Der Pfarrer von Zorneding - Bayernkommentar - Bayern 2

Manuskript
Der Bayernkommentar
Die Wirklichkeit passt nicht in eine Schlagzeile
Von Eva Lell
Redaktion Landespolitik
Samstag, 12. März 2016
11.50 Uhr in der Bayernchronik
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
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Viele Nicht-Bayern sahen am Anfang der Woche genüsslich ihr Klischee bestätigt,
dass diese hinterwälderische bayerische Landbevölkerung mit rassistischer Hetze
einen aus dem Kongo stammenden Pfarrer zum Rücktritt zwingt. Die Wirklichkeit aber
passt selten in eine Schlagzeile. Das gilt auch für Zorneding. Manche Mitglieder der
Kirchengremien waren vom Versetzungsgesuch von Pfarrer Ndjimbi Tshiende nicht
überrascht, wunderten sich allerdings über die Begründung. Denn schon länger gab es
Probleme zwischen Pfarrer und Kirchenverwaltung und in der Zusammenarbeit mit
dem Pfarrgemeinderat. Das gehört zur Wahrheit dazu. Es relativiert aber nicht, dass
der tatsächliche Rücktrittsgrund, den Pfarrer Ndjimbi Tshiende genannt hat, heftige
rassistische Anfeindungen und Morddrohungen waren. Den Anfang nahm der Konflikt
im Herbst: die damalige CSU-Ortsvorsitzende hetzte im örtlichen CSU-Mitteilungsblatt
gegen Flüchtlinge, der Pfarrer stellte sich dagegen. Dass der Konflikt eskalierte und in
anonymen
Morddrohungen
endete,
zeigt,
dass
auch
Lokalpolitiker
große
Verantwortung haben. Sie dürfen Konflikte nicht noch befeuern, sondern müssen
Probleme deutlich, aber sachlich benennen. Es ist gut, dass jetzt viele aufstehen und
ihre Solidarität mit dem Pfarrer ausdrücken. Kardinal Marx versucht, den Konflikt nicht
weiter zu verschärfen. Für ihn ist Zorneding ein Einzelfall. Er hat erklärt, dass die
ausländischen Pfarrer in seinem Bistum München-Freising keiner besonderen
Bedrohung ausgesetzt seien.
Marx plädiert für Gelassenheit und hat Recht damit. Es gilt aber auch: Die Politik muss
Lösungen in der Flüchtlingskrise finden und die Gesellschaft muss zu einer
respektvollen Form der Auseinandersetzung zurückfinden. Im Großen wie im Kleinen.
Die Kirche hat als Teil der Gesellschaft die Funktion, auf Frieden und Verständigung zu
setzen. Zum Teil ist das im Kleinen gelungen: Pfarrer Ndjimbi Tshiende ließ mitteilen,
er habe sich mit den CSU-Lokalpolitikern ausgesprochen und versöhnt. Und die Kirche
als Ganzes? Sie hat keine Wahl: Was sollen Kirchenleute und Christen denn in der
Flüchtlingskrise
anderes
machen,
als
die
christlichen
Werte
verteidigen?
Barmherzigkeit, Nächstenliebe und das Einstehen für die Schwachen sind der Kern der
Botschaft Jesu. Wenn anonyme Hetzer, die angeblich den Untergang des christlichen
Abendlandes befürchten, genau die Kirchenleute angehen, die für die christlichen
Grundwerte eintreten, entlarven sie sich selbst.
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