Kita-Streiks - Bayerischer Rundfunk

Manuskript
Der Bayernkommentar
Die Kinderbetreuung hat viele Baustellen
Von Ernest Lang
Redaktion Landespolitik
Samstag, 16. Mai 2015
11.50 Uhr in der Bayernchronik
Bayern 2-Hörerservice
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Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum
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Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache
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© Bayerischer Rundfunk 2015
Seite 1
Gott sei Dank, die erste Woche ist geschafft! Viele junge Eltern werden diesen Seufzer heute
ausstoßen und gleichzeitig mit Bangen auf die nächste Woche und die daran anschließenden
Pfingstferien schauen. Der Streik der Erzieherinnen an den städtischen und gemeindlichen
Kindertagesstätten hat das Improvisationstalent und das Nervenkostüm vieler Eltern, die
Hilfsbereitschaft der Großeltern und Nachbarn oder die Geduld der Arbeitgeber strapaziert.
Die Kindergärtnerinnen streiken für eine deutlich bessere Bezahlung, und sie finden dafür
sogar Verständnis bei vielen Eltern, die doch die Leidtragenden des Streiks sind. Aber den
Streik des Kitapersonals nur auf die Auseinandersetzung um eine Lohnerhöhung zu
reduzieren, das wäre zu kurz gesprungen.
Natürlich fühlen sich vor allem die Erzieherinnen nach einer fünfjährigen Ausbildung
unterbezahlt, wenn sie als Anfängerinnen 2000 Euro und als Leiterinnen 4000 Euro
bekommen. Auch die Kinderpflegerinnen, die oft die gleiche Arbeit bei geringerem Lohn
leisten, wollen mehr Geld. Moralische Unterstützung erhalten sie von verständnisvollen Eltern
und sogar aus dem Bayerischen Sozialministerium. Sozialministerin Emilia Müller sagt, sie sei
ebenfalls der Ansicht, dass man Kindergärtnerinnen besser bezahlen müsse. Die Ministerin
zeigt dabei in aller Unschuld mit dem Finger auf die Städte und Gemeinden, deren Sache es
ist, Tarifverhandlungen mit ihrem Kindergartenpersonal zu führen. Hier wird der Schwarze
Peter einfach weiter geschoben.
Die Kommunen, die ein Drittel der Personalkosten tragen müssen und dazu zusätzlich noch
den Sachaufwand für die Kindertagesstätten und mögliche Defizite, verweisen aber auf ihre
leeren Kassen. Bei einer besseren Bezahlung des Personals müsste die Kindergartengebühr
deutlich erhöht werden. Das wiederum würde den Eltern nicht gefallen. Es ist derzeit eher
opportun, einen kostenlosen Kindergarten zu verlangen. Denn die Schule ist ja auch
kostenfrei, und Bildungsarbeit werde auch in den Kindergärten geleistet, so die nicht völlig von
der Hand zu weisende Argumentation.
In der Tat hat sich in den Kindergärten in den vergangenen Jahrzehnten viel geändert.
Pädagogische Konzepte, Vorschulunterricht und Leitbilder sind vorgeschrieben. Die
staatlichen Zuschüsse werden nach einem komplizierten Schlüssel ermittelt, in dem
Belegungszeiten eine Rolle spielen und ob behinderte oder ausländische Kinder die Kita
besuchen. Das heißt aber auch, dass die Gruppenleiterinnen mit der Erstellung von
Protokollen und mit Bürokratie stark eingespannt sind, Zeit, die ihnen bei ihrer Arbeit mit den
Kindern fehlt. Seitens der Eltern gibt es aber hohe Erwartungen an das Personal: Robuste
Erziehungsmethoden wie vor 40 Jahren, als es auch mal einen Klapps auf die Finger geben
durfte oder das Motto meiner Großmutter galt „Dreck macht Speck“, wenn wir den Mund voller
Sand hatten, sind heute verpönt. Junge Eltern wollen für ihre Kleinen nur das Allerbeste, das
pädagogische Rad wird mit jedem Kindergartenjahr neu erfunden. Wenn dann noch
verwöhnte kleine Prinzen in den Gruppen sind oder Kinder, die kein Wort Deutsch verstehen,
dann liegen auch bei engagierten Erzieherinnen schnell die Nerven blank.
Im Übrigen: Bundes- und Landesregierungen haben selbst die idealen Voraussetzungen für
den Streik des Kindergartenpersonals geschaffen: Der Rechtsanspruch auf einen
Betreuungsplatz hat zwar zum Bau vieler neuer Kindertagesstätten geführt. Aber deren Träger
raufen sich jetzt um das Personal, es gibt viel zu wenige Kindergärtnerinnen. Diese
Notsituation der Arbeitgeber ist geradezu eine Einladung an die Gewerkschaft, jetzt ihre
Forderungen durchzusetzen – notfalls eben mit weiteren Streiks.
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