Gesundheitsgespräch Medikamente im Alter Sendedatum: 18.02.2017 Experten: Dr. Not-Rupprecht Siegel, ehemals Chefarzt am Geriatriezentrum Neuburg Prof. Gerd Glaeske, Arzneimittel-Experte an der Universität Bremen Autorinnen: Monika Dollinger, Beate Beheim-Schwarzbach Ältere Menschen haben oft mehrere Krankheiten gleichzeitig. Ärzte sprechen dann von multimorbiden Patienten. So können auch eine schwere Lungenerkrankung (COPD), eine Schmerz-, eine Herzerkrankung und eine neurologische Störung wie Morbus Parkinson zusammenkommen - für jede Erkrankung benötigt der Patient ein eigenes Medikament. Das Problem: Diese Patienten brauchen einen wirklich sorgfältig arbeitenden Arzt, der die Wirkung der Medikamente genau kennt. Denn die Tabletten sollten sich nicht gegenseitig beeinflussen und dann womöglich mehr schaden als nutzen. Ein falscher Mix an Tabletten kann krank machen. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 1 Tabletten im Alter - Was ist normal, was zu viel? Durchschnittlich 7,8 verschiedene Präparate nimmt ein älterer Patient pro Tag in Tablettenform zu sich, wenn er in einer Klinik ist. 5,6 sind es bei Älteren, die zu Hause wohnen. Tabletten im Krankenhaus Dr. Siegel führt Buch, wie viele Tabletten die Patienten, die zu ihm in die geriatrische Klinik kommen, täglich schlucken: • • • • • • Null Tabletten ist sehr selten, über drei ist ziemlich selten, acht ist normal, 14 ist relativ häufig, 18 häufig und der bisherige Höhepunkt lag bei 28 verschiedenen Tabletten mit 13 verschiedenen Wirkstoffen. Dieser Patient setzte also täglich 13 verschiedene chemische Prozesse in seinem Körper in Gang. Manche Wirkstoffe muss ein Patient dreimal täglich zu sich nehmen, bei anderen reicht einmal. "Man muss ehrlich sein und die Wirkstoffe zählen, nicht die Tabletten. Denn die Tablettenmenge kann hoch sein, obwohl es nur wenige Wirkstoffe sind." Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg Beispiel In der Schmerzbehandlung kann man einen Wirkstoff auf zwei Arten nehmen: Verteilt auf mehrere Tabletten täglich oder per Pflaster, das einige Tage lang wirkt. Aber wenn es darum geht, dass die Behandlungen der verschiedenen Krankheiten sich nicht negativ beeinflussen sollen, muss man auf die Wechselwirkung der chemischen Substanzen achten und nicht vorrangig darauf, wie oft der Patient eine Tablette schluckt. "Mitunter nehmen ältere Patienten Medikamente, die sie gar nicht mehr brauchen." Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg Tipp: Medikamenteneinnahme regelmäßig hinterfragen • Den Arzt regelmäßig fragen, ob man die Tabletten noch immer in der verschriebenen Dosierung einnehmen soll – egal ob es Mittel sind, die man schon jahrelang oder erst seit kurzem nimmt. • Offen sein für Versuche, z.B. von einem Medikament weniger nehmen als bisher. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 2 Verwechslungsgefahr von Medikamenten Viele ältere Patienten füllen ihre Medikamente auf Vorrat in eine sogenannte Medikamentenschachtel - sie enthält für jeden Wochentag drei Kästchen, jeweils eines für Früh, Mittag und Abend. Diese Medikamentenschachtel kann dann zum Problem werden, wenn die Pille ins falsche Kästchen rutscht. Denn dann nimmt man zwei Pillen zur gleichen Zeit, die man besser nicht zusammen genommen hätte. Dieses Risiko lässt sich allerdings nicht völlig ausschalten. Wichtig: Vor allem die Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, aber auch Schmerzmitteln (besonders die Opiate) muss genau mit dem Arzt abgesprochen sein. Denn sie können ältere Menschen so dämpfen, dass es zu Stürzen kommt. Und Stürze im Alter haben oft fatale Folgen: Unbeweglichkeit, Vereinsamung, Depression, schwierige Operationen – eine Abwärtsspirale. "Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist." Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus, Schweizer Arzt, Naturforscher und Philosoph (1493 – 1541) "Medikamente sind Gifte. Nur die gekonnte Dosierung macht aus, ob sie eine heilende Wirkung haben." Dr. Siegel in Abwandlung des Ausspruches von Paracelsus Für den Notfall gerüstet Es ist sinnvoll, eine Liste mit sich zu führen, auf der alle Medikamente und ihre Dosierung stehen. So kann man jederzeit die Fragen von Ärzten, oder auch einmal im Akutfall von Sanitätern, nach Tabletten beantworten. Der alte Körper - Wie sich der Organismus verändert Im Alter verändert sich das Verhältnis von Körperflüssigkeit und Körperfestmasse. Je älter der Mensch wird, umso trockener wird der Körper: der Fettanteil wird höher, der Wasseranteil geringer. Auswirkung auf Medikamente In der Flüssigkeit verteilt sich der Wirkstoff der Medikamente. Wenn weniger Flüssigkeit im Körper vorhanden ist, ist bei gleicher Tablettenmenge der Wirkstoff höher konzentriert. Die chemischen Substanzen der Tabletten werden im Fettgewebe gespeichert. Je höher der Fettanteil des Körpers desto mehr Wirkstoff wird dort aufbewahrt. Die geringere Flüssigkeitsmenge und der höhere Fettanteil im alten Körper Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 3 haben also zwei Wirkungen: Höhere Wirkstoffkonzentration im Blut und Gewebswasser und eine höhere Speicherdichte im Fettgewebe. Wichtig: Diese körperlichen Veränderungen muss der Arzt beim Dosieren der Medikamente beachten, sonst wirken die Tabletten anders als beabsichtigt. Aufgrund der körperlichen Veränderungen braucht ein älterer Patient oft eine geringere Dosis an Tabletten als ein Jüngerer. Die Dosierungsempfehlungen der Arzneimittelhersteller beruhen auf den Studien, die während der Zulassung des Medikaments gemacht wurden. Aber bei diesen Studien nehmen zum allergrößten Teil jüngere (und männliche) Testpersonen teil, die gesund sind. Die Tablettenmenge, die der Arzt einem älteren Patienten verschreibt, unterscheidet sich deswegen häufig von denen, die im Beipackzettel stehen. Was die Leber leistet Zu beachten ist auch, wie der Wirkstoff im Körper wieder abgebaut wird, denn er wird ja nicht für immer gespeichert. Hier spielt die Leber als Hauptverarbeitungsorgan des Körpers eine große Rolle, man könnte sie auch als körpereigene Chemiefabrik bezeichnen. Die Leber hat den Vorteil, dass sie viele Schäden und Alterungsprozesse gut übersteht, bevor sie in ihrer Arbeit eingeschränkt ist. Problem: Nieren Anders ist das bei den Nieren als Hauptausscheidungsorgan des Körpers. Sie sind ein hochkomplexes Filterorgan. Beim alten Menschen kommen verschiedene Faktoren zusammen, wie beispielsweise die geminderte Flüssigkeitsmenge, welche die Arbeit der Nieren beeinflussen. Denn sie hängt wesentlich von der im Körper enthaltenen Flüssigkeitsmenge ab: Blut, Gewebeflüssigkeit und Lymphe. Außerdem werden auch die Nieren selbst älter und filtern nicht mehr so viel wie früher. Problem Trinken Dazu kommt, dass Ältere meistens (viel) zu wenig trinken, weil sie kein Bedürfnis danach haben. Dafür gibt es eine organische Ursache: Das sogenannte antidiuretische Hormon verhindert, dass der Körper zu viel Wasser verliert. Dieser Hormonhaushalt verändert sich im Laufe des Lebens mit der