SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde Wenn Schule Schule macht (4) Mit Nele Freudenberger Sendung: 02. Februar 2017 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 1 Wenn Schule Schule macht – Die Berliner Liederschule Mit Nele Freudenberger, schönen guten Morgen! Heute beschäftigen wir uns in unserer Wochenreihe „wenn Schule Schule macht“ mit einer Schule, deren Grundidee die musikalische Schlichtheit ist… die Berliner Liederschule ist unser Thema! Der Begriff der Berliner Liederschule stammt aus einer Zeit, da war es schon längst aus mit ihr. 1909 hat ihn der Musikwissenschaftler Bernhard Engelke erfunden. Angefangen hat alles etwa 1750 und im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wieder aufgehört. Es gibt gleich drei Berliner Liederschulen. Beginnen wir folgerichtig mit der ersten! Zwei Liedersammlungen des Schriftstellers Karl Wilhelm Ramler und des Komponisten Christian Gottfried Krause sind von immanenter Bedeutung, denn das eine Werk eröffnet und das zweite beschließt die erste Berliner Liederschule. Die „Oden mit Melodien“ kennzeichnen den Anfang, die vierbändige Sammlung „die Lieder der Teutschen“ markiert das Ende. Die Sammlungen umfassen insgesamt etwa 1000 Sololieder! Eine beeindruckende Zahl! Bemerkenswert ist, dass diese offenbar musikhistorischen Meilensteine so gut wie nie aufgenommen wurden. Wir haben jetzt für Sie Emire für Singstimme und bc von Johann Gottfried Krause. Musik 1 Christian Gottfried Krause Emire für Singstimme und bc Kai Wessel, Tenor / Hamburger Ratsmusik M0015297 006, 1:10 Emire für Singstimme und bc von Christian Gottfried Krause, gesungen hat Kai Wessel, der von der Hamburger Ratsmusik begleitet wurde. Den absoluten – noch rein theoretischen Anfang der ersten Berliner Liederschule, macht eine Schrift des Juristen, Komponisten und Musikschriftstellers Christian Gottfried Krause. Mit seiner Schrift „von der musikalischen Poesie“ von 1753 spricht er ein Problem an, das die damaligen Komponisten und Dichter offenbar umtreibt. Im Vorwort heißt es: 2 Es ist eine nicht seltene Klage der Komponisten, dass es ihnen sauer werde, manche zur Musik bestimmte Poesien in Noten zu bringen. Hingegen mögen auch manche Singgedichte sich wohl leicht in die Musik setzen und gut singen lassen, indem sie aus fließenden und anmuthigen Worten bestehen. Allein man findet darin den Reichtum, die Erhabenheit und Stärke der Gedanken, und den bildervollen und neuen Ausdruck nicht, welcher andere Gedichte so schätzbar macht. Man ist daher auf die Gedanken gerathen, ein Gedicht könne die gehörigen Vollkommenheiten nicht haben, wenn es zur Musik bequem sein solle; der Poet, der solche Werke mache, werde ein Sklave der Tonkunst; er opfere die Vernunft der Bequemlichkeit des Componisten auf, und die Poesie verliehre da, wo die Musik gewinnet. So Christian Gottfried Krause Später heißt es in einem Appell an die Dichter – und das ist eigentlich der Grundsatz der Berliner Liederschule – um ein gelungenes Wort-Ton-Verhältnis hinzubekommen habe man „sich beständig zu erinnern, dass man Verse mache, welche sollen gesungen werden“. Krause hat eine Reihe von Fürsprechern: zum Beispiel Johann Philipp Kirnberger – damals Kompositionslehrer von Anna Amalie von Preußen und Geiger in der preußischen Hofkapelle. Die meisten Komponisten, die sich in Berlin ans Liederkomponieren machen gehören zu der Hofkapelle Friedrich des Großen. Wie zum Beispiel Georg Anton Benda – der eine für die Liedkomposition unerlässliche Fähigkeit hatte: er wusste das Klavier zu nutzen! Hier seine Sonate Nr. 9 in a-Moll Musik2 Georg Anton Benda (1722-1795) Klaviersonate Nr. 9 a-Moll Maria Bergmann (Klavier) M0076974 W00, 6‘35 Maria Bergmann mit der Sonate für Klavier Nr. 9 in a-Moll von Georg Anton Benda – Geiger an der Hofkapelle Friedrich des Großen – ebenso wie seine Brüder und später seine Nichte komponiert er Lieder in dem Stile, wie Krause es vorschlägt. 