SWR2 Zeitwort

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SWR2 Zeitwort
19.01.1963
Polaroid stellt die Sofortbild-Photographie vor
Von Stephan Krass
Sendung: 19.01.2017
Redaktion: Ursula Wegener
Produktion: SWR 2017
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Autor:
"You press the button, we do the rest". So warb im Jahre 1888 die Firma Kodak für
eine neue Generation von Fotoapparaten. Einige Jahre zuvor hatte der polnische
Fotograf Ottomar Anschütz den Schlitzverschluss erfunden und damit die eigentliche
Momentfotografie ermöglicht. In dem Beruf des Fotoreporters ist dieser Übergang
von einer Reproduktionstechnik, die ihre Motive in Tableaus erst sorgfältig
arrangieren musste, zum Schnappschuss, zur- Momentaufnahme, zum Gerinnen
eines Augenblicks am deutlichsten in Erscheinung getreten. "Der Apparat
erteilt...dem Augen blick sozusagen einen posthumen Chock", bemerkte Walter
Benjamin, der den Fotoapparat sowohl metaphorisch als Modell der historischen
Erkenntnis sah wie auch als technisches Instrument, das neue
Wahrnehmungsformen hervorbringt. Mit dem Schnappschuss, dem Einfrieren eines
Augenblicks kommt indes eine Dimension ins Spiel, die jenen "posthumen Chock"
erst sichtbar macht. In der Momentaufnahme scheint so etwas wie ein Augenblick
der Wahrheit auf. Dieser Moment trägt insofern ein Stück Authentisches in sich, das
in dieser Form nie wieder evoziert werden kann. Doch in diesem kurzen Aufleuchten
der Wahrheit in Sekundenbruchteilen liegt auch aller Schrecken vor der
Unbarmherzigkeit ihres Blicks. War es vor der Erfindung der Fotografie eher das
Erschrecken angesichts des eigenen Bildes, ist es danach mehr die verweigerte
Kommunikation jenes seelenlosen Apparat s, der - wie Nietzsche feststellte - "das
Bild des Menschen auf nimmt, ohne ihm dessen Blick zurückzugeben." Noch in den
8oer Jahren dieses Jahrhunderts konnte ein deutsch/ französisches Filmteam die in
den amazonischen Regenwäldern lebenden Eingeborenen nicht aufnehmen, weil die
Indianer Angst hatten, der Vorgang des Filmens, der Vergegenständlichung im Bild,
raube ihnen die Seele. Das Erschrecken vor dem eigenen Bild und die Angst vor
dem blicklosen Apparat ist den modernen Menschen fremd geworden, "deren
Lebensspuren" - wie der Medientheoretiker Norbert Bolz bemerkt - "vom infans (vom
Kleinkind) zur Totenmaske in Bildarchiven fixiert werden! Aber es ist nicht nur die
unendliche Zirkulation der Bilder, die dem Schrecken Einhalt gebietet, es ist auch
eine neue Unmittelbarkeit, die die Distanz zwischen Auslöser und fertigem Bild
erheblich verkürzt hat. Heute können wir in der Sofortbildfotografie dem Gerinnen
des Augenblicks förmlich beiwohnen. Konnte Benjamin den Vorgang des
Fotografierens noch metaphorisch als Prozess der historischen Erkenntnis
ausdeuten, so haben wir mit der Sofortbildfotografie den Mythos der Gleichzeitigkeit
geschaffen. Am 19.Januar 1963, präsentierte die Firma Polaroid in mehreren Städten
Europas und Nordamerikas den neuen Polarcolor-Film. Er lieferte innerhalb einer
Minute nach der Belichtung ein farbstabiles Bild ohne jede Nachbehandlung. In
knapp 6o Sekunden entsteht in der Kamera ein fertiges Farbfoto; die für die
Entwicklung notwendigen Chemikalien befinden sich bereits im Film. Noch einige
Sekunden von der absoluten Gleichzeitigkeit entfernt bringt die Polaroid Corporation
mit der Entwicklung der Sofortbildfotografie den prophetischen Kodak Slogan von
1888 auf die Höhe der Zeit: you press the button,we do the rest.
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