SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Hg: Martin Wälde: Poets translating Poets Versschmuggel mit Südasien Draupadi Verlag 2016 Band 1, 374 Seiten,24,80 Euro Band 2, 252 Seiten,19,80 Euro Band 1 +2, 39,80 Euro Rezension von Claudia Kramatschek Freitag, 30. Dezember 2016 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Seit in Indien Narendra Modi an der Macht ist, boomt zwar die Wirtschaft. Doch die Diversität des Landes ist bedroht. Umso erfreulicher mutet ein Projekt an, das auf Brückenschlag und Austausch setzt: Versschmuggel heißt es – und der geschah in Indien. Herausgekommen ist dabei „Poets translating Poets. Versschmuggel mit Südasien.“, eine zweibändige Anthologie. Eine Buchkritik von Claudia Kramatschek. Wer darüber nachdenkt, was es bedeutet, Literatur zu übersetzen, dem fällt früher oder später der deutsche Philosoph Walter Benjamin ein. Von ihm stammt sinngemäß der schöne Satz, dass – so Benjamin – „jede Übersetzung das Original nur ebenso flüchtig und in einem unendlich kleinen Punkt berühre wie die Tangente den Kreis – dann trete die Übersetzung ein in die Freiheit der Sprachbewegung und verfolge ihre eigenste Bahn“. Was aber passiert, wenn man aus einer Sprache übersetzt, die man nicht versteht? Dann Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT ist man mittendrin in einem Projekt, das sich „VERSschmuggel“ nennt und das bereits seit einigen Jahren von der Literaturwerkstatt Berlin betrieben wird: Dabei treffen deutsche Dichter und Dichterinnen auf Kollegen und Kolleginnen anderer Länder, um die je anderen Gedichte aus der fremden in die eigene Sprache zu übersetzen. Dass dabei einiges schief gehen könnte, liegt auf der Hand. Immerhin gilt das Übertragen von Lyrik in eine andere Sprache als Königsdisziplin des Übersetzens. Bis dato hat das Projekt jedoch erstaunliche Resultate gezeigt – und nun fügt sich der Buchreihe, die daraus entstanden ist, ein erfreulicher Neuzugang hinzu: „Poets translating Poets. Versschmuggel mit Südasien“ lautet sein Titel. Die zwei Bände sind das Ergebnis eines einjährigen Mega-Projektes, das von den Goethe-Instituten in Südasien initiiert und durchgeführt wurde in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin – die sich seit September übrigens Haus für Poesie nennt. 51 Dichterinnen und Dichter aus Indien, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka sowie aus Deutschland begegneten sich in kleinen Gruppen an mehreren Orten auf dem Subkontinent. 20 Sprachen galt es, unter einen Hut zu bringen. Für eine knappe Woche sitzt man paarweise zusammen – und ein erstaunlicher Prozess beginnt: Zuerst werden Interlinearübersetzungen gefertigt, um die Texte Wort für Wort von einer Sprache in die andere zu übertragen. Dann geht es los und die Dichter und Dichterinnen treten auf Grundlage dieser Fassung und mit Hilfe von Dolmetschern und Dolmetscherinnen in eine lange poetologische Auseinandersetzung mit den Texten und den Kollegen, an deren Ende eine Nachdichtung steht, die im besten Falle mehr ist als eine flüchtige Berührung der Tangente mit dem Kreis. Überprüfen kann man das im vorliegenden Fall schwer – außer man ist in der Lage, all die unterschiedlichen indischen Sprachen im Original zu entziffern: Die Bände sind mehrsprachig gedruckt, was für das Auge ein Fest ist. Doch man staunt, was da alles übertragen worden ist – und rätselt, wie das wohl vonstatten ging. Wie erklärt man Dichtern aus Pakistan oder Bangladesch, was das ist: der Zeitgeist, eine Kopfgeburt, eine Gaube? Was passiert, wenn ein deutscher Lyriker wie Nicolai Kobus – der großen Wert legt auf formal-ästhetische Schärfe – die Lyrik einer Sukirtharani aus Indien übertragen muss, die ihre Poesie vor allem als politisches Instrument versteht? Wo Englisch – auch Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT das eine der offiziellen indischen Sprachen – im Spiel ist, ist das Übertragen und Verstehen leicht. Verwundert reibt man sich eher die Augen, dass manches aus Indien so gar nicht indisch klingt: Sridala Swami etwa, eine junge Lyrikerin aus Hyderabad, weist in ihrem kühlen Spiel mit wissenschaftlichen Formeln erstaunliche Nähe auf zu ihrer deutschen Partnerin Sylvia Geist. An anderer Stelle ahnt man, dass oftmals sicher radikal neu erfunden werden musste, um eine Nachdichtung zu erhalten, die nicht nach der eigenen, sondern nach der Stimme des Gegenübers klingen würde! Jenseits der Frage nach der Übersetzbarkeit erhält man aber vor allem einen wunderbaren Überblick über die enorme Bandbreite der indischen Gegenwartslyrik. In Indien hat die Lyrik eine lange Tradition – zugleich erneuert sie sich permanent. Die Diversität, die sich in diesem Übersetzungsprojekt spiegelt – auch auf indischer Seite begegneten sich einige der Lyriker zum ersten Mal – hat nicht zuletzt Signalwirkung: In einer Zeit, in der Indien unter Premierminister Narendra Modi den Kurs einer repressiven Homogenisierung fährt, ist solche Vielfalt ein buntes Fanal. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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