3 Schlichte Strophenlieder sollen es sein – in Anlehnung an französische Brunette und Chansons, ein Grundaffekt soll vorherrschen, ein wirkungsästhetisches Attribut soll voran gestellt werden wie „sangbar“ oder „einfach“ „natürlich“, „gefällig“ oder etwas in der Art. Inhaltlich stehen vor allem Themen der Anakreontik auf dem Plan: Lebensgenuss, Wein, Landleben, Liebe, das Personal besteht in der Regel aus sich den Genüssen hingebenden Schäfergestalten. Es gibt unterschiedliche Ausführungen der Lieder: die sogenannten Singoden halten sich nicht lange – ab 1760 haben sie eigentlich keine Bedeutung mehr, denn es handelt sich um eine mit Generalbass versehene Singstimme. Das ist musikalisch nicht besonders spannend. Dann gibt es noch die Spiel- und die Clavieroden – hier werden die Mittelstimmen auskomponiert, der Diskant entspricht der Singstimme, also der Melodie. Vor allem die Clavieroden sind interessant, denn der Klavierpart wird zunehmend differenzierter, lässt eine tiefere Textausdeutung und Ausdrucksintensivierung zu. Ein großes Problem bleibt allerdings: nämlich eine passende Melodie zu finden, die dem Sinngehalt aller Strophen gerecht wird! Das Kompositionskorsett nach Krause ist zu eng. Carl Philipp Emanuel Bach sprengt die Grenzen zwar nicht, überschreitet sie aber unauffällig und umgeht auch das Problem mit dem Sinngehalt. Zwar komponiert er keine Anakreontischen Textvorlagen, sondern die geistlichen Oden und Lieder von Christian Fürchtegott Gellert, das Problem der Vertonung bleibt aber dasselbe. Bach beschreibt es in der Vorrede zu seinen Gellert-Lidern folgendermaßen: „daß man von einer Melodie, wonach mehr als eine Strophe gesungen wird, nicht zu viel fordern müsse, indem die Verschiedenheit der Unterscheidungszeichen der ein und mehrsilbigen Wörter, auch oft der Materie usw. in dem musikalischen Ausdrucke einen großen Unterschied mache“. Aber er wäre kein Bach-Sohn, wenn er keine Lösung parat hätte: Carl Philipp Emanuel nimmt sich ein paar Freiheiten, um den Ausdruck zu intensivieren: er komponiert einen reichen Klaviersatz – mit Vor-, Zwischen- und Nachspielen. Vor allem die Nachspiele sind wichtig: denn sie lockern nicht nur die Strophenfolge auf, sondern werden außerdem den unterschiedlichen Inhalten der Strophen gerecht! 4 Ein wichtiger Schritt – auch in Richtung der zweiten Berliner Liederschule. Aber zunächst wollen wir doch wissen, wie Bachs musikalische Umsetzung klingt! Hier das Lied – oder die Ode: Prüfung am Abend aus den Gellert Oden. Musik3 Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) Prüfung am Abend. Lied für Singstimme und Klavier, Wq 194 aus den Gellert Oden Dorothee Mields (Sopran) / Ludger Rémy (Hammerklavier) M0370886 015, 6’14 Prüfung am Abend aus den Gellert Oden von Carl Philipp Emanuel Bach – Dorothee Mields wurde von Ludger Remy am Hammerklavier begleitet. Mit der Sammlung der Gellert Oden gibt Carl Philipp Emanuel Bach der ersten Berliner Liederschule eine neue Richtung – und eröffnet