Folge, dass ältere Menschen oft keinen Durst haben. Tipp: Extra viel trinken Trinken, trinken und nochmal trinken. Es sollten 1,5 bis 2 Liter am Tag sein, auch wenn der Durst nicht danach verlangt. Ausnahmen: bei Herzschwäche Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 4 oder stärkerer Niereninsuffizienz. Hier gilt: Strikt an die Anweisung des Arztes halten! Wenn das Filtern nicht mehr klappt: • • • Zum einen funktioniert die Niere nicht mehr so gut. Zum zweiten wird auch das Herz schwächer und pumpt das Blut nicht mehr so kraftvoll durch den Körper, unter anderem auch durch die Niere. Dadurch nimmt die Flüssigkeitsmenge weiter ab. Und zum dritten ist im alten Körper nicht mehr so viel Flüssigkeit gespeichert. Die Folge ist, dass viel mehr Wirkstoff aus den Tabletten im Körper verbleibt, als das in jüngeren Jahren der Fall war. Wichtig: Nieren kontrollieren Bei älteren Menschen muss regelmäßig die Leistung der Nieren untersucht werden - und zwar bevor stärker wirkende Medikamente gegeben werden, damit die Menge entsprechend angepasst werden kann. Regel: Je älter desto weniger In der Regel brauchen Patienten im Alter eine geringere Menge an Wirkstoff als im mittleren Erwachsenenalter. Das gilt für alle Medikamente, die über die Nieren ausgeschieden werden - das sind die meisten Medikamente. Wirkstoffe hingegen, die über den Darm den Körper verlassen, können gleich dosiert werden. Wechselwirkung von Medikamenten: Welche Tabletten sich nicht vertragen Zwei Wirkstoffe kann man so prüfen, dass man das Interaktionspotential, also die gegenseitige Beeinflussung überblickt. Bei mehr Wirkstoffen schleichen sich Grauzonen ein, d.h. man weiß nicht wirklich, wie sie gegenseitig die Wirkung verstärken, verändern oder abschwächen. "Mir ist keine Studie bekannt, die die Wirkung von mehr als vier verschiedenen Wirkstoffen aufeinander erfasst hat." Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg Generelle Wechselwirkungen Wechselwirkungen kommen immer dann zustande, wenn mehrere Arzneimittel nebeneinander genommen werden. Dann können sich die einzelnen Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 5 Medikamente beeinflussen, so dass die Wirksamkeit entweder geringer oder stärker wird, Unverträglichkeiten ansteigen und die Nebenwirkungen sich addieren. Insgesamt potenzieren sich die möglichen Wechselwirkungen überproportional, je mehr Arzneimittel ein Patient einnimmt. Verschriebene Medikamente und selbst gekaufte Der Arzneimittelmarkt bietet heute verschriebene, also rezeptpflichtige Arzneimittel an und solche, die frei verkäuflich, aber keineswegs harmlos sind und die man ohne Rezept direkt in der Apotheke kaufen kann. Vor allem ältere Patienten nehmen oft Medikamente aus beiden Gruppen gleichzeitig. "Der Arzneimittelmarkt ist derzeit pro Jahr etwa 1,55 Mrd Packungen schwer, jeder Bundesbürger kauft im Schnitt 20 Packungen Arzneimittel im Jahr. Doch fast die Hälfte, dieser Menge (45 Prozent) sind Mittel ohne Rezept. Wenn man dann nicht darauf achtet, dass dabei Wechselwirkungen entstehen, dann hat man ein großes Problem übersehen." Prof. Gerd Glaeske, Arzneimittel-Experte an der Universität Bremen Problem in der Praxis Entscheidend ist, dass man die Interaktionen auch wirklich berücksichtigt. Das bedeutet zuerst einmal, dass der Arzt sie kennt. Die häufigste Wechselwirkung, die im Alter Probleme macht, ist etwas ganz banales: Es geht dabei um den Wasserhaushalt des Körpers. Herz im trockenen Körper Ein schwaches Herz führt dazu, dass das Blut nicht