Magen und Darm - Bayerischer Rundfunk

Gesundheitsgespräch
Magen-Darm-Erkrankungen
Sendedatum:
09.07.2016
Experten:
Professor Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums
Hamburg-Eppendorf
Dr. med. Artur Wölfel, Internist und Chefarzt am Krankenhaus für
Naturheilweisen in München
Autorin: Prisca Straub
"Schwer im Magen liegen", "auf den Magen schlagen", "Schiss haben" - hinter
solchen Sätzen verbirgt sich die Verbindung zwischen Psyche und Verdauung.
Stress und Angst können Auslöser für Verdauungsprobleme sowie einen
nervösen Magen und Darm sein.
Dass die Art und Weise, wie wir leben und essen, auch eine entscheidende
Rolle bei der sogenannten Refluxkrankheit spielt, sieht man daran, dass ihre
Häufigkeit in den westlichen Industrieländern kontinuierlich zugenommen hat.
Den Patienten zum Nachdenken und Ändern der Lebensstilfaktoren anzuregen,
das sollte vom Arzt wenigstens genauso engagiert betrieben werden, wie der
Griff zum Rezeptblock.
Der nachfolgende Text basiert auf einem Gespräch mit Professor Burkhard
Göke, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, und
dem Internisten und Arzt für Naturheilkunde Dr. Artur Wölfel vom Krankenhaus
für Naturheilweisen in München.
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Seite 1
Reflux - Brennen im Brustkorb
Reflux bedeutet zunächst einfach nur, dass Mageninhalt in die Speiseröhre
aufsteigt. Der Grund hierfür ist oft Stress. Auch bei Gesunden passiert das
sechs- bis achtmal am Tag - bei Menschen mit einer Refluxerkrankung aber
wesentlich häufiger.
Wenn der aufsteigende Mageninhalt sehr sauer ist, fast so wie reine Salzsäure,
wird eine Speiseröhrenentzündung ausgelöst. Sodbrennen nennt sich der
Schmerz, der durch den Entzündungsreiz in der Speiseröhre entsteht.
Zwischen 20 und 30 Prozent der Deutschen - vor allem Männer - leiden an
einem behandlungswürdigen Rückfluss von Magensäure.
Reflux - ein modernes Leiden
"Die Zahl der Erkrankten schwankt regional erheblich, auch zwischen den
westlichen Ländern, was auf Ernährungs- bzw. Umweltfaktoren hinweist. Seit
kurzem ist klar, dass die Zunahme von Gewicht Reflux begünstigt: Wo es mehr
übergewichtige Menschen gibt, gibt es auch mehr Refluxprobleme. Gesichert
ist, dass Fett, Schokolade, Alkohol und Kaffee Sodbrennen begünstigen. Der
konsequente Verzicht auf das Rauchen ist sehr hilfreich, auch gegen die
Entwicklung von Krebs." Prof. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
"Eine Gewichtsnormalisierung ist der erste, entscheidende Faktor: Je mehr
Kilos, desto häufiger Sodbrennen. Die Beschwerden bilden sich meist im
Rahmen einer Gewichtsreduktion zurück. Eine Beeinflussung des aggressiven
Magensaftes lässt sich in erster Linie durch eine Ernährungsumstellung
erreichen. Verzicht auf Kaffee, Nikotin und Alkohol ist zwingend. Säurebildende
Nahrungsmittel wie Zucker, Weißmehlprodukte, Fleisch und Wurstwaren
begünstigen die Beschwerden ebenso wie Zitrusfrüchte, Aprikosen oder
Pflaumen." Dr. Artur Wölfel vom Krankenhaus für Naturheilweisen in München
Harlaching
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Seite 2
Magen-Erkrankungen - Tabletten oder Operation?
Wenn sehr viel Mageninhalt nach oben fehlverteilt wird, brennt nicht nur die
Speiseröhre, es können auch Heiserkeit, Karies und Asthmabeschwerden
entstehen. Die klassische Medizin greift deshalb zu Säureblockern, den
sogenannten Protonenpumpenblockern.
"Diese Medikamente sind bewährt und sicher." Prof. Burkhard Göke, Ärztlicher
Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
Moderne Therapieansätze folgen dem "on demand"- (bei Bedarf) Konzept: Man
nimmt Säureblocker nur bei Beschwerden ein. In symptomfreien Zeiten
verzichtet man darauf. Voraussetzung ist aber, dass keine durch Endoskopie
nachweisbare, schwerwiegende Schleimhautschädigung vorliegt.
Operation bei anhaltenden Beschwerden
Falls eine langjährige, eventuell auch lebenslange Dauertherapie mit Tabletten
bevorsteht, kann auch operiert werden.
"Über eine Operation sollte man aber auch bei massiven, anhaltenden
Refluxbeschwerden nachdenken, um Folgeschäden zu vermeiden." Prof.
Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums HamburgEppendorf
Heute werden Operationen mit "Knopflochchirurgie" angeboten, wobei nicht
immer garantiert werden kann, dass anschließend gar keine Säureblocker mehr
notwendig sind.