mehr oder weniger die zweite. Eigentlich wird das Ende der ersten Liederschule mit Krauses „Lieder der Teutschen“ festgelegt – aber die haben keinen größeren Fortschritt gezeigt – im Gegensatz zu Bachs Vertonungen. Überhaupt hält die Empfindsamkeit in Deutschland Einzug – sowohl in der Literatur, als auch in der Musik. Also die Betonung des Ausdrucks und der Emotionen werden in den Vordergrund gestellt. Die zweiter Berliner Liederschule zeichnet sich also vor allem dadurch aus, dass sich ihre dichterische Grundlage massiv ändert: hatte vorher der Rationalismus der Aufklärung vorgeherrscht – zumal in Berlin – so geht es jetzt um das persönliche Naturerlebnis des Sturm und Drang! Aber noch befinden wir uns in einer Zwischenphase, die Dichtung ist nicht mehr NUR Aufklärung aber auch NOCH nicht Sturm und Drang! Vorherrschende Dichter sind diejenigen, die zum Göttinger Hainbund gehören – unter Ihnen keine heute geläufigen Namen mehr – bis auf Klopstock. Zumindest in den Anfängen der zweiten Berliner Liederschule ist das so. Eine Natürlichkeit, die dem echten Empfinden gemäß ist, wird gefordert. Es fallen – wenn auch deutlich später – die Worte natürliches Erlebnislied und Seelenausdruckslied. Worte, die nicht in den musikwissenschaftlichen Terminus mit aufgenommen werden, aber eigentlich gut beschreiben, worum es geht: die 5 Tonsprache wird subjektiver, gefühlsbetonter und allmählich in jeder Hinsicht empfindsam. Musik 4 Johann Friedrich Reichardt (1752-1814) Textdichter: Friedrich von Schiller Des Mädchens Klage Regina Jakobi (MezS) / Ulrich Eisenlohr (Hammerflügel) M0442905 009, 3’27 des Mädchens Klage aus den acht Liedern für Singstimme und Klavier von Johann Friedrich Reichardt – Regina Jakobi wurde von Ulrich Eisenlohr am Hammerflügel begleitet, der Text stammt von Friedrich Schiller – wo Schiller ist, ist Goethe nicht weit… und tatsächlich spielt er eine nicht unerhebliche Rolle für die zweite Berliner Liederschule. Aber zuerst ein Blick auf Johann Friedrich Reichardt: kein geringerer als Immanuel Kant empfiehlt ihm ein Studium der Jurisprudenz und der Philosophie – so viel also zu der geistigen Schule, aus der er stammt. Als musikalisches Wunderkind hat er seine frühen Jahre verbracht – die musikalische Ausbildung fußt also auf ausgesprochen solidem Fundament. Später wird er Hofkapellmeister bei Friedrich dem Großen. Vermutlich begegnet er auch da seiner ersten Frau: Juliane Benda – sie ist die Tochter von Franz Benda, dem Komponisten und Kapellmeister Friedrich des Großen. Juliane ist Sängerin und komponiert ebenfalls Lieder – ganz im Stile der zweiten Berliner Liederschule. Aber zurück zu Goethe: Reichardt unterhält engeren Kontakt zu Schiller und Goethe – naheliegend also, dass er vor allem ihre Gedichte vertont. Einen Schiller hatten wir schon: jetzt ist Goethe an der Reihe mit einem Gedicht, das vor allem in der Fassung von Franz Schubert berühmt geworden ist: hier aber die Version des Erlkönigs von Reichardt. 