mehr richtig durch den Körper gepumpt werden kann. Ist die rechte Herzhälfte schwach (Rechtsherz-Insuffizienz), so staut sich das Blut vor dem Herz, und aus den Venen tritt Flüssigkeit in das Gewebe aus: Der Patient leidet unter Wassereinlagerung in den Beinen, im schlimmsten Fall auch im Bauchraum. Ist vor allem die linke Herzhälfte schwach (Linksherz-Insuffizienz), so staut sich das Blut zurück in die Lunge – es kommt zu starker Atemnot (Lungenödem). Tabletten gegen Wasser – und dann? Normalerweise gibt man dann ein Medikament, das die Nierenfunktion anregt, um diese Wasseranreicherung zu entfernen. Wenn man die Wasserausscheidung aber beim älteren Menschen anregt, der sowieso zu wenig Flüssigkeit im Körper hat, dann erhöht man ganz schnell die Konzentration von Medikamenten, die der Herzschwache Mensch braucht, damit das Herz einigermaßen arbeitet. Wenn man ein Medikament gegen Wasserablagerungen gibt, müssen die anderen Medikamente (zum Beispiel Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 6 Bluthochdruckmittel) entsprechend geringer dosiert werden. Wenn man die Dosierung beibehalten würde, würde die Konzentration steigen und der Blutdruck vermehrt gesenkt werden, womöglich bis dem Patienten schwindlig wird. Studienlage zur Wechselwirkungen Oft sind auch Medikamente verschiedener Hersteller für Wechselwirkungen verantwortlich, doch dafür gibt es überhaupt keine systematische Forschung. Zumindest zeigt eine Studie aus einem englischen Alten- und Pflegeheim, dass ältere Menschen, die sechs bis acht Arzneimittel mit jeweils einem oder mehreren Wirkstoffen einnehmen, in 50 bis 80 Prozent mit erheblichen Wechselwirkungen rechnen müssen. Wechselwirkungs-Check (Interaktions-Check) Viele Apotheken prüfen bereits bei ihren Stammkunden, wenn diese schriftlich eingewilligt haben, ob sich deren Medikamente gegenseitig verstärken, verringern oder sogar aufheben - zu diesem Zweck nutzen sie bestimmte Datenbanken. Außerdem fragen Apotheker immer öfter nach, ob Kunden zusätzlich noch andere Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel nehmen, für die sie kein Rezept vom Arzt haben, denn auch diese können die Wirkung der Arzneimittel beeinflussen. Tipp: Nach Wechselwirkungen fragen Der Arzt ist der erste Ansprechpartner, aber natürlich kann man auch in der Apotheke beim Kauf oder Abholen von Medikamenten und anderen Mitteln nachfragen, ob Wechselwirkungen auftreten können und was man bei der Einnahme beachten sollte. Medikationsplan Seit 01.01.2016 ist das sogenannte E-Health-Gesetz in Kraft. Unter anderem regelt es, dass seit Herbst 2016 Patienten, die gesetzlich krankenversichert sind und mehr als drei Medikamente nehmen, ein Anrecht auf eine Liste ihrer Arzneimittel (vorerst oft in Papierform) haben. Diese Liste kann man dann auch in der Apotheke vorlegen. Kritiker wenden ein, dass frei verkäufliche Medikamente (wie z.B. Schlafmittel oder Tabletten wegen Verdauungsproblemen) nicht auf der Liste auftauchen müssen, wenn der Patient das aus Gründen des Datenschutzes nicht wünscht. Mögliche Wechselwirkungen werden dann allerdings nicht erkannt. Medikamentenanalyse In einem zweiten Schritt des E-Health-Gesetzes soll ab 2018 dann eine Medikamentenanalyse durchgeführt werden. Einige Apotheken bieten das schon jetzt gegen Honorar (ca. 70 €) an. Dabei analysieren Apotheker die Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 7 Wechselwirkungen der individuellen Medikamente, die einem Patienten von verschiedenen Ärzten (z.B. des Orthopäden, des