Manuskript Der Bayernkommentar Die Kinderbetreuung hat viele Baustellen Von Ernest Lang Redaktion Landespolitik Samstag, 16. Mai 2015 11.50 Uhr in der Bayernchronik Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0 18 01 / 10 20 33 (Der Anruf kostet 4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz / Mobilfunk max. 42 Cent/Min.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 1 Gott sei Dank, die erste Woche ist geschafft! Viele junge Eltern werden diesen Seufzer heute ausstoßen und gleichzeitig mit Bangen auf die nächste Woche und die daran anschließenden Pfingstferien schauen. Der Streik der Erzieherinnen an den städtischen und gemeindlichen Kindertagesstätten hat das Improvisationstalent und das Nervenkostüm vieler Eltern, die Hilfsbereitschaft der Großeltern und Nachbarn oder die Geduld der Arbeitgeber strapaziert. Die Kindergärtnerinnen streiken für eine deutlich bessere Bezahlung, und sie finden dafür sogar Verständnis bei vielen Eltern, die doch die Leidtragenden des Streiks sind. Aber den Streik des Kitapersonals nur auf die Auseinandersetzung um eine Lohnerhöhung zu reduzieren, das wäre zu kurz gesprungen. Natürlich fühlen sich vor allem die Erzieherinnen nach einer fünfjährigen Ausbildung unterbezahlt, wenn sie als Anfängerinnen 2000 Euro und als Leiterinnen 4000 Euro bekommen. Auch die Kinderpflegerinnen, die oft die gleiche Arbeit bei geringerem Lohn leisten, wollen mehr Geld. Moralische Unterstützung erhalten sie von verständnisvollen Eltern und sogar aus dem Bayerischen Sozialministerium. Sozialministerin Emilia Müller sagt, sie sei ebenfalls der Ansicht, dass man Kindergärtnerinnen besser bezahlen müsse. Die Ministerin zeigt dabei in aller Unschuld mit dem Finger auf die Städte und Gemeinden, deren Sache es ist, Tarifverhandlungen mit ihrem Kindergartenpersonal zu führen. Hier wird der Schwarze Peter einfach weiter geschoben. Die Kommunen, die ein Drittel der Personalkosten tragen müssen und dazu zusätzlich noch den Sachaufwand für die Kindertagesstätten und mögliche Defizite, verweisen aber auf ihre leeren Kassen. Bei einer besseren Bezahlung des Personals müsste die Kindergartengebühr deutlich erhöht werden. Das wiederum würde den Eltern nicht gefallen. Es ist derzeit eher opportun, einen kostenlosen Kindergarten zu verlangen. Denn die Schule ist ja auch kostenfrei, und Bildungsarbeit werde auch in den Kindergärten geleistet, so die nicht völlig von der Hand zu weisende Argumentation. In der Tat hat sich in den Kindergärten in den vergangenen Jahrzehnten viel geändert. Pädagogische Konzepte, Vorschulunterricht und Leitbilder sind vorgeschrieben. Die staatlichen Zuschüsse werden nach einem komplizierten Schlüssel ermittelt, in dem Belegungszeiten eine Rolle spielen und ob behinderte oder ausländische Kinder die Kita besuchen. Das heißt aber auch, dass die Gruppenleiterinnen mit der Erstellung von Protokollen und mit Bürokratie stark eingespannt sind, Zeit, die ihnen bei ihrer Arbeit mit den Kindern fehlt. Seitens der Eltern gibt es aber hohe Erwartungen an das Personal: Robuste Erziehungsmethoden wie vor 40 Jahren, als es auch mal einen Klapps auf die Finger geben durfte oder das Motto meiner Großmutter galt „Dreck macht Speck“, wenn wir den Mund voller Sand hatten, sind heute verpönt. Junge Eltern wollen für ihre Kleinen nur das Allerbeste, das pädagogische Rad wird mit jedem Kindergartenjahr neu erfunden. Wenn dann noch verwöhnte kleine Prinzen in den Gruppen sind oder Kinder, die kein Wort Deutsch verstehen, dann liegen auch bei engagierten Erzieherinnen schnell die Nerven blank. Im Übrigen: Bundes- und Landesregierungen haben selbst die idealen Voraussetzungen für den Streik des Kindergartenpersonals geschaffen: Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz hat zwar zum Bau vieler neuer Kindertagesstätten geführt. Aber deren Träger raufen sich jetzt um das Personal, es gibt viel zu wenige Kindergärtnerinnen. Diese Notsituation der Arbeitgeber ist geradezu eine Einladung an die Gewerkschaft, jetzt ihre Forderungen durchzusetzen – notfalls eben mit weiteren Streiks. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0 18 01 / 10 20 33 (Der Anruf kostet 4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz / Mobilfunk max. 42 Cent/Min.) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Seite 2
© Copyright 2024 ExpyDoc