- Bayerischer Rundfunk

Gesundheitsgespräch
Medikamente im Alter
Sendedatum:
18.02.2017
Experten:
Dr. Not-Rupprecht Siegel, ehemals Chefarzt am Geriatriezentrum Neuburg
Prof. Gerd Glaeske, Arzneimittel-Experte an der Universität Bremen
Autorinnen: Monika Dollinger, Beate Beheim-Schwarzbach
Ältere Menschen haben oft mehrere Krankheiten gleichzeitig. Ärzte sprechen
dann von multimorbiden Patienten. So können auch eine schwere
Lungenerkrankung (COPD), eine Schmerz-, eine Herzerkrankung und eine
neurologische Störung wie Morbus Parkinson zusammenkommen - für jede
Erkrankung benötigt der Patient ein eigenes Medikament.
Das Problem: Diese Patienten brauchen einen wirklich sorgfältig arbeitenden
Arzt, der die Wirkung der Medikamente genau kennt. Denn die Tabletten sollten
sich nicht gegenseitig beeinflussen und dann womöglich mehr schaden als
nutzen. Ein falscher Mix an Tabletten kann krank machen.
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Tabletten im Alter - Was ist normal, was zu viel?
Durchschnittlich 7,8 verschiedene Präparate nimmt ein älterer Patient pro Tag
in Tablettenform zu sich, wenn er in einer Klinik ist. 5,6 sind es bei Älteren, die
zu Hause wohnen.
Tabletten im Krankenhaus
Dr. Siegel führt Buch, wie viele Tabletten die Patienten, die zu ihm in die
geriatrische Klinik kommen, täglich schlucken:
•
•
•
•
•
•
Null Tabletten ist sehr selten,
über drei ist ziemlich selten,
acht ist normal,
14 ist relativ häufig,
18 häufig und
der bisherige Höhepunkt lag bei 28 verschiedenen Tabletten mit 13
verschiedenen Wirkstoffen. Dieser Patient setzte also täglich 13
verschiedene chemische Prozesse in seinem Körper in Gang.
Manche Wirkstoffe muss ein Patient dreimal täglich zu sich nehmen, bei
anderen reicht einmal.
"Man muss ehrlich sein und die Wirkstoffe zählen, nicht die Tabletten. Denn die
Tablettenmenge kann hoch sein, obwohl es nur wenige Wirkstoffe sind."
Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg
Beispiel
In der Schmerzbehandlung kann man einen Wirkstoff auf zwei Arten nehmen:
Verteilt auf mehrere Tabletten täglich oder per Pflaster, das einige Tage lang
wirkt. Aber wenn es darum geht, dass die Behandlungen der verschiedenen
Krankheiten sich nicht negativ beeinflussen sollen, muss man auf die
Wechselwirkung der chemischen Substanzen achten und nicht vorrangig
darauf, wie oft der Patient eine Tablette schluckt.
"Mitunter nehmen ältere Patienten Medikamente, die sie gar nicht mehr
brauchen." Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg
Tipp: Medikamenteneinnahme regelmäßig hinterfragen
• Den Arzt regelmäßig fragen, ob man die Tabletten noch immer in der
verschriebenen Dosierung einnehmen soll – egal ob es Mittel sind, die
man schon jahrelang oder erst seit kurzem nimmt.
• Offen sein für Versuche, z.B. von einem Medikament weniger nehmen als
bisher.
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Verwechslungsgefahr von Medikamenten
Viele ältere Patienten füllen ihre Medikamente auf Vorrat in eine sogenannte
Medikamentenschachtel - sie enthält für jeden Wochentag drei Kästchen,
jeweils eines für Früh, Mittag und Abend. Diese Medikamentenschachtel kann
dann zum Problem werden, wenn die Pille ins falsche Kästchen rutscht. Denn
dann nimmt man zwei Pillen zur gleichen Zeit, die man besser nicht zusammen
genommen hätte. Dieses Risiko lässt sich allerdings nicht völlig ausschalten.
Wichtig:
Vor allem die Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, aber auch
Schmerzmitteln (besonders die Opiate) muss genau mit dem Arzt
abgesprochen sein. Denn sie können ältere Menschen so dämpfen, dass es zu
Stürzen kommt. Und Stürze im Alter haben oft fatale Folgen: Unbeweglichkeit,
Vereinsamung, Depression, schwierige Operationen – eine Abwärtsspirale.
"Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein
Ding kein Gift ist." Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus, Schweizer
Arzt, Naturforscher und Philosoph (1493 – 1541)
"Medikamente sind Gifte. Nur die gekonnte Dosierung macht aus, ob sie eine
heilende Wirkung haben." Dr. Siegel in Abwandlung des Ausspruches von
Paracelsus
Für den Notfall gerüstet
Es ist sinnvoll, eine Liste mit sich zu führen, auf der alle Medikamente und ihre
Dosierung stehen. So kann man jederzeit die Fragen von Ärzten, oder auch
einmal im Akutfall von Sanitätern, nach Tabletten beantworten.
Der alte Körper - Wie sich der Organismus verändert
Im Alter verändert sich das Verhältnis von Körperflüssigkeit und
Körperfestmasse. Je älter der Mensch wird, umso trockener wird der Körper:
der Fettanteil wird höher, der Wasseranteil geringer.
Auswirkung auf Medikamente
In der Flüssigkeit verteilt sich der Wirkstoff der Medikamente. Wenn weniger
Flüssigkeit im Körper vorhanden ist, ist bei gleicher Tablettenmenge der
Wirkstoff höher konzentriert. Die chemischen Substanzen der Tabletten werden
im Fettgewebe gespeichert. Je höher der Fettanteil des Körpers desto mehr
Wirkstoff wird dort aufbewahrt.
Die geringere Flüssigkeitsmenge und der höhere Fettanteil im alten Körper
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haben also zwei Wirkungen: Höhere Wirkstoffkonzentration im Blut und
Gewebswasser und eine höhere Speicherdichte im Fettgewebe.
Wichtig:
Diese körperlichen Veränderungen muss der Arzt beim Dosieren der
Medikamente beachten, sonst wirken die Tabletten anders als
beabsichtigt. Aufgrund der körperlichen Veränderungen braucht ein älterer
Patient oft eine geringere Dosis an Tabletten als ein Jüngerer.
Die Dosierungsempfehlungen der Arzneimittelhersteller beruhen auf den
Studien, die während der Zulassung des Medikaments gemacht wurden. Aber
bei diesen Studien nehmen zum allergrößten Teil jüngere (und männliche)
Testpersonen teil, die gesund sind. Die Tablettenmenge, die der Arzt einem
älteren Patienten verschreibt, unterscheidet sich deswegen häufig von denen,
die im Beipackzettel stehen.
Was die Leber leistet
Zu beachten ist auch, wie der Wirkstoff im Körper wieder abgebaut wird, denn
er wird ja nicht für immer gespeichert. Hier spielt die Leber als
Hauptverarbeitungsorgan des Körpers eine große Rolle, man könnte sie auch
als körpereigene Chemiefabrik bezeichnen. Die Leber hat den Vorteil, dass sie
viele Schäden und Alterungsprozesse gut übersteht, bevor sie in ihrer Arbeit
eingeschränkt ist.
Problem: Nieren
Anders ist das bei den Nieren als Hauptausscheidungsorgan des Körpers. Sie
sind ein hochkomplexes Filterorgan. Beim alten Menschen kommen
verschiedene Faktoren zusammen, wie beispielsweise die geminderte
Flüssigkeitsmenge, welche die Arbeit der Nieren beeinflussen. Denn sie hängt
wesentlich von der im Körper enthaltenen Flüssigkeitsmenge ab: Blut,
Gewebeflüssigkeit und Lymphe. Außerdem werden auch die Nieren selbst älter
und filtern nicht mehr so viel wie früher.
Problem Trinken
Dazu kommt, dass Ältere meistens (viel) zu wenig trinken, weil sie kein
Bedürfnis danach haben. Dafür gibt es eine organische Ursache: Das
sogenannte antidiuretische Hormon verhindert, dass der Körper zu viel Wasser
verliert. Dieser Hormonhaushalt verändert sich im Laufe des Lebens mit der
Folge, dass ältere Menschen oft keinen Durst haben.