"Letztlich ist eine OP, die eine 'Manschette' um den Mageneingang legt, für
deutlich weniger Menschen geeignet als eine Tablettentherapie." Prof. Burkhard
Göke, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
Alternative endoskopische Verfahren, die den Mageneingang durch
Narbenbildung oder Nähte in der Speiseröhre enger machen, um Reflux zu
verhindern, haben sich nicht durchgesetzt:
"Sie sind aus meiner Sicht zu aufwendig, gefährlich und weniger effizient als
eine OP." Prof. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums
Hamburg-Eppendorf
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Seite 3
Therapie: gesund leben und entspannen
"Es kann nicht die Lösung des Problems sein, dass wir einen Großteil der
Bevölkerung zwingend einer Langzeittherapie mit Säureblockern aussetzen.
Vor allem bei normalgewichtigen Patienten spielt die Notwendigkeit der
Minderung des Alltagstresses eine große Rolle. Entspannungsübungen,
ausreichend Schlaf und regelmäßige körperliche Bewegung wirken sich positiv
aus. Die klassische Homöopathie kann zu einer verbesserten
Stressverarbeitung des Patienten beitragen. Ich kann von Fällen berichten, in
denen durch Homöopathie der Medikamentengebrauch selten und sporadisch
wurde." Dr. Artur Wölfel vom Krankenhaus für Naturheilweisen in München
Harlaching
Risiko Speiseröhrenkrebs
Zu den wichtigsten Risikofaktoren für Speiseröhrenkrebs zählen Rauchen und
ein erhöhter Alkoholkonsum.
"Reflux ist ein weiterer, zunehmend an Bedeutung gewinnender Risikofaktor."
Prof. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums HamburgEppendorf
Chronischer Säurerückfluss fördert die Entstehung von krankhaften
Veränderungen in der unteren Speiseröhre, und es gilt heute als
wissenschaftlich erwiesen, dass diese Zellveränderungen eine Vorstufe für
Speiseröhrenkrebs darstellen. So besteht bei Patienten mit starken
Zellveränderungen durch chronischen Reflux (hochgradige Dysplasie) ein
Risiko von 40 Prozent, innerhalb von zehn Jahren ein Karzinom zu entwickeln.
Reizmagen – Ein nervöser Magen
"Nervöser Magen" oder "Reizmagen" werden oft Beschwerden genannt, die
keine organische Ursache haben.
"Es gibt eindeutig Menschen, die einen besonders empfindsamen Magen
haben. Ein großer Teil hat keinen durch Endoskopie objektivierbaren Befund.
Wir nennen dies dann 'funktionelle Dyspepsie'." Prof. Burkhard Göke, Ärztlicher
Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
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Seite 4
Hintergrund kann Stress sein. Denn bei anhaltendem Stress ist der Magen zu
wenig durchblutet und die Muskeln schaffen es nicht, die Nahrung mit der
Magensäure gut zu durchmischen.
Empfindlich auf Unregelmäßigkeiten
Wer einen anstrengenden Job mit unregelmäßigen Essenszeiten kombiniert,
hat in punkto Magengesundheit besonders schlechte Karten. Doch nicht nur
das unregelmäßige, sondern besonders auch das hastige Essen schadet.
Tipp:
"Wer einen stressigen Job und für Essen nie viel Zeit hat, sollte sich an
fettarme, leichte Mischkost halten: Apfel statt Schokoriegel, Salat statt Pommes
Frites. Alkohol und Rauchen sollte gemieden werden, denn beides 'lockt' die
Säure und begünstigt den Reflux." Prof. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
Die richtige Ernährung
"Individuelle Nahrungsmittelunverträglichkeiten muss jeder Patient für sich
selbst herausfinden. Die Intoleranzen sind unspezifisch, das heißt nicht auf eine
organisch begründbare Verdauungsstörung zurückzuführen. Gerade die sehr
gesunden ballaststoffreichen Nahrungsmittel können Probleme bereiten. Ein
gelegentliches therapeutisches Fasten kann entlastend wirken und im Sinne
der klassischen Naturheilkunde die Verträglichkeitstoleranz verbessern." Dr.
Artur Wölfel vom Krankenhaus für Naturheilweisen in München Harlaching
Die sauren Deutschen und ihre Abführmittel
Ernähren sich die Deutschen zu sauer?
"Nein, sie ernähren sich zu fett! Die im Magen produzierte Salzsäure kann
saures Essen nicht stoppen" Prof. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
Und: Wer unter Verstopfung leidet, gehört zum Arzt.
