Bayern 2 - Bayerischer Rundfunk

Manuskript
Der Bayernkommentar
Mehr Gelassenheit in Flüchtlingsfragen
Von Rudolf Erhard
Redaktion Landespolitik
Samstag, 28. Mai 2016
11.50 Uhr in der Bayernchronik
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
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Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258
[email protected]; www.bayern2.de
In Turnhallen wird wieder geturnt und aus Traglufthallen die Luft rausgelassen. Das
Schließen vieler Massenunterkünfte in Bayern sorgt für Normalität in der Flüchtlingsfrage.
Eine Normalität, die teilweise an die Zeiten vor dem großen Flüchtlingszuzug erinnert und
zum Nachdenken anregen sollte . Bestes Beispiel, das niederbayerische Hengersberg. Dort
waren die Bedenken groß als in die, mangels Alternativen, aufgestellte Traglufthalle in
Spitzenzeiten bis zu 300 schutzsuchende Menschen einquartiert wurden. Ängste und
Vorurteile kursierten unter den Einheimischen - und sie wurden eines Besseren belehrt. Die
Asylsuchenden nahmen die spartanische Unterkunft dankbar an. Dabei bot sie nur ein
Minimum, aber einen sicheren Platz, trocken und warm, wenn auch nur auf Feldbetten, mit
einfachen Sichtblenden zum Nachbarn. Dieses Dach über dem Kopf hatten viele von ihnen
auf ihrer Flucht monatelang vermisst. Denn es war für sie auch ein erstes Ziel. Angekommen
sein in einem sicheren, wohlorganisierten und für sie deshalb auch reichen Land. Sie
protestierten nicht, sie jammerten nicht. Das gilt für die überwiegende Mehrzahl der
Flüchtlinge und dies öffnet damit so manchem Bürger die Augen. Die Flüchtlinge, gerne mit
dem abwertenden Begriff Asylanten tituliert, sind keine Gefahr für die Allgemeinheit, die
Massenunterkünfte kein Ort der Gewalt und die so gerne strapazierte öffentliche Ordnung
bleibt gewahrt. Das nehmen viele Bürger mit Erstaunen zur Kenntnis und sie geben dies,
wenn auch nur teilweise, auch zu. In Hengersberg und anderswo. Lasst uns daraus Lehren
ziehen, ohne die Augen zu verschließen vor den vielen ungelösten Problemen bei der
Integration so vieler, ihrer Heimat, ihrer Kultur, ihrer Religion, ihrer Wurzeln entrissener
Menschen. Denn die stehen erst am Anfang ihrer Eingliederung in unsere Gesellschaft. Sie
spüren, dass die Willkommenskultur der Helferkreise das Eine ist, viele abweisende Blicke in
der Öffentlichkeit aber das Andere. Die Vorbehalte ihnen gegenüber werden durch den
momentan abgeebbten Flüchtlingszustrom nicht weniger. Die Politik, vor allem in Bayern,
dem europaweit für seine professionelle und auch menschliche Erstaufnahme gelobtem
Land, setzt weiter Grenzen. Definierte zahlenmäßige Obergrenzen sind zwar derzeit auf die
lange Bank geschoben. Denn die Abriegelung der Grenzen auf den Fluchtwegen aus den
Bürgerkriegs- und Wirtschaftsnotländern zu uns, ins vermeintliche Schlaraffenland, hat da
Fakten geschaffen. Doch die werden nicht Bestand haben, denn die wahren Probleme
bleiben ungelöst. Die Gemeinschaft europäischer Länder drückt sich in beschämender
Weise um eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge und die Weltgemeinschaft um eine
Minderung der Fluchtursachen. Appelle bei internationalen Gipfeln der Humanität bleiben
schöne Worte. Zu viele Bürger haben längst ihr Vertrauen in die Politik verloren und glauben
lieber denen, die klare Kante versprechen. Eine bedenklich wachsende Zahl läuft, laut
Meinungsumfragen, den diffusen Irrlichtereien der rechtspopulistischen AfD hinterher. Vor
allem die wertkonservative CSU reagiert darauf mit Angst in der Magengrube, statt mit
kühlem Kopf. Das wird weiter zunehmen, wenn erwartungsgemäß wieder mehr Flüchtlinge
als derzeit zu uns kommen. Ich habe meine Zweifel, ob dann die Einsichten über den bisher
doch gut gelösten Zustrom nicht wieder in den Hintergrund treten werden. Hier
gegenzusteuern wäre Aufgabe der Politik. Doch weder in Berlin noch in Bayern gibt es da
eine gemeinsame Sprache. Der Grundsatz des Fördern und Fordern sollte aber nicht nur für
die Integration der Flüchtlinge gelten, sondern auch für die notwendige Aufklärung der
Bürger in dieser veränderten globalen Welt.
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