SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Tom Burgis: Der Fluch des Reichtums
Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas
Westend Verlag
351 Seiten
24 Euro
Rezension von Caspar Dohmen
Freitag, 17. Februar 2017 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
SWR2 MANUSKRIPT
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten
Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung
bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR
Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2?
Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen
Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen.
Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen
Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.
Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de
In Afrika gibt es diverse Länder in denen es einen scharfen Kontrast gibt zwischen ihrem
Rohstoffreichtum und der erbärmlichen Lage großer Teile ihrer Bevölkerung, die täglich
ums Überleben kämpfen muss. Mit den Ursachen und Verantwortlichen der Misere
beschäftigt sich der britischen Journalist Tom Burgis in seinem Buch „Der Fluch des
Reichtums. Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas“. Caspar
Dohmen stellt es ihnen vor.
Der europäische Blick auf Afrika ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominiert
von Bildern hungernder Menschen, exotischer Tiere und Landschaften, sozialer Unruhen
und Bürgerkriegen und einer weitgehenden wirtschaftlichen Stagnation. Zuletzt hat sich
dies geändert, gilt Afrika als Hoffnungsträger für wirtschaftliche Entwicklung. Tatsächlich
gibt es einige Länder in denen es vorwärts geht, aber außen vor bleiben gerade die
Länder, welche die besten Voraussetzungen dafür hätten, weil sie über große Vorhaben
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
SWR2 MANUSKRIPT
von Öl, Diamanten, Gold, Uran, Eisenerz oder sonstiger Rohstoffe verfügen. Es sind
Länder wie der Kongo, alleine so groß wie Westeuropa, Nigeria, Angola, Guinea oder
Simbabwe.
Tom Burgis hat den Kontinent jahrelang als Afrika-Korrespondent für die britische
Wirtschaftszeitung Financial Times erkundet und sich dabei aufgerieben. 2010 brach er
zusammen, wurde in einer Londoner Klinik wochenlang wegen einer posttraumatischen
Belastungsstörung behandelt, unter welcher häufig Soldaten nach Kriegseinsetzen leiden.
Dass er lebte war für ihn zu einer „nicht wieder gutzumachenden Schuld gegenüber den
Toten“ geworden. In dieser persönlichen Krise reifte die Idee für das Buchprojekt, für das
Burgis dann noch einige Jahre recherchiert hat. Heraus kam ein großartiges und
niederschmetterndes Buch. Großartig ist es, weil Burgis zum einen plastisch die
Menschen und ihre Lebensrealität beschreibt, welche der Erde die Rohstoffe abringen, die
die Weltwirtschaft antreiben. Zum anderen liefert der Wirtschaftsjournalist anhand einiger
Fälle, ein detailreiches Bild von den Mechanismen der Ausbeutung, deren Protagonisten
insbesondere multinationale Konzerne, Glücksritter, Politiker, Banker und Rechtsberater
sind. Und dabei taucht Burgis tief in die Materie ein, wie in dem Fall einiger chinesischer
Geschäftsleute, die ein kompliziertes Firmengebilde geschaffen haben, zunächst, um an
das angolanische Öl zu kommen. Als Leser verschlingt man diesen Wirtschaftskrimi, der
für jedermann verständlich geschrieben ist und gleichzeitig Fachleuten noch eine Menge
Details liefert. Dazu zählt auch die Aufarbeitung der Rolle von Shell bei der Ölförderung in
Nigeria. Besonders eindrücklich sind die Begegnungen von Burgis mit den Warlords, die in
dem Delta profitieren.
Niederschmetternd ist das Buch, weil es scheinbar kaum ein Entrinnen aus diesem
Rohstofffluch zu geben scheint, aufgrund ökonomischer und gesellschaftlicher Faktoren.
Wenn ein Land in großem Ausmaß Rohstoffe exportiert, fließen Devisen in das Land, was
für eine Aufwertung der eigenen Währung sorgt. Dadurch werden Importe billiger, was
sich negativ auf eigene Industrien auswirken kann. Burgis schildert diesen ökonomischen
Mechanismus anhand der Textilindustrie Nigerias, einst blühend und bekannt für ihre
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
SWR2 MANUSKRIPT
Muster, ist sie größtenteils verschwunden. Schmuggler verdienen sich ein Vermögen mit
dem Import chinesischer Textilien, unter Umgehung staatlicher Einfuhrbeschränkungen in
Nigeria. Fatal ist in diesem Zusammenhang auch die Ignoranz westlicher Konzerne
gegenüber berechtigten Wünsche afrikanischer Länder wie der Unterstützung beim Bau
von Infrastruktur. Es ist ja ein ökonomischer Irrsinn, wenn Ölförderländer über keine
eigenen Raffinerien verfügen und Benzin teuer importieren müssen. Genau dies haben die
Chinesen genutzt, um den Tür in einige Rohstoffmärkte Afrikas zu bekommen. Aber
Burgis zeichnet kein Schwarz-Weiß-Bild. Mittlerweile arbeiten westliche Konzerne auch
schon mit chinesischen Hand in Hand um Rohstoffe Afrikas auszubeuten. Und es gibt
chinesischen Geschäftemacher, welche korrupte Potentaten bestechen, um sich
Vorkommen zu sichern, genauso wie es westliche Konzerne schon vorher gemacht
haben. Und dann gibt es Konzerne, die sich den Zugriff auf Rohstoffvorkommen sichern,
aber sie nicht ausbeuten. So wie im Falle von Guinea, wo das größte unerschlossene
Eisenerzvorkommen der Welt schon mehrfach den Besitzer gewechselt hat, aber es wohl
mehr darum geht einen potenziellen Konkurrenten auszuschalten als das Vorhaben
auszubeuten.
Fatal ist der Rohstoffreichtum für die Gesellschaften, weil er die Konflikte zwischen den
Ethnien befördert und damit eine ständige Ursache von Gewalt ist, die wiederum eine
stabile Entwicklung der Länder verhindert. Es ist immer wieder der gleiche Mechanismus.
Die herrschende Klasse bereichert sich an den Rohstoffrenten und sieht sich gegenüber
der Gesamtbevölkerung nicht in der Verantwortung, vor allen Dingen aus deswegen, weil
die Steuereinnahmen kaum etwas zum Staatshaushalt beitragen. Dürftig sind die
öffentlichen Dienstleistungen in den Ländern, stattdessen bedient die herrschende Klasse
die eigenen Ethnie. „Der soziale Kontrakt wird durch den Rückgriff auf die Gewalt ersetzt“,
schreibt Burgis. Die Korruption wird hier zu einer politischen Überlebensstrategie.
Burgis knüpft die Verbindungen zwischen der Malaise der Mehrheit der Menschen in
diesen Rohstoffländern Afrikas und den Abnehmerländer der Ressourcen, also vor allem
Nordamerika, Europa und Asien. Die Rohstoffe kommen in Containerschiffen und
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
SWR2 MANUSKRIPT
Tankern, für die hohe Sicherheitssstandards gelten. Die Armutsflüchtlinge aus Afrika
setzen dagegen in Nussschalen über das Meer, was lebensgefährlich ist. Es könnte
keinen grausameren Kontrast geben. Der Autor schafft es solche Kontraste nicht
alarmistisch, sondern feinsinnig und facettenreich zu beleuchten. Er ist ein mutiger
Reporter und Analyst der Lage, eine Lösungsidee beschreibt er jedoch nicht.
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.