Tipp: Extra viel trinken
Trinken, trinken und nochmal trinken. Es sollten 1,5 bis 2 Liter am Tag sein,
auch wenn der Durst nicht danach verlangt. Ausnahmen: bei Herzschwäche
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oder stärkerer Niereninsuffizienz. Hier gilt: Strikt an die Anweisung des Arztes
halten!
Wenn das Filtern nicht mehr klappt:
•
•
•
Zum einen funktioniert die Niere nicht mehr so gut.
Zum zweiten wird auch das Herz schwächer und pumpt das Blut nicht
mehr so kraftvoll durch den Körper, unter anderem auch durch die Niere.
Dadurch nimmt die Flüssigkeitsmenge weiter ab.
Und zum dritten ist im alten Körper nicht mehr so viel Flüssigkeit
gespeichert.
Die Folge ist, dass viel mehr Wirkstoff aus den Tabletten im Körper verbleibt,
als das in jüngeren Jahren der Fall war.
Wichtig: Nieren kontrollieren
Bei älteren Menschen muss regelmäßig die Leistung der Nieren untersucht
werden - und zwar bevor stärker wirkende Medikamente gegeben werden,
damit die Menge entsprechend angepasst werden kann.
Regel: Je älter desto weniger
In der Regel brauchen Patienten im Alter eine geringere Menge an Wirkstoff als
im mittleren Erwachsenenalter. Das gilt für alle Medikamente, die über die
Nieren ausgeschieden werden - das sind die meisten Medikamente. Wirkstoffe
hingegen, die über den Darm den Körper verlassen, können gleich dosiert
werden.
Wechselwirkung von Medikamenten: Welche Tabletten sich nicht
vertragen
Zwei Wirkstoffe kann man so prüfen, dass man das Interaktionspotential, also
die gegenseitige Beeinflussung überblickt. Bei mehr Wirkstoffen schleichen sich
Grauzonen ein, d.h. man weiß nicht wirklich, wie sie gegenseitig die Wirkung
verstärken, verändern oder abschwächen.
"Mir ist keine Studie bekannt, die die Wirkung von mehr als vier verschiedenen
Wirkstoffen aufeinander erfasst hat." Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum
Neuburg
Generelle Wechselwirkungen
Wechselwirkungen kommen immer dann zustande, wenn mehrere Arzneimittel
nebeneinander genommen werden. Dann können sich die einzelnen
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Medikamente beeinflussen, so dass die Wirksamkeit entweder geringer oder
stärker wird, Unverträglichkeiten ansteigen und die Nebenwirkungen sich
addieren. Insgesamt potenzieren sich die möglichen Wechselwirkungen
überproportional, je mehr Arzneimittel ein Patient einnimmt.
Verschriebene Medikamente und selbst gekaufte
Der Arzneimittelmarkt bietet heute verschriebene, also
rezeptpflichtige Arzneimittel an und solche, die frei verkäuflich, aber
keineswegs harmlos sind und die man ohne Rezept direkt in der Apotheke
kaufen kann. Vor allem ältere Patienten nehmen oft Medikamente aus beiden
Gruppen gleichzeitig.
"Der Arzneimittelmarkt ist derzeit pro Jahr etwa 1,55 Mrd Packungen schwer,
jeder Bundesbürger kauft im Schnitt 20 Packungen Arzneimittel im Jahr. Doch
fast die Hälfte, dieser Menge (45 Prozent) sind Mittel ohne Rezept. Wenn man
dann nicht darauf achtet, dass dabei Wechselwirkungen entstehen, dann hat
man ein großes Problem übersehen." Prof. Gerd Glaeske, Arzneimittel-Experte
an der Universität Bremen
Problem in der Praxis
Entscheidend ist, dass man die Interaktionen auch wirklich berücksichtigt. Das
bedeutet zuerst einmal, dass der Arzt sie kennt. Die häufigste Wechselwirkung,
die im Alter Probleme macht, ist etwas ganz banales: Es geht dabei um den
Wasserhaushalt des Körpers.
Herz im trockenen Körper
Ein schwaches Herz führt dazu, dass das Blut nicht mehr richtig durch den
Körper gepumpt werden kann.
Ist die rechte Herzhälfte schwach (Rechtsherz-Insuffizienz), so staut sich das
Blut vor dem Herz, und aus den Venen tritt Flüssigkeit in das Gewebe aus: Der
Patient leidet unter Wassereinlagerung in den Beinen, im schlimmsten Fall
auch im Bauchraum.
