SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Genies in der Wiege Über Eltern großer Musiker (1-5) Von Werner Klüppelholz Sendung: Redaktion: Donnerstag, 26. Januar 2017 - 9.05 – 10.00 Uhr (Wiederholung von April 2013) Bettina Winkler Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2 2 SWR2 Musikstunde mit Werner Klüppelholz Genies in der Wiege Über Eltern großer Musiker (4) SWR 2, 23.01. -27.01.2017 , 9h05 – 10h00 Uhr IV Indikativ Die heutigen Väter sind allesamt Berufsmusiker, was eine friedliche Kinderstube freilich keineswegs garantiert. Das heißt, der erste Fall bietet eher eine Rückentwicklung vom Profi zum Laien. Wilhelm Busch war Bauernsohn. Allerdings stammt er aus einem Teil Westfalens, wo der Landesherr vor Zeiten versucht hatte, Zigeuner sesshaft zu machen. Wilhelm hält es nicht auf der Scholle, er wandert nach Hamburg, lernt dort Geige, spielt in Kneipen, landet in Mönchengladbach, heiratet eine zwanzig Jahre ältere Frau, die ihm versprochen hatte, das Konservatorium zu finanzieren und bald stirbt, er übernimmt ein Wirtshaus in Venlo, wo er die Gäste mit Sonaten von Mozart und Beethoven unterhält und rasch Konkurs macht, lässt sich in Siegen als Geigenbauer nieder und verbringt den Rest des Lebens auf der Suche nach dem Geheimnis der Stradivari. Fünf Kinder hat Wilhelm in zweiter Ehe mit einer leidenschaftlichen Theaterfreundin, sie werden alle Musiker oder Schauspieler. Bei den beiden ältesten Söhnen zeigt sich früh eine Spezialbegabung. Auf einem Spaziergang hören sie den Pfiff einer Lokomotive, welcher Ton, fragt der Vater, und die beiden Buben antworten wie aus einem Munde „Fis“. Nachdem sich der Vorgang einige Male wiederholt hat, bringt der besorgte Vater die Söhne zum Arzt, der ihm mitteilt, das sei keine Ohrenkrankheit, sondern nur das absolute Gehör. Was beide bei ihrer künftigen Weltkarriere gut gebrauchen konnten, Fritz Busch als Dirigent und Adolf Busch als Geiger. Im Kindesalter treten die Söhne in die Fußstapfen des Vaters, als Straßen- und Wirtshausmusikanten, dann besuchen sie das Konservatorium in Köln mit dem Segen des Vaters: „Ist die Sache von Gott, so wird sie bestehen; ist sie nicht von Gott, so wird sie untergehen.“ Um in der Nähe der noch halbwüchsigen Söhne zu sein, beschließen die Eltern sogar einen Umzug nach Siegburg, verkaufen den Musikalienhandel des Vaters und das Handarbeitslädchen der Mutter, aber der mit dem Verkauf beauftragte Advokat bleibt ebenso verschwunden wie das Geld. Also weiter mit Straßenmusik, diesmal in Köln. In Dresden ist Fritz Busch später Opern-Chef, wird als entschiedener AntiNazi von der SA brutal vertrieben, doch Göring möchte ihn dort wieder einsetzen, Busch verweigert die Rückkehr. „Na, lieber Freund, wir haben ja auch Mittel in der Hand, Sie zu zwingen. – Versuchen Sie das nur, Herr Minister, an einem erzwungenen ‚Tannhäuser’ unter meiner Leitung werden Sie keine Freude 3 haben. So etwas Stinklangweiliges haben Sie in Ihrem Leben noch nicht gehört.