6 Musik5 Johann Friedrich Reichardt (1752-1814) 00.01.42 CD Textdichter: Johann Wolfgang von Goethe Erlkönig Ballade für Singstimme und Klavier Markus Flaig (Bass) Martin Müller (Klavier) 1996686 002 Der Erlkönig von Johann Friedrich Reichardt, Markus Flaig wurde von Martin Müller begleitet. Goethe ist eine der Schlüsselfiguren der zweiten Berliner Liederschule, mehr noch allerdings Johann Gottfried Herder. Die Beschäftigung der beiden mit dem Volkslied ist für die damalige Zeit bahnbrechend. Die Einfachheit des Volksliedes wird zum ästhetischen Prinzip, das unbegleitete Volkslied Orientierungsgröße für die Liedkomposition. Einer der auf diese Weise quasi ein neues Volkslied geschaffen hat, ist der Komponist Johann Abraham Peter Schulz. Ein Komponist, dessen Namen man heute nicht unbedingt mehr kennt, aber einige seiner Lieder! Denn von ihm stammt die Vertonung von Matthias Claudius Gedicht „der Mond ist aufgegangen“. Schulz ist mit etlichen bedeutenden Dichtern und Komponisten seiner Zeit befreundet, darunter eben auch die wichtigen Figuren der Berliner Liederschule. Er selbst scheint aber kein glühender Vertreter dieser Schule zu sein: seine theoretischen Schriften sind allgemeinerer und weniger ästhetischer Natur. Dennoch trifft er mit seiner Vertonung von Claudius Gedicht genau den geforderten schlichten Ton, der weder den Text über die Musik noch die Musik über den Text erhebt. Musik 6 Johann Abraham Peter Schulz (1747-1800) Der Mond ist aufgegangen. Lied für Singstimme und Gitarre, Peter Schreier (Tenor) Konrad Ragossnig (Gitarre) M0253840 024, 3’10 7 Der Mond ist aufgegangen von Johann Abraham Peter Schulz nach dem Gedicht von Matthias Claudius. Peter Schreier wurde von Konrad Ragossnig begleitet. Schulz trifft hier sprichwörtlich den richtigen Ton: die Melodie ist einfach und schlicht, leicht nachsingbar, unterstützt die Bedeutung des Textes, ist strophisch komponiert und die Begleitung ist so zurückhaltend, dass das Lied auch ohne funktioniert. Der ganze Gestus ist so volkstümlich, dass „der Mond ist aufgegangen“ inzwischen selbst eher als Volks- denn als Kunstlied wahrgenommen wird. Eine Frage haben wir im Bezug auf die Berliner Liederschule bisher noch nicht geklärt: nämlich das wo und für wen? Im Vorwort der bereits genannten „Oden mit Melodien“ von Krause heißt es, die Lieder seien dazu da „Personen aus der schönen Welt zu gefallen“. Das heißt im Klartext: das Berliner Lied ist für die Salons und Zirkel der Aristokratie und des Bürgertums gedacht – sowohl für musikalische Kenner als auch Musikliebhaber. Auch, wenn ein einfacher Ton angestrebt wird, grenzt sich das Kunstlied doch klar von den Liedformen der einfachen Leute ab. Also vom Gassen-, Trink- und Küchenlied. Aber ebenso distanziert es sich von der italienischen Oper mit ihren Dacapo Arien. Das Berliner Lied – egal ob aus der ersten, zweiten oder gar dritten Liederschule soll erbauen und auch von Laien gesungen werden können. Wer weiß – vielleicht entsteht hier das Bild der Klavierspielenden und singenden höheren Tochter… Eine wichtige Figur für das Berliner Musik- und vor allem Gesangsleben ist Friedrich Zelter. Er ist eng mit Goethe befreundet, vertont zahlreiche seiner Gedichte. 1800 übernimmt er die Leitung der Berliner Singakademie – die erste gemischte Chorvereinigung für Laiensänger der Welt. Im Rahmen der Singakademie gründet er auch die erste Liedertafel – den ersten Männerchor weltweit. Zelter engagiert sich wirklich sehr für das Musikleben seiner Stadt, auch als Lehrer und er zieht so quasi die dritte Berliner Liederschule heran. Er selbst komponiert strikt nach den ästhetischen Vorgaben der zweiten Berliner Liederschule, wie bereits erwähnt vor allem Texte seines Freundes Johann Wolfgang von Goethe. 