SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 10.02.1823: Köln erlebt seinen ersten Rosenmontagsumzug Von Pit Klein Sendung: 10.02.2017 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autor: Als der erste Rosenmontagszug über den Kölner Neumarkt zog, hielt bürgerlicher Ordnungssinn Einzug in das bis dahin chaotische Treiben der Närrinnen und Narren. Genauer gesagt war das Treiben erst ungefähr zwei Jahrzehnte so richtig volksnah chaotisch. Zuvor hatten Patrizier, Zünfte und die Kirche den Fastelovend ziemlich fest im Griff Aber dann waren die Franzosen eingerückt und hatten liberte, egalite und fratemite gebracht. Da brauchte das gemeine und ordinäre Volk, dat Jesocks, nicht mehr den Segen vom bessere Jesocks, öm e paar Dag kräftig op de decke Trumm ze schlage. Die Franzosen boten statt Fasteleer vom Elften im Elften bis Aschermittwoch das ganze Jahr über die egalite des citoyen. Aber der citoyen nahm, weiß der Düvel, woröm nit, das Angebot nicht an. Der spießige bourgeois lief ihm den Rang ab, eignete sich nach und nach alte und neue Pfründe an, und da gaben die Franzosen dem einfachen Jesocks wieder Gelegenheit, wenigstens in der närrischen Session etwas Dampf abzulassen, und erlaubten den Karneval wieder. Und es ging eine Zeit lang drunger un dröwer. Dann aber, hatte sich die Kölner Bourgeoisie no bowe jerummelt, nahm als das "Festordnende Komitee" die Zügel des Karnevals in die gesalbten Hände und lenkte dat Drunger un Dröwer in geordnete Bahnen. Der Kölner Rosenmontagszug geht längst nicht mehr nur über den Neumarkt. Dam Marieche singe Jung schlät de decke Trumm einige Kilometer und mehrere Stunden lang. Der "Kölsche Fastelovend" ist, un dat klink besonders löstig, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Er bietet ein paar Tausend Arbeitsplätze, und ein Klüngel von Krämerseelen verdient sich im Schweiße des frohsinnigen Angesichtes en jolde Naaß. Solche Nasen sind massiv golden und werden sehr hoch getragen. Deswegen zeigen sie sich nicht nur in der Session der organisierten Narretei, sondern sie spielen das ganze Jahr hindurch die Stützen der Gesellschaft. Und was die Gesellschaft stützt, ordnet entsprechend, woröver mer laache darf un woröver nit. Beim Kaiser wurde wilhelminisch jelaach, bei den Nazis braun, und in der Demokratie, die mer hann, weed över jeden Dreß jelaach. Das ist nicht nur traurig, das ist auch ein Zeichen von Humor. Der Humor war es auch, der vielen in Köln das Überleben der konischen Systemzeit mit Jrielächeln ermöglicht hat. "Ich bin der eigentliche Kohlkönig", sagte der Mann bei einem Grünkohlessen, "mehr Kohl kann man sich nicht vorstellen." Und die Jriechlächer lachten, dass ihnen die Tränen die Beine runterliefen. Der Kohlkönig war sowohl Enkel als auch Großenkel von Konrad Adenauer und wandelte doch immer in den eigenen, ganz unverwechselbaren Spuren. Er war ein typischer Deutscher, er war die CDU, vor allem aber war er gut in Hölderlin. Heutzutage bedauert der Jrielächer oft, dat singen Henjott der kölsche Fastelovend nit öm die Kappesköpp en der Butt erömbugsiert hätt, aber dann geht er zum Päffgen und schluckt ein paar Kölsch un tut auch ein paar Metthäppchen dazwischen. Wegen dem Benimm. Und dann fällt ihm häufig dieser einzigartige Büttenredner ein, der in brauner Zeit en de Butt jing, dem festordnenden Komitee und seinen Anweisungen folgte und die Hand zum braunen Gruß ausstreckte. Der dann aber, als es hundertfach zurückgrüßte, so tat, als prüfe er das Wetter, und fragte: "Es et am rähne?" Regnets? Es war, und der tapfere Büttenmann musste einige Zeit en de Blech, ins Gefängnis. Doch heutzutage, wenn der Jriechlächer am Straßenrand steht, und es wird das Schild herangetragen, auf dem man es schriftlich bekommt, dat der Zog kütt, un da kütt och un es noch jaanit janz vorbei, dan hat der Jrielächer selbst heute noch, dat schöne Jeföhl, dass es nicht mehr regnet. 2
© Copyright 2025 ExpyDoc