“ Sprach’s und wanderte aus nach Argentinien. Wagner: Tannhäuser, Ouvertüre Dresdner Staatskapelle, Ltg. F. Busch M 0114862 12’57“ Fritz Busch leitete die Staatskapelle Dresden mit Wagners Tannhäuser-Ouvertüre in einer Aufnahme aus dem Jahr 1932. Das Chaos beginnt bereits beim Datum der Geburt. War es der 15. oder 16., 1770 oder 72 - und wer war der Vater? Eine beherrschende Figur ist jedenfalls der Großvater gleichen Namens und ein Idol für seinen Enkel Ludwig van. Der ältere Ludwig stammt aus dem Flämischen, geht ins Rheinland und wird Hofkapellmeister in Bonn. Allzu stressig scheint das Amt nicht gewesen zu sein, denn der Großvater betreibt gleichzeitig noch eine florierende Weinhandlung und betätigt sich als Geldverleiher. Seine Frau bedient sich beim Wein mehr als ihr gut tut, sie wird Alkoholikerin und in einem Kloster untergebracht. Ein einziges Kind namens Johann hat überlebt, er wird Hoftenorist und Musiklehrer, womit er zwar weniger Sozialprestige besitzt als der Vater, aber noch mehr Freizeit. Die nutzt er vorzugsweise für Kneipenbesuche und wenn er spät abends mit Kumpanen betrunken nach Hause kommt, weckt er seinen Sohn Ludwig, der die ganze Nacht für sie spielen muss. Doch auch in nüchternem Zustand prügelt der Vater ihn zum Klavier und schließt ihn bei Widerrede in den Keller ein. Dafür darf Ludwig mit seinen jüngeren Geschwistern den nachts verschollenen Vater suchen, einmal verhandelt er verzweifelt mit der Polizei, um dessen Festnahme zu verhindern. Der Vater wäre auch bei anderer Gelegenheit fast im Knast gelandet. Ein Graf stirbt und Johann Beethoven behauptet gegenüber den Erben, ihm und seiner Mätresse wertvolle Geschenke gemacht zu haben, damit der ihm bei der Beförderung zum Hofkapellmeister behilflich sei, was Johann durch eine Liste mit gefälschten Unterschriften beweisen will. Dass die Mätresse eine Äbtissin war, galt offenbar nicht als Erpressungsgrund. Beethovens Mutter ist eine stille Dulderin. Gegenüber der Tochter einer Nachbarin bemerkt sie: „Wenn sie meinen guten Rat annehmen wollen, bleiben sie ledig, so haben sie das ruhigste, schönste, vergnügteste Leben. Denn was ist Heiraten, ein wenig Freud, aber nachher eine Kette von Leiden.“ Sohn Ludwig soll dem Gespräch gelauscht haben. Schulfreunde erinnern ihn später als einsam und vernachlässigt, Tagträumer und Schulversager. Was macht ein Kind mit einem solchen Vater, der Trinker ist, Kleinkrimineller, unbedeutender Musiker und seinen Sohn grausam behandelt? Es erträumt sich einen anderen. Wie es dazu kam, ist unklar, doch mehrfach wird in musikalischen Zeitschriften und Lexika behauptet, Beethoven sei ein Sohn des Preußenkönigs Friedrich. Freunde und der Neffe bedrängen ihn, 4 dieser falschen Behauptung entgegenzutreten: „Solche Dinge müssen doch berichtigt werden, denn Sie haben nicht nötig, dass Sie Glanz vom König brauchen – es ist umgekehrt der Fall.“ Beethoven hat niemals etwas dagegen unternommen. Beethoven: An einen Säugling WoO 108 A, Stolte, W. Olbertz M 0034350 1’54“ Ludwig van Beethoven “An einen Säugling”. Die Interpreten waren Adele Stolte und Walter Olbertz. Hier zeitlebens Wohnungen im Chaos und eine ungepflegte Erscheinung, dort ein wohlgeordnetes Ambiente und nobelste Kleidung: Kaum größer könnte der Gegensatz sein als zwischen Beethoven und Ferruccio Busoni. Der toskanische Vater ist reisender Klarinettist, bei einem Auftritt in Triest trifft er die deutschstämmige Pianistin Anna Weiß, Liebe auf den ersten Blick. Was der Große Komet für die Geburt Liszts, wird Liszt für die Geburt Busonis, ein Omen. Noch eine Woche