Ist vor allem die linke Herzhälfte schwach (Linksherz-Insuffizienz), so staut sich
das Blut zurück in die Lunge – es kommt zu starker Atemnot (Lungenödem).
Tabletten gegen Wasser – und dann?
Normalerweise gibt man dann ein Medikament, das die Nierenfunktion anregt,
um diese Wasseranreicherung zu entfernen. Wenn man die
Wasserausscheidung aber beim älteren Menschen anregt, der sowieso zu
wenig Flüssigkeit im Körper hat, dann erhöht man ganz schnell die
Konzentration von Medikamenten, die der Herzschwache Mensch braucht,
damit das Herz einigermaßen arbeitet. Wenn man ein Medikament gegen
Wasserablagerungen gibt, müssen die anderen Medikamente (zum Beispiel
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Bluthochdruckmittel) entsprechend geringer dosiert werden. Wenn man die
Dosierung beibehalten würde, würde die Konzentration steigen und der
Blutdruck vermehrt gesenkt werden, womöglich bis dem Patienten schwindlig
wird.
Studienlage zur Wechselwirkungen
Oft sind auch Medikamente verschiedener Hersteller für Wechselwirkungen
verantwortlich, doch dafür gibt es überhaupt keine systematische Forschung.
Zumindest zeigt eine Studie aus einem englischen Alten- und Pflegeheim, dass
ältere Menschen, die sechs bis acht Arzneimittel mit jeweils einem oder
mehreren Wirkstoffen einnehmen, in 50 bis 80 Prozent mit erheblichen
Wechselwirkungen rechnen müssen.
Wechselwirkungs-Check (Interaktions-Check)
Viele Apotheken prüfen bereits bei ihren Stammkunden, wenn diese schriftlich
eingewilligt haben, ob sich deren Medikamente gegenseitig verstärken,
verringern oder sogar aufheben - zu diesem Zweck nutzen sie bestimmte
Datenbanken. Außerdem fragen Apotheker immer öfter nach, ob Kunden
zusätzlich noch andere Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel nehmen,
für die sie kein Rezept vom Arzt haben, denn auch diese können die Wirkung
der Arzneimittel beeinflussen.
Tipp: Nach Wechselwirkungen fragen
Der Arzt ist der erste Ansprechpartner, aber natürlich kann man auch in der
Apotheke beim Kauf oder Abholen von Medikamenten und anderen Mitteln
nachfragen, ob Wechselwirkungen auftreten können und was man bei der
Einnahme beachten sollte.
Medikationsplan
Seit 01.01.2016 ist das sogenannte E-Health-Gesetz in Kraft. Unter anderem
regelt es, dass seit Herbst 2016 Patienten, die gesetzlich krankenversichert
sind und mehr als drei Medikamente nehmen, ein Anrecht auf eine Liste ihrer
Arzneimittel (vorerst oft in Papierform) haben. Diese Liste kann man dann auch
in der Apotheke vorlegen. Kritiker wenden ein, dass frei verkäufliche
Medikamente (wie z.B. Schlafmittel oder Tabletten wegen
Verdauungsproblemen) nicht auf der Liste auftauchen müssen, wenn der
Patient das aus Gründen des Datenschutzes nicht wünscht. Mögliche
Wechselwirkungen werden dann allerdings nicht erkannt.
Medikamentenanalyse
In einem zweiten Schritt des E-Health-Gesetzes soll ab 2018 dann eine
Medikamentenanalyse durchgeführt werden. Einige Apotheken bieten das
schon jetzt gegen Honorar (ca. 70 €) an. Dabei analysieren Apotheker die
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Wechselwirkungen der individuellen Medikamente, die einem Patienten von
verschiedenen Ärzten (z.B. des Orthopäden, des Augenarztes und des
Internisten) verschrieben wurden. Dahinter steckt: Oft stehen diese Fachärzte
untereinander nicht im Austausch und viele Patienten kaufen ihre Medikamente
in unterschiedlichen Apotheken, so dass kein Arzt oder Apotheker den
Überblick hat. Doch aus ärztlicher Sicht gibt es auch Kritik daran.
"Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient lebt von Vertrauen. Wenn ein Patient
seine Medikamente in der Apotheke analysieren lässt und nicht den Arzt selbst
fragt, ist das Vertrauensverhältnis bereits zerstört, nicht nur gestört, sondern
zerstört." Dr. Not-Rupprecht Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg
Tipps für Patienten
•
•
•
•
Sich selbst ehrlich eingestehen, was Probleme bereitet, wo es im Alltag
gesundheitliche Einschränkungen gibt.
Auf eindeutigen Diagnosen bestehen.
Dem Arzt ehrlich erzählen, welche Medikamente man nimmt. Auch über
Tabletten reden, für die man kein Rezept braucht wie z.B. Schmerzmittel.
Den Arzt fragen, ob er sich in Geriatrie fortgebildet hat, damit er die
Besonderheiten bei der Therapie älterer Patienten auch wirklich kennt.
Wichtig: Immer mit dem Arzt sprechen
Medikamente nicht einfach selbst weglassen, sondern immer in Absprache mit
dem Arzt reduzieren oder wechseln!
Symptome im Alter - Reaktion auf zu viele Medikamente
Schwindel, Müdigkeit, Verdauungsprobleme – das sind nur einige der
Symptome, die auftreten können, wenn die Medikation nicht stimmt, wenn man
z.B. zu viel von einem Medikament nimmt oder wenn sich die verschiedenen
Tabletten nicht miteinander „vertragen“.
Liste der Symptome
• Stürze
• Verwirrung
• Schwindel
• Schlafstörungen
• Verstopfung
• Durchfall
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"Auch auf so etwas wie Hautausschläge sollte man achten, denn das kann eine
Allergie auf ein neues Medikament sein. Und auch Allergien darf man nicht
unterschätzen. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu einem Herzstillstand als
schwere allergische Reaktion kommen." Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum
Neuburg
Beispiele
Wasser in den Beinen kann durch die erhöhte Einnahme von bestimmten
Schmerzmitteln entstehen (siehe Punkt „Arthrose vs. Bluthochdruck“ weiter
unten).
Schwindel oder Gleichgewichtsprobleme, die beinahe in Stürze münden,
können durch zu viel oder mit anderen Mitteln zusammenwirkende
Beruhigungs- oder Schlafmittel hervorgerufen werden.
Schwindel oder Gleichgewichtsprobleme können aber auch durch zu viel
wassertreibende Medikamente ausgelöst werden.
Verdauungsprobleme
Opiate lähmen die Darmfunktion. Deswegen bekommen Patienten mit einem
chronischen Schmerzleiden, falls sie Opiate nehmen, auch immer einen
Wirkstoff, der den Darm in Gang hält. Das kann auch ein Quellstoff sein, den
man regelmäßig mit dem Essen aufnimmt.
Ferner reagiert der ganze Magen-Darm-Trakt empfindlich auf sogenannte
nichtsteriodale Antirheumatika.
Auch löst beispielsweise ACC bei 50 Prozent der Menschen Magenschmerzen
aus.
Reduktion von Medikamenten
Ältere Menschen, die sich an bestimmte Medikamente gewöhnt haben, tun sich
oft schwer, diese wegzulassen, oder durch andere, wie z.B. Generika
(Nachahmerprodukte), zu ersetzen, auch wenn der Arzt dazu rät.
"Dahinter steckt meiner Erfahrung nach, dass Patienten Angst davor haben. Sie
empfinden ihre Situation als ausgeglichen und wollen sie nicht verändern,
fühlen sich stabil, können damit umgehen und wollen sich nicht damit
auseinandersetzen." Dr. Siegel, ehem. Geriatriezentrum Neuburg
PRISCUS-Liste
Wissenschaftler der Universität Witten Herdecke haben eine Liste mit
Wirkstoffen erstellt, die für ältere Menschen problematisch sein können – die
sogenannte PRISCUS-Liste. Hier finden sich zurzeit 83 Substanzen. Kostenlos
herunterzuladen unter:
http://priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf
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Krankheiten im Alter - Arthrose vs. Bluthochdruck
Nichtsteriodale Antirheumatika (wie Ibuprofen und Diclofenac), die viele ältere
Patienten gegen Schmerzen bei Arthrose nehmen, sind hochwirksame und
aber auch hoch-nebenwirkungsreiche Medikamente.