8 Musik 7 Karl Friedrich Zelter (1758-1832) Bearbeiter: Friedrich Silcher Textdichter: Johann Wolfgang von Goethe Der König von Thule für 4 Männerstimmen a cappella SWR Vokalensemble Stuttgart, Männerstimmen Leitung: Rupert Huber M0084168 017, 3‘37 Karl Friedrich Zelters „der König von Thule“ hier in der Fassung für 4 Männerstimmen a capella – nach einem Text von Johann Wolfgang von Goethe. Rupert Huber leitete die Männerstimmen des SWR Vokalensembles Stuttgart. Auch, wenn es noch eine dritte Berliner Liederschule gibt, so ist sie eigentlich als Schule nicht mehr nennenswert. Trotzdem sind es einige der Lieder und der Komponisten, die in dieser Tradition stehen. Im Grunde bezeichnet die dritte Berliner Liederschule eine Generation von Komponisten, die eben der zweiten folgt. Während die erste und zweite Berliner Liederschule ein theoretisches und ästhetisches Konzept für ihre Kompositionsweise entwickelt haben, so übernimmt die dritte einfach das, was ihre Vorgänger bereits getan haben – oder brechen später ganz aus diesem Konzept aus, wie der berühmteste von Zelters Schülern: Felix Mendelssohn Bartholdy. Auch er hält sich zunächst an die Regeln: das Dichterwort hat Priorität, es wird strophisch komponiert, die Begleitung hat zurückzutreten, so dass das Lied auch ohne Begleitung funktioniert. Besonders wichtig ist der Aspekt des strophischen Komponierens. Da es ja beim Berliner Lied in erster Linie um den Text geht, würde eine durchkomponierte Fassung so empfunden, als würde der Text in ein fremdes Element verpflanzt. Es geht aber ja um die Symbiose von beidem. Die Zelter-Schule ist bei Mendelssohn Bartholdy deutlich hörbar. Und auch die Lehren der zweiten Berliner Liederschule. Brav hält er sich daran in seiner Vertonung von Heinrich Heines Gedicht „eine neue Liebe“ – nur der einfache, volksliedhafte Ton, den muss man vermissen. 9 Musik 8 Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) Textdichter: Heinrich Heine Neue Liebe für Tenor und Klavier, op. 19a Christoph Prégardien (Tenor) / Andreas Staier (Hammerflügel) M0247940 022, 1’47 Neue Liebe von Felix Mendelssohn Bartholdy nach einem Text von Heinrich Heine, Christoph Pregardien hat gesungen und wurde von Andreas Staier am Hammerflügel begleitet. Auch wenn Heine Mendelssohns Lieblingsdichter war – das gilt auch für seine Schwester Fanny – hat er auch die Gedichte anderer vertont. Zum Beispiel Hoffmann von Fallerslebens Gedicht „so schlaf in Ruh!“ – so wie ich es kenne ein Gedicht, das weit davon entfernt ist, eine volkstümliche Naturbeschreibung zu sein. Und doch hat es sich noch ein Komponist der dritten Berliner Liederschule vorgenommen: Friedrich Curschmann. Das Gedicht jagt einem einen Schauer über den Rücken – beschäftigt es sich doch mit der Willkür von Polizei und Militär: So schlaf in Ruh, mein Söhnlein Du, Dein Vater sprach ein freies Wort Da führten ihn die Schergen fort In einem Kerker weit von hier Weit weg von mir, weit weg von dir So schlaf in Ruh, Mein Söhnlein du, Dein Vater leidet Schmach und Not, dein Vater ist lebendig tot und seine Freunde bleiben fern und sehen auch dich und mich nicht gern. Es stammt aus Hoffmann von Fallerslebens Band „deutsche Lieder aus der Schweiz“ undich habe mich gefragt, wie das in die Berliner Ästhetik passt! Die Antwort kam unerwartet: es gibt zwei Wiegenlieder von Fallersleben mit dem gleichen Anfang. 