Augenarztes und des Internisten) verschrieben wurden. Dahinter steckt: Oft stehen diese Fachärzte untereinander nicht im Austausch und viele Patienten kaufen ihre Medikamente in unterschiedlichen Apotheken, so dass kein Arzt oder Apotheker den Überblick hat. Doch aus ärztlicher Sicht gibt es auch Kritik daran. "Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient lebt von Vertrauen. Wenn ein Patient seine Medikamente in der Apotheke analysieren lässt und nicht den Arzt selbst fragt, ist das Vertrauensverhältnis bereits zerstört, nicht nur gestört, sondern zerstört." Dr. Not-Rupprecht Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg Tipps für Patienten • • • • Sich selbst ehrlich eingestehen, was Probleme bereitet, wo es im Alltag gesundheitliche Einschränkungen gibt. Auf eindeutigen Diagnosen bestehen. Dem Arzt ehrlich erzählen, welche Medikamente man nimmt. Auch über Tabletten reden, für die man kein Rezept braucht wie z.B. Schmerzmittel. Den Arzt fragen, ob er sich in Geriatrie fortgebildet hat, damit er die Besonderheiten bei der Therapie älterer Patienten auch wirklich kennt. Wichtig: Immer mit dem Arzt sprechen Medikamente nicht einfach selbst weglassen, sondern immer in Absprache mit dem Arzt reduzieren oder wechseln! Symptome im Alter - Reaktion auf zu viele Medikamente Schwindel, Müdigkeit, Verdauungsprobleme – das sind nur einige der Symptome, die auftreten können, wenn die Medikation nicht stimmt, wenn man z.B. zu viel von einem Medikament nimmt oder wenn sich die verschiedenen Tabletten nicht miteinander „vertragen“. Liste der Symptome • Stürze • Verwirrung • Schwindel • Schlafstörungen • Verstopfung • Durchfall Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 8 "Auch auf so etwas wie Hautausschläge sollte man achten, denn das kann eine Allergie auf ein neues Medikament sein. Und auch Allergien darf man nicht unterschätzen. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu einem Herzstillstand als schwere allergische Reaktion kommen." Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg Beispiele Wasser in den Beinen kann durch die erhöhte Einnahme von bestimmten Schmerzmitteln entstehen (siehe Punkt „Arthrose vs. Bluthochdruck“ weiter unten). Schwindel oder Gleichgewichtsprobleme, die beinahe in Stürze münden, können durch zu viel oder mit anderen Mitteln zusammenwirkende Beruhigungs- oder Schlafmittel hervorgerufen werden. Schwindel oder Gleichgewichtsprobleme können aber auch durch zu viel wassertreibende Medikamente ausgelöst werden. Verdauungsprobleme Opiate lähmen die Darmfunktion. Deswegen bekommen Patienten mit einem chronischen Schmerzleiden, falls sie Opiate nehmen, auch immer einen Wirkstoff, der den Darm in Gang hält. Das kann auch ein Quellstoff sein, den man regelmäßig mit dem Essen aufnimmt. Ferner reagiert der ganze Magen-Darm-Trakt empfindlich auf sogenannte nichtsteriodale Antirheumatika. Auch löst beispielsweise ACC bei 50 Prozent der Menschen Magenschmerzen aus. Reduktion von Medikamenten Ältere Menschen, die sich an bestimmte Medikamente gewöhnt haben, tun sich oft schwer, diese wegzulassen, oder durch andere, wie z.B. Generika (Nachahmerprodukte), zu ersetzen, auch wenn der Arzt dazu rät. "Dahinter steckt meiner Erfahrung nach, dass Patienten Angst davor haben. Sie empfinden ihre Situation als ausgeglichen und wollen sie nicht verändern, fühlen sich stabil, können damit umgehen und wollen sich nicht damit auseinandersetzen." Dr. Siegel, ehem. Geriatriezentrum Neuburg PRISCUS-Liste Wissenschaftler der