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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Imraan Coovadia: Vermessenes Land
aus dem Englischen von Susann Urban
Wunderhorn Verlag
352 Seiten
26,80 Euro
Rezension von Gaby Mayr
Freitag, 10.02.2017 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Der südafrikanische Schriftsteller Imraan Coovadia hat indische Vorfahren. Seine
bisherigen Romane spielten ganz überwiegend in der indischen
Gemeinschaft seines Landes. In seinem neuen Werk "Vermessenes
Land" erweitert er seinen Blick.
Imraan Coovadias Roman schlägt einen Bogen über vierzig Jahre: Von 1970, der
Hochzeit der Rassentrennungspolitik, bis 2010, als die
Fußballweltmeisterschaft im nun demokratischen Südafrika stattfand.
Wichtigster Schauplatz ist Durban, die Hafenstadt am Indischen
Ozean, wo Coovadia aufwuchs und wo die größte indische
Community außerhalb des Subkontinents lebt. Auch Coovadia selbst
hat indische Vorfahren.
Nach den Gesetzen der Apartheid gab es in Durban vor allem drei "Rassen": Weiß,
Schwarz und Indisch. Nach dieser Einteilung hat Coovadia auch
seinen Roman "Vermessenes Land" gegliedert, die Kapitel sind nach
Hautfarbe geordnet: weiß, schwarz, indisch, weiß schwarz, indisch.
Jede Bevölkerungsgruppe hat drei Auftritte: Während der Apartheid,
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in der Zeit des Umbruchs zwischen 1985 und `95, und im "neuen"
Südafrika. Für die Weißen gibt es ein Zusatzkapitel.
Grenzüberschreitungen zwischen den Hautfarben sind in Coovadias Roman selten,
die Figuren leben in ihren je eigenen Welten - während der Apartheid
genauso wie heute. Aber wenn Grenzen überschritten werden, setzt
das oft wichtige Impulse für den Fortgang der Erzählung.
Da ist zum Beispiel Ann. 1970 lebt sie in einem weißen Vorort, ihr Mann Neil ist ein
linker Hochschullehrer und bietet Kurse an, die allen unabhängig von
der Hautfarbe offen stehen. Eine indischstämmige Studentin betraut
er mit besonderen Aufgaben.
Das folgende Kapitel spielt 1973. Südafrika hat gerade von britischen Inches und
Yards auf das metrische System umgestellt - das Land wird
gewissermaßen neu vermessen. Der Schwarze Mr Shabangu ist
Hausmeister in einem Männerwohnheim im Township, der junge
Victor geht ihm zur Hand. Das Verhältnis der Beiden trübt sich ein,
als ein weißer Regisseur mit seiner gemischtrassigen Theatertruppe
dort eine Aufführung vorbereitet. Victor begeistert sich fürs Theater,
Mr Shabangu reagiert ablehnend, und man ahnt, dass der penible
Hausmeister noch eine andere, düstere Seite hat.
Im Jahr 1979 spielt dann das erste "indische" Kapitel. Wir lernen eine Großfamilie
kennen, mit einigen wirtschaftlich sehr erfolgreichen Mitgliedern.
Yash hält da nicht mit: Er ist zwar Familienvater, aber seine ganze
Leidenschaft gilt der Rockmusik, seiner Plattensammlung und seinen
Auftritten mit weißen Musikern in einer Bar für Europäer.
Imraan Coovadia charakterisiert, sprachlich gekonnt, die durchaus zahlreichen
Figuren seines Romans treffend und einprägsam, und ebenso ihr
Umfeld und die jeweilige Epoche.
Zur Zeit des Umbruchs lesen wir von Ann als Mitglied der Anti-Apartheid-Bewegung
in London, wo ANC-Größen sich ein Stelldichein in der sowjetischen
Botschaft geben. Mr Shabangu erlebt im Township, wie ein
vermeintlicher Dieb von aufgebrachten Bewohnern angezündet wird.
Und in einem geradezu surrealen Kapitel liegt ein Vertrauter des
neuen Präsidenten in einem Regierungskrankenhaus und wird mit
Vitamincocktails - natürlich erfolglos - gegen die ImmunschwächeKrankheit Aids behandelt, die das regierungsamtliche Südafrika
damals noch leugnete.
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Das Kapitel zum Jahr 2010 spielt wieder in der indischen Community. Die
Fußballwelt blickt auf Südafrika. Shanti, fast 15 Jahre alt, Enkelin des
Loosers Yash, ist ein bisschen verliebt. Die Grenzen zwischen den
Ethnien scheinen durchlässiger zu werden. Aber das täuscht.
"Vermessenes Land" ist ein komplexes Gesellschaftspanaorama. Deshalb sind die
Schlampereien in der Übersetzung umso ärgerlicher. Wenn etwa aus
"Neils Ermordung" "Neils Mord" wird, fragt man sich, wo das Lektorat
da mit seinen Gedanken war. Solches Gehudel ist unhöflich
gegenüber den Lesenden und gegenüber dem Autor. Denn der hat
mit seinem Roman aus Durbans dreigeteilter Gesellschaft ein
vielschichtiges Kaleidoskop und zugleich eine spannende
Zusammenschau auf eine Epoche geschrieben, als nicht nur mit
neuen Einheiten gemessen, sondern auch die sozialen Maßstäbe
verschoben wurden.
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