Die wesentliche Nebenwirkung ist die Erhöhung des Blutdrucks. Dieser
wiederum ist gefährlich für das Herz. Aber ohne Schmerzmittel geht es oft nicht.
Was tun?
"Grundsätzlich gilt: Ibuprofen, Diclofenac, Coxibe oder ähnliche Wirkstoffe
sollten ältere Patienten ohne ärztlichen Ratschlag überhaupt nicht nehmen.
Auch wenn man sie teilweise einfach in der Apotheke holen kann. Aber sie sind
gefährlich bei Menschen mit u.a. schwachen Nieren und Herzen, Bluthochdruck
oder Diabetes." Dr. Siegel, ehemals Geriatriezentrum Neuburg
Ein typischer Fall
Ein Patient hat Arthrose und erhöhten Blutdruck. Die Arthrose schränkt ihn
aufgrund der Schmerzen sehr im Alltag ein: Er geht nicht regelmäßig einkaufen
und ernährt sich deswegen mangelhaft. Er nimmt nicht mehr am sozialen
Leben teil und lässt sich daraufhin gehen, d.h. er achtet nicht mehr auf sein
Wohlbefinden und seine Gesundheit. Um diese Abwärtsspirale zu verhindern,
müssen die Arthroseschmerzen gut behandelt werden. Kann man, um
Wechselwirkungen zu vermeiden, die Medikamente gegen Bluthochdruck
verringern und einen nicht optimal eingestellten Blutdruck hinnehmen?
Die Antwort des Geriaters
Manchmal muss der Arzt abwägen, wie hoch die einzelnen Medikamente
dosiert werden müssen.
Grundsätzlich kann man eine Abwägung durchaus vornehmen. Aber was
passiert, wenn der Bluthochdruck etwas zu hoch bleibt (z.B. 160 zu 100)? Die
Folge wären Gefäßerkrankungen am Herzen und im Gehirn. Auch ein
Schlaganfall wäre ein nicht diskutables Risiko, da schwerste Behinderungen
und eine extreme Pflegebedürftigkeit die Folge sein können.
Start low, go slow
Deswegen gilt für jede Abwägung zwischen sich negativ beeinflussenden
Medikamenten folgende Regel: Sanft anfangen und langsam verändern. Man
kann ruhig niedrig dosieren, dann gut beobachten, wie das wirkt, und (am
besten in Abstimmung mit dem Hausarzt) langsam mehr nehmen.
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"Bei älteren Patienten wirken manchmal Dosierungen, bei denen die
Pharmafirma sagen würde, das sei eine homöopathische Dosis. Darauf geben
Altersmediziner überhaupt nichts. Denn wir wissen, dass bei Älteren oft wenig
Wirkstoff reicht." Dr. Siegel, ehem. Geriatriezentrum Neuburg
Gerade in der Schmerztherapie gibt es viele Beispiele, dass man weniger
Wirkstoff verschreiben kann. Entscheidend ist, dass der Patient mit dem
Erreichten zufrieden ist. Oft reicht es, dass der Patient das Gefühl hat:
‚Bewegungsschmerzen sind zwar nicht angenehm, aber sie quälen mich auch
nicht. ‘ Das ist durchaus ein Ziel, das Arzt und Patient zusammen besprechen
können, wenn sich dadurch gefährlich hohe Dosierungen von Medikamenten
vermeiden lassen.
Wichtig: Die Nieren kontrollieren
Nichtsteriodale Antirheumatika werden außerdem über die Nieren
ausgeschieden. Deswegen muss gerade bei Patienten, die Schmerzmittel
nehmen, die Nierenfunktion regelmäßig kontrolliert werden.
Tipp: Was man bei kranken Nieren nehmen kann
Patienten, die eine eingeschränkte Nierenfunktion haben, sollten eher Opiate
als herkömmliche Schmerzmittel nehmen, wenn eine dauerhafte
Schmerzmedikation erforderlich ist. Das muss natürlich genau mit dem Arzt
besprochen werden. Denn für Patienten mit neurologischen Störungen oder
auch Gedächtnisschwierigkeiten sind Opiate weniger geeignet, weil sie
Prozesse im Gehirn dämpfen.
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