Universität Witten Herdecke haben eine Liste mit Wirkstoffen erstellt, die für ältere Menschen problematisch sein können – die sogenannte PRISCUS-Liste. Hier finden sich zurzeit 83 Substanzen. Kostenlos herunterzuladen unter: http://priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 9 Krankheiten im Alter - Arthrose vs. Bluthochdruck Nichtsteriodale Antirheumatika (wie Ibuprofen und Diclofenac), die viele ältere Patienten gegen Schmerzen bei Arthrose nehmen, sind hochwirksame und aber auch hoch-nebenwirkungsreiche Medikamente. Die wesentliche Nebenwirkung ist die Erhöhung des Blutdrucks. Dieser wiederum ist gefährlich für das Herz. Aber ohne Schmerzmittel geht es oft nicht. Was tun? "Grundsätzlich gilt: Ibuprofen, Diclofenac, Coxibe oder ähnliche Wirkstoffe sollten ältere Patienten ohne ärztlichen Ratschlag überhaupt nicht nehmen. Auch wenn man sie teilweise einfach in der Apotheke holen kann. Aber sie sind gefährlich bei Menschen mit u.a. schwachen Nieren und Herzen, Bluthochdruck oder Diabetes." Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg Ein typischer Fall Ein Patient hat Arthrose und erhöhten Blutdruck. Die Arthrose schränkt ihn aufgrund der Schmerzen sehr im Alltag ein: Er geht nicht regelmäßig einkaufen und ernährt sich deswegen mangelhaft. Er nimmt nicht mehr am sozialen Leben teil und lässt sich daraufhin gehen, d.h. er achtet nicht mehr auf sein Wohlbefinden und seine Gesundheit. Um diese Abwärtsspirale zu verhindern, müssen die Arthroseschmerzen gut behandelt werden. Kann man, um Wechselwirkungen zu vermeiden, die Medikamente gegen Bluthochdruck verringern und einen nicht optimal eingestellten Blutdruck hinnehmen? Die Antwort des Geriaters Manchmal muss der Arzt abwägen, wie hoch die einzelnen Medikamente dosiert werden müssen. Grundsätzlich kann man eine Abwägung durchaus vornehmen. Aber was passiert, wenn der Bluthochdruck etwas zu hoch bleibt (z.B. 160 zu 100)? Die Folge wären Gefäßerkrankungen am Herzen und im Gehirn. Auch ein Schlaganfall wäre ein nicht diskutables Risiko, da schwerste Behinderungen und eine extreme Pflegebedürftigkeit die Folge sein können. Start low, go slow Deswegen gilt für jede Abwägung zwischen sich negativ beeinflussenden Medikamenten folgende Regel: Sanft anfangen und langsam verändern. Man kann ruhig niedrig dosieren, dann gut beobachten, wie das wirkt, und (am besten in Abstimmung mit dem Hausarzt) langsam mehr nehmen. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Oft reicht es, dass der Patient das Gefühl hat: ‚Bewegungsschmerzen sind zwar nicht angenehm, aber sie quälen mich auch nicht. ‘ Das ist durchaus ein Ziel, das Arzt und Patient zusammen besprechen können, wenn sich dadurch gefährlich hohe Dosierungen von Medikamenten vermeiden lassen. Wichtig: Die Nieren kontrollieren Nichtsteriodale Antirheumatika werden außerdem über die Nieren ausgeschieden. Deswegen muss gerade bei Patienten, die Schmerzmittel nehmen, die Nierenfunktion regelmäßig kontrolliert werden. Tipp: Was man bei kranken Nieren nehmen kann Patienten, die eine eingeschränkte Nierenfunktion haben, sollten eher Opiate als herkömmliche Schmerzmittel nehmen, wenn eine dauerhafte Schmerzmedikation erforderlich ist. Das muss natürlich genau mit dem Arzt besprochen werden. Denn für Patienten mit neurologischen Störungen oder auch Gedächtnisschwierigkeiten sind Opiate weniger geeignet, weil sie Prozesse im Gehirn dämpfen. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 11
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