vorher soll die Mutter Liszt vorgespielt haben. Sie wird selbstverständlich die Lehrerin des späteren Klaviervirtuosen Ferruccio, während der Vater das Üben überwacht. „Er war imstande, vier Stunden des Tages neben mir zu sitzen und jede Note und jeden Finger zu kontrollieren. Die einzigen Pausen wurden durch die Ausbrüche seines jähzornigen Temperaments hervorgerufen, welche einige Ohrfeigen, reichlich Tränen, Drohungen und Vorwürfe im Gefolge hatten. All dies endete schließlich mit Versöhnung, väterlicher Rührung und der Versicherung, nur mein Bestes zu wollen. Um tags darauf von neuem zu beginnen.“ Mit sieben Jahren gibt das Wunderkind sein erstes eigenes Konzert und wird bald fester Bestandteil in den Konzerten seiner Eltern. „Es fehlte nur noch“, bemerkt Ferruccio, „dass jemand von der Familie an der Kasse saß“. Die Einnahmen werden später innerfamiliär nach einem präzisen Schlüssel geteilt. Nach Abzug aller Unkosten bei den internationalen Tourneen des Pianisten Busoni behält er ein Viertel, ein Fünftel geht an seine Eltern, die gegen Ende des Lebens dringend darauf angewiesen sind. Nach dem Tod beider im Jahr 1909 verewigt sie der Komponist Busoni in zwei Werken. In der komischen Oper „Arlecchino“ spricht der Vater von Arlecchino: „Eines kann ich bei Gott vor allen Menschen bekunden: niemals hing ich von jemandem ab! Das wenige verdanke ich mir selbst. Übrigens, hat Arlecchino Geld geschickt?“ Und unter den seltenen Werken, die Komponisten für ihre Eltern geschrieben haben, ist das schönste vermutlich Busonis Orchesterstück „Berceuse élégiaque“, im Untertitel „Des Mannes Wiegenlied am Sarge seiner Mutter“. Hier mit dem SWR Sinfonieorchester BadenBaden und Freiburg unter Michael Gielen. 5 Busoni: Berceuse élégiaque SWR SO Baden-Baden und Freiburg, Ltg. M. Gielen M0005183 7’16“ Die Eltern von Giacomo Puccini hätten nennenswerte Zuwendungen ihres Sohnes kaum erwarten dürfen. Er ist bald der reichste Komponist überhaupt, vielfacher Multi-Millionär, und zugleich der größte Geizkragen. Vielleicht war der Vater daran nicht ganz unschuldig. Um den kleinen Giacomo ans Orgelspiel heranzuführen, legt er Münzen auf die Tasten, die der Sohn nach korrektem Niederdrücken behalten darf. Puccini entstammt einer in Lucca alteingesessenen Familie von Kirchenmusikern, doch unter den Vorfahren findet sich auch ein Opernkomponist mit gleichem Vornamen. Der Vater, Domorganist seiner Heimatstadt, stirbt, als Giacomo sechs Jahre alt ist. Dass der Sohn ihm irgendwann in diesem Amt nachfolgt, ist für die Mutter und für den Rest der Familie selbstverständlich. Aber Giacomo sieht eines Tages eine Aufführung der „Aida“ im benachbarten Pisa und beschließt, Opernkomponist zu werden. Puccini geht nach Mailand, um Jugendwerke an den Mann zu bringen, ohne Erfolg, er lebt in bitterer Armut, schreckt auch vor dem Diebstahl von Orgelpfeifen nicht zurück, um sie als Altmetall zu verkaufen, verzichtet auf eine Organistenstelle in Lucca und lebt mit 25 Jahren immer noch von der kargen Rente der Mutter. Sie ist natürlich in ständiger Sorge um ihren Sohn, macht ihm jedoch keinerlei Vorhaltungen, sondern unterstützt ihn nach Kräften. Mag sein, dass die Mutter ebenfalls den sicheren Instinkt hatte, Giacomos Weg sei der richtige. Nach ihrem Tod schreibt der Sohn: „Ich denke immer an sie und gestern Nacht habe ich von ihr geträumt. Nun bin ich heute noch trauriger als sonst. Welche Erfolge mir die Kunst auch bringen mag, ich werde nie ganz zufrieden sein, da mir meine liebe Mama fehlt.