"Neu auftretende Verstopfung bei Menschen über 50 erfordert eine
Dickdarmspiegelung. Ist eine reine Darmträgheit oder auch allgemeine
Bewegungsarmut die Ursache, sollte die Ernährung auf eine ballaststoffreiche
Mischkost umgestellt und zu körperlicher Aktivität ermuntert werden. Reicht das
nicht aus, kann mit Weizenkleie bzw. verschiedenen Quellmitteln nachgeholfen
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Hamburg-Eppendorf
Homöopathie für den Magen
"In der Homöopathie muss man die individuellen Symptome des Patienten
genau kennen. Denken Sie an den Schneider Böck von Willhelm Busch: Nach
heftigem Ärger über Max und Moritz bekommt er krampfartige
Magenschmerzen, die sich durch Zusammenkrümmen, festen Druck und
Wärme in Form eines Bügeleisens lindern lassen. Das ist für den Homöopathen
ein klarer Fall von Colocynthis. Schlägt sich aber eine chronisch anhaltende
Kränkung, eine Wut, die geschluckt werden muss, auf den Magen, verordnen
wir eher Staphisagria. Die Verordnung sollte aber in jedem Fall ein Arzt
vornehmen!" Dr. Artur Wölfel vom Krankenhaus für Naturheilweisen in
München Harlaching
Helicobacter pylori
Noch vor zwei Jahrzehnten galten Stress und Übersäuerung des Magens als
die wichtigsten Auslöser für Magenschleimhautentzündung (Gastritis),
Magengeschwüre und sogar Magenkrebs. Heute steht ein neuer Keim im
Brennpunkt der Wissenschaft: Helicobacter pylori kommt als Ursache für
Gastritis und Geschwüre in Frage. Eine Infektion mit Helicobacter hat aber mit
der Auslösung von Reflux nichts zu tun.
Reizdarm - Viele Störungen, ein Begriff
Typisch für den Reizdarm sind sehr unterschiedliche Beschwerden: Durchfall
und Verstopfung - auch im Wechsel - uncharakteristische Bauchschmerzen,
Völlegefühl, Blähungen, Schleimabgang beim Stuhlgang oder das Gefühl der
inkompletten Stuhlentleerung. Unter dem Begriff Reizdarm fasst man eine
Summe mehrerer Symptome ohne erkennbare Ursache zusammen.
Überempfindlichkeit: Nerven - Nahrung – Stress
Hinter Stuhlunregelmäßigkeit und Blähungsneigung steckt eine sogenannte
Motilitäts-Störung. Die Darm-Motilität, also die Darmbeweglichkeit, wird
normalerweise durch einen Dehnungsreiz in Gang gesetzt. Der Darm füllt sich,
dehnt sich und das Nervensystem bekommt den Reiz, den Darm
zusammenzukrampfen und somit den Stuhl weiterzuschieben. Bei Patienten mit
Reizdarm funktioniert dieser Vorgang nicht: Entweder ist ihr Darm zu träge
(Verstopfung) oder hypermobil (Durchfall). Sowohl die Schulmedizin als auch
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die Naturheilkunde setzen zuerst auf Entkrampfung und Schmerzlinderung.
Häufig besteht auch eine Überempfindlichkeit gegenüber sehr fetthaltigen und
ballaststoffreichen Speisen. Die Patienten müssen deshalb herausfinden, ob
die Beschwerden mit bestimmten Nahrungsmitteln zusammenhängen.
Welche Rolle die Psyche spielt
"Patienten mit Reizdarmsyndrom leiden oft zusätzlich an funktionellen
Erkrankungen, die psychosomatisch begründet sind: psychovegetative
Erschöpfung, Ängste, Depressionen, Kreislauflabilität oder
Reizblasensymptome, Menstruationsbeschwerden und muskuläre
Verspannungen. In Einzelfällen kann eine medikamentöse Therapie mit
Psychopharmaka sinnvoll sein." Dr. Artur Wölfel vom Krankenhaus für
Naturheilweisen in München Harlaching
Medizin am Scheideweg
Schulmedizin:
Schulmediziner Prof. Burkhard Göke:
"Reizdarm ebenso wie nervöser Reizmagen sind lästige, aber letztlich
ungefährliche Zustände. Am wichtigsten ist, dass der Schulmediziner
überflüssige, belastende Diagnostik vermeidet und eine Übertherapie
verhindert. Heilen kann man diese funktionellen Störungen nicht, wohl aber die
Beschwerden lindern. Letztlich ist wichtig, dass der Patient die Beschwerden
eher als 'persönlichkeitsspezifische Merkmale' denn als Erkrankung
wahrnimmt."
Komplementäre Medizin:
Naturheilkundler Dr. Artur Wölfel:
"Derjenige, der unter Blähungen leidet, muss auslösende Nahrungsmittel
meiden (Hülsenfrüchte, Kohlsorten, Zwiebeln, in Fett gebratene Speisen). Der
'Durchfalltyp' sollte Ballaststoffe (zum Beispiel Apfelpektin) einnehmen, weil sie
den Stuhl eindicken. Und derjenige, der unter Verstopfung mit Blähungen leidet,
braucht wasserlösliche Ballaststoffe (Flosamen), weil das die mildeste Art der
Kontraktionssteigerung des Darmes ist."
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