10 Das spätere bezieht sich vermutlich auf das frühere. Curschmann hat also ganz brav ein hübsches, schlichtes strophisches Wiegenlied komponiert, ganz wie es sich für die dritte Berliner Liederschule gehört. Hier also: So schlaf in Ruh – ein Lied für Singstimme und Klavier op 9 Nr. 3 von Karl Friedrich Curschmann. Musik 9 Karl Friedrich Curschmann (1805-1841) Textdichter: Hoffmann von Fallersleben So schlaf in Ruh. Lied für Singstimme und Klavier, op. 9 Nr. 3. Stephan Genz (Bariton) / Eric Schneider (Klavier) M0247885 023, 2‘15 So schlaf in Ruh von Karl Friedrich Curschmann, Stephan Genz wurde von Eric Schneider begleitet – der Text stammt von Hoffmann von Fallersleben. Die dritte Berliner Liederschule geht allmählich ihrem Ende entgegen, verläuft förmlich im Sand, denn keiner ihrer Vertreter entwickelt die Lehren nennenswert weiter. Doch eine Geschichte muss unbedingt noch erzählt werden! Denn sie ist der Startschuss zu einem bedeutenden Liederzyklus. Es war einmal in Berlin… im Hause des geheimen Staatsrats Friedrich August von Staegemann. Wir schreiben das Jahr 1816 und einige junge Kunstfreunde treffen sich in besagtem Haus um ein kleines Theaterstück mit Liedern aufzuführen. Es geht um die schöne Müllerin Rose, die von drei Männern umschwärmt wird – einem Müller, einem jungen Gärtner und einem Jäger, der schließlich das Herz des Mädchens erobert. Für dieses Theaterstück schreiben die jungen Kunstfreunde eigenhändig mehrere Gedichte, zu denen die entsprechenden Gesänge improvisiert werden. Einer derjenigen, der solche Gedichte verfasst, ist Wilhelm Müller. Nach der ersten Aufführung entsteht der Wunsch, die improvisierten Lieder vertonen zu lassen. Mit diesem Anliegen wendet man sich an den Komponisten Ludwig Berger. Der sucht 10 der Gedichte aus, 5 davon von Müller, und vertont sie in bester Berliner Manier und veröffentlicht sie 1818 unter dem Titel „Gesänge aus dem gesellschaftlichen Liederspiele „die schöne Müllerin““. 11 Allerdings geht Berger hin und wieder doch über das strenge Reglement der Berliner Liederschule hinaus: verändert gelegentlich die Begleitung bei einer Strophe um den Sinngehalt musikalisch besser erfassen zu können. In der Regel sind die Lieder – wie es sich gehört strophisch. Als Müller seine „Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten“ veröffentlicht, nimmt er auch besagte Müllerinnen-Gedichte mit auf. Auf diesem Wege wird Franz Schubert auf „die schöne Müllerin“ aufmerksam. Hier in der SWR2 Musikstunde jetzt aber ein Ausschnitt aus quasi der Ur-Müllerin: hier sind die ersten vier Lieder: Des Müllers Wanderlied, Müllers Blumen, Am Bach und Am Maienfeste Muik10 Ludwig Berger (1777-1839) Textdichter: Wilhelm Müller, Luise Hensel / Wilhelm Hensel Gesänge aus einem gesellschaftlichen Liederspiele "Die schöne Müllerin", op. 11 001 (1) Des Müllers Wanderlied ( 01.06 ) 002 (2) Müllers Blumen ( 01.13 ) 003 (3) Am Bach ( 01.05 ) 004 (4) Am Maifeste ( 02.21 ) Markus Schäfer (1961-)(Tenor) Tobias Koch (Hammerklavier) M0447138 W01 Die ersten vier Lieder aus Ludwig Bergers op 11, die Schöne Müllerin. Die Lieder hießen: des Müllers Wanderlied, Müllers Blumen, am Bach und am Maienfeste. Markus Schäfer wurde von Tobias Koch begleitet. Und damit geht die heutige Folge unserer SWR2 Musikstunde „wenn Schule Schule macht“ zu Ende. Morgen führt uns unser Weg nach Wien: und zwar sowohl in die Vorklassik als auch in die Moderne. Wenn Sie die Sendung noch einmal hören möchten, können Sie das tun unter SWR2.de, dort finden Sie auch die vorangegangenen Sendungen zum Thema – außerdem die Manuskripte als Download. Mein Name ist Nele Freudenberger, ich sage Tschüss und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. 12
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