil dieser Name gerade frei ist, man verpasst ihr ein rosa Kleid und schiefgetretene Stöckelschuhe, aber mit ihrem sonnenverbrannten Gesicht und ihrer schlaksigen Figur ist sie als Männerfalle die falsche Besetzung. Bald schuftet sie in Küche und Kohlenkeller, ein modernes Aschenputtel, auf das am Ende kein Prinz, aber ein ungemein fürsorglicher Reverend wartet. Pastor John Ames ist ein frommer, mild-vornehmer Mann, schon über seine besten Jahre hinaus. Er kümmert sich um Lila, Jahre später, als sie in einer halbverfallenen Hütte am Rand des Ortes Gilead Unterschlupf gefunden hat. Die Dialoge, in denen sich Lila und der Reverend liebevoll umgarnen und beharken, nehmen einen großen Teil des Buches ein und lesen sich anrührend und amüsant. Zwei einsame, leicht verschrobene, tief vom Leben gezeichnete Charaktere öffnen sich füreinander, ein spätes Glück, mit dem keiner der beiden noch gerechnet hat. Lila lässt sich von ihm überreden zu Taufe und Hochzeit; sie bekommen sogar noch ein Kind. Der gute, alte Prediger und die heiligmäßige Hure mit Findelkindhintergrund – das könnte sentimental geraten, was Robinsons sehr eigener Erzählton jedoch verhindert, der dicht an der Heldin bleibt, ihr unruhiges Innenleben erforscht und in dem sich kindliche Naivität und augenzwinkernde Weisheit reizvoll mischen. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Kindheitseindrücke, die Jahre des Umherziehens, die teils verstörenden, teils auch skurrilen Erfahrungen in St. Louis, das von einer behutsamen Zärtlichkeit geprägte Zusammenleben des Paares – die Zeiten überlagern sich im Roman. Indem die Chronologie aufgebrochen wird, verstärkt sich der Eindruck des Suchens und Irrens, mehr als es bei einer ordentlich aufgereihten, auf die Ehe zulaufenden Erzählweise der Fall wäre. Als gäbe es in Lilas Leben so etwas wie Ankunft und Beruhigung. Wo komme ich her, wo soll ich hin? Offene Fragen, vorläufige Antworten. Das Leben ist ein Rätsel, das nur die Gnade Gottes lösen kann, und die bleibt selbst ein Rätsel. So in etwa die Heilsbotschaft, die Pastor Ames in unaufdringlichen Worten vermittelt. „Lila“ ist ein verschmitztes, poetisches Werk, voller Beschreibungskunst, tiefgründiger Symbolik und feinem Humor. Ein Buch für Leser, die eigensinnige, gern auch etwas anachronistische Bücher mit hohen atmosphärischen Qualitäten schätzen. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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