“ Immerhin konnte die Mutter noch die Uraufführung der Messe ihres Sohnes erleben. Deren Kyrie nun zu hören ist mit dem London Symphony Chorus and Orchestra unter Leitung von Antonio Pappano. Puccini: Messa di Gloria, Kyrie London Symphony Chorus and Orchestra, Ltg. A. Pappano M 0010689 5’20” Kein anderer großer Komponist ist so stark von seinem Vater geprägt worden wie Charles Ives. George Ives ist das jüngste Kind eines Bankiers und einer reichen Farmertochter und das schwarze Schaf der Familie. Die vier Geschwister hatten alle Musikunterricht erhalten und ihn als öde empfunden. Solche Zeit- und Geldverschwendung wollten die Eltern sich und George nicht zumuten, er bekam keinen Unterricht. An einem 4. Juli möchte das Kind nicht mitgehen zum Picknick, sondern lieber Kirschen pflücken, um sich vom Lohn eine Flöte zu 6 kaufen. George zeigt nachhaltiges Interesse an Musik, das Gewissen des Vaters schlägt und er bringt ihn zum besten Lehrer nach New York. Rasch lernt George Ives Trompete spielen, daneben Geige, Klavier und Orgel. Mit 17 Jahren ist er der Kapellmeister des 1. Regiments der Schweren Artillerie des Staates Connecticut und zu den Höhepunkten seines kurzen Lebens zählt ein Auftritt vor Präsident Lincoln während des Bürgerkriegs, der sich von Georges Fähigkeiten höchst beeindruckt zeigt. Er war nicht nur ein guter, sondern auch ein neugieriger Musiker. Wie klingt es, will George wissen, wenn ein Lied in einer anderen Tonart begleitet wird, wenn Wassergläser in Vierteltönen gestimmt sind oder wenn mehrere Kapellen mit Märschen in unterschiedlichen Tonarten und Tempi sich aufeinander zu bewegen. So möchte er die Ohren unabhängiger machen und damit den Verstand. Sohn Charles ist bei all dem dabei und wird unheilbar infiziert von der anti-akademischen Haltung seines Vaters. Zu Beginn seines Musikstudiums schreibt Charles an George: „Je länger ich Musik mache und darüber nachdenke, desto mehr habe ich die Gewissheit, dass viele Lehrer (u. a. deutsche) versuchen, eine große Kunst in all diese Regeln, Regeln, Regeln einzupferchen und damit die Ohren und Gehirne der Studenten etwa so einzuwickeln, wie es eine Dame mit ihrem Haar tut. Es steckt nichts als Gewohnheit und Routine dahinter. Die Professoren betrachten diese Regeln als Selbstverständlichkeit, weil sie sie von anderen Professoren eingetrichtert bekamen und diese wieder von anderen Professoren.“ Und als Charles von seinem Professor Parker heimkommt und von dessen Tadel über seine unaufgelösten Dissonanzen berichtet, erwidert der Vater: „Mach doch Parker klar, dass nicht jede Dissonanz aufgelöst werden muss. Vielleicht hat sie gerade keine Lust dazu. Man stutzt ja auch nicht jedem Pferd den Schwanz, nur weil dies gerade in Mode ist.“ Nach dem Tod von George hört die Kritik der Lehrer an Ives’ unkonventioneller Schreibweise selbstredend nicht auf und mehr als einmal sagt er sich „Vater würde es verstanden haben.