Nach den Attentaten - Bayernkommentar - Bayern 2

Manuskript
Der Bayernkommentar
Angst verwirrt
Von Rudolf Erhard
Redaktion Landespolitik
Samstag, 26. März 2016
11.50 Uhr in der Bayernchronik
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
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Es ist immer wieder das Gleiche. Kommt der Terror näher, wie jetzt bei den grausamen
Attentaten in Brüssel, schrillen auch bei uns in Windeseile die Alarmglocken. Der Bayerische
Innenminister wird mit besorgten Fragen überrannt. Er berichtet von keinen konkreten
Anschlagshinweisen in Deutschland oder gar Bayern. Aber natürlich müssten wir mit allem
rechnen. Dann wird nachgebohrt und plötzlich ist doch von einem erhöhten Anschlagsrisiko
die Rede. Das bleibt dann hängen. Terror macht Angst, all das Reden darüber noch mehr.
Bilder und Worte überfluten uns. Viel zu viele fühlen sich berufen, die Gründe für den Terror
zu kommentieren. Auch Analysen zu Schwachstellen unserer Sicherheit erreichen schnell
die landespolitische Ebene. Wenn da die Grünen warnen, vorschnelle Forderungen nach
verschärfter Sicherheit seien jetzt die falsche Reaktion, wird bei der CSU gleich der Hammer
rausgeholt. „Grüne dürfen nicht zum Sicherheitsrisiko für unsere Bürgerinnen und Bürger
werden“, tönt es markig aus der Landtags-CSU. Die seien doch gegen alles, was mehr
Sicherheit bringt: Von Videoüberwachung unserer öffentlichen Plätze, über elektronische
Spurensicherung, bis hin zum Datenaustausch ausländischer Geheimdienste. Reflexartige
Schuldzuweisungen und schnelle Erkenntnisse mit hohem Wiederholungsfaktor. Vom
„Scheitern des internationalen Anti-Terror-Kampfes“, über „Sicherheit geht vor Datenschutz“
oder den „heiklen Datenaustausch“ in der EU. Die Medien sind voll, das Internet quillt über
und Demoskopen fragen nach bei den diffusen Ängsten der Bürger. Das war so nach Paris
und passierte jetzt nach Brüssel. Die Ergebnisse waren erwartbar, ob in den
Meinungsumfragen, auf der Straße oder am Stammtisch. Mehr Sicherheit, mehr Kontrollen,
weniger Flüchtlinge. Die unvermeidliche allwöchentliche Sonntagsfrage zeigt aktuell, neben
neuerlichen Verlusten der großen Parteien, einen bundesweiten Zuwachs der AfD. Dass der
in Bayern deutlich schwächer ist, bei einer stabilen absoluten Mehrheit der CSU, wird vor
allem außerhalb des Freistaats mit dem Krawallkurs der Christsozialen gegen Flüchtlinge
begründet. Wollen die Leute das jetzt hören und lesen? All die innenpolitischen Blähungen
voller heißer, aber oft so inhaltsleerer Luft? Jetzt, wo die Fahnen auf Halbmast hängen, als
sichtbare Solidarität mit dem Leid der europäischen Terror-Opfer. Ich glaube nein. Aber die
mediale Flut ist nicht aufzuhalten, weil alles und jeder zu Wort kommen darf. Was oft
untergeht, sind Analysen mit kühlem Kopf. Realistische Einschätzungen und Prognosen mit
einem Blick auf das Ganze. Und zwar überall. