SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK George Prochnik: Das unmögliche Exil Stefan Zweig am Ende der Welt C.H. Beck Verlag 397 Seiten 29,95 Euro Rezension von Angela Gutzeit Freitag, 03. März 2017 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Existentielle Not war für deutschsprachige Schriftsteller im Exil zwischen 1933 und 1945 die Regel. Zu den seltenen Ausnahmen gehörte u.a. Stefan Zweig. Wohlhabend durch Herkunft, aber auch durch hohe Auflagen seiner Novellen und Biografien wurden die Bücher des Wiener Juden sogar noch gedruckt, als andere schon auf Scheiterhaufen brannten. Verehrung und ein auskömmliches Dasein waren ihm auch im USamerikanischen und brasilianischen Exil gewiss. Am 22. Februar 1942 aber beging Stefan Zweig Selbstmord, zusammen mit seiner zweiten, Jahrzehnte jüngeren Frau Friederike. Der New Yorker Journalist und Schriftsteller George Prochnik zeichnet in seinem Buch „Das unmögliche Exil. Stefan Zweig am Ende der Welt“ sehr genau nach, wie es dazu kommen konnte. Für ihn ist der österreichische Bestseller-Autor, der im Exil unzähligen notleidenden Kollegen finanziell ausgeholfen hatte, der „Inbegriff des verhinderten“ und „gescheiterten Exilanten“. Zweig biete eine Formel für eine geradezu „toxische Migration“. Die tödliche Mischung ergibt sich nach seiner Darstellung aus individuellen wie verallgemeinerbaren Zutaten. Da ist zum Beispiel Zweigs hoher Begriff von Bildung und intellektueller Exzellenz, was ihm die Anpassung an das zunächst amerikanische Exil fast unmöglich machte. Dazu gesellte sich ein recht krudes Selbstbild vom Künstler. Eindrücklich schildert der Autor, wie Zweig sich gewunden hat, als amerikanische Journalisten während einer Pressekonferenz von dem jüdischen Emigranten eine Verurteilung Hitler-Deutschlands Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT erwarteten. Was lag auch näher? Aber Zweig sperrte sich hartnäckig, überhaupt irgendein Statement zum politischen Geschehen abzugeben. Er wollte nicht verurteilen. Er hasste Kritik. Zweig wollte der Welt Gutes, Aufbauendes übermitteln. Seine Aufgabe sei das Schreiben, ließ er die verstimmten Presseleute wissen. Irmgard Keun zählte Zweig einmal zu jener Art Juden, die, dünnhäutig und verletzbar, in einer gläsernen Welt des Geistes lebten. Zweig spürte natürlich diese Distanz, was seine Neigung zur Depression noch verstärkte. Prochnik, der sich übrigens - wie Zweig auch – publizistisch mit Sigmund Freud beschäftigt hat, entwirft hier feinfühlig das Psychogramm eines wohlsituierten Wiener Schriftstellers, der im Exil nach und nach den Boden unter den Füßen verlor. Die Besonderheit dieser Publikation ist damit aber noch nicht hinreichend beschrieben. In die große Erzählung vom Schicksal Zweigs hat der New Yorker Autor mehrere kleine eingearbeitet, die wie verschiedene übereinandergelegte Folien dem Gesamtbild erst Profil verleihen. Auf einer Folie zeichnet sich eine Art Sittenbild des Wiener Intellektuellen-Milieus ab, deren Protagonisten einander zugetan waren in selbstzerfleischender Hassliebe. Eine weitere kommt hinzu, die die schnelle Anpassung Österreichs an den Faschismus thematisiert und zeigt, wie massiv das Land den Exodus seiner Juden betrieb, die doch wie der Weltbürger Zweig im tiefsten Herzen nur eins wollten: Österreicher, Wiener sein. Die intensive Beschäftigung mit diesem Drama, das, wie er schreibt, wie in einem „tableau vivant“ immer wieder neu und anders besetzt werden kann, diesem Drama, an dem eben auch Stefan Zweig zugrunde ging, hat übrigens seinen Beweggrund in Prochniks Familiengeschichte. Gleich zu Beginn erzählt er von seinen Großeltern, auch Wiener Juden, die 1938 mit dem späteren Vater des Autors ins amerikanische Exil flohen. Leider belässt es Prochnik in seinem ansonsten sehr lesenswerten Buch nicht bei diesen einführenden Bemerkungen zu seiner eigenen Familiengeschichte, sondern macht sie immer wieder und viel zu ausführlich zum Thema. Dazu kommt eine Unart, die sich zunehmend in Biografien breitmacht: Die übermäßige Einfühlung in Personen, dergestalt, dass erzählt wird, als sei der Autor dabei gewesen. Zum Glück aber bleibt Prochnik bei seinen Überlegungen, was sich wohl in den letzten Minuten vor dem Freitod des Ehepaares Zweig abspielt haben könnte, wohltuend diskret. Das beigefügte Foto der beiden eng beieinander liegenden Toten in ihrem Haus im brasilianischen Petrópolis ist erschütternd genug. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
© Copyright 2024 ExpyDoc