“ George war für Charles Ives mehr als ein Vater, er war sein bester Freund. „An Elegy to our Forefathers“, Elegie für unsere Vorväter, von Charles Ives, mit dem Kölner Rundfunk Sinfonie Orchester unter Leitung von Sylvain Cambreling. Ives: An Elegy to our Forefathers Kölner RSO, Ltg. S. Cambreling WDR 5084383 5’25“ Ebenfalls sehr harmonisch war das Verhältnis von Johannes Brahms zu seinen Eltern, wenn nur deren Verhältnis etwas harmonischer gewesen wäre. Der Vater Johann Jacob spielt mehrere Instrumente und ist jahrzehntelang Flügelhornist bei der Hamburger Bürgerwehr. Im Alter wird ihm das gleichzeitige Blasen und Marschieren sauer, da ist er froh, im Orchester der Philharmonischen Gesellschaft unterzukommen; große Unterschiede zwischen Philharmonikern und 7 Feuerwehrkapelle wurden damals noch nicht gemacht. Im Orchester spielt Vater Brahms Kontrabass, allerdings auch nicht ganz heutigen Vorstellungen entsprechend, vielmehr nach der Devise „En reinen Ton up den Kunterbass is en puren Taufall.“ Mit seiner Arbeitshaltung dürften moderne Dirigenten - bei aller gewerkschaftlichen Rücksichtnahme - ebenfalls gewisse Schwierigkeiten haben: „Herr Kapellmeister, dat is min Kunterbass, da kann ick so laut up spillen as ick will.“ Jedenfalls wird klar, woher der grimmige Humor des Sohnes stammt, seine Freigiebigkeit ebenso. Brahms’ Mutter mit Namen Christiane ist 17 Jahre älter als der Vater; sie wird als herzensgut, lebensklug und fromm geschildert und als äußerst sparsam. Hier liegt die Quelle des ständigen Ehestreits, denn Johann Jacob gibt das Geld mit vollen Händen aus, weshalb er in MatrosenKaschemmen noch ein Zubrot verdienen muss. Der Sohn liebt beide Eltern inniglich und erfährt mit großem Kummer von ihrer Trennung, da ist die Mutter 75. Bald darauf liegt sie im Sterben, aus Wien kommend trifft Brahms zu spät ein und bricht am Totenbett zusammen. Dann holt er den Vater herbei und legt dessen Hände auf die der toten Mutter. Nach der Beerdigung spricht Brahms: „Ich habe keine Mutter mehr, jetzt muss ich heiraten“. Was der Sohn bekanntlich unterlässt, tut der Vater, er heiratet eine wesentlich jüngere Witwe, zu der Brahms ebenfalls eine herzliche Beziehung aufbaut. „Empfiehl mich“, schreibt er dem Vater, „der künftigen Mutter und sage ihr, sie könne keinen dankbareren Sohn haben, wenn sie meinen Vater glücklich macht.“ Das versucht Brahms selbst, unternimmt mit ihm Reisen durch Österreich und an den Rhein und schickt ihm regelmäßig Geld zu mit der Aufforderung, es auch ja auszugeben. Hingebungsvoll pflegt Brahms den Vater vor seinem Tod, der derselben Krankheit erliegt wie später sein Sohn. Dessen Werke sind niemals Gesprächsthema zwischen den beiden Musikern, nur einmal lernt sie der Vater kennen, als er bei der Hamburger Erstaufführung des „Deutschen Requiems“ am Kontrabass mitwirkt. Komponiert hatte es Brahms gleichermaßen auf den Tod seiner Mutter wie das Horntrio. Als späte Wiedergutmachung, ihn als Musikdirektor abgewiesen zu haben, verleiht die Stadt Hamburg ihm die Ehrenbürgerwürde. Brahms schreibt an Clara Schumann: „Mein erster Gedanke in solchen Fällen ist mein Vater und der Wunsch, er möge es erlebt haben; zum Glück ist er auch ohne das nicht unzufrieden mit mir davongegangen.“ Brahms: Heimweh II, op. 63, Nr. 8 Dietrich Fischer-Dieskau, Wolfgang Sawallisch Brillant 92891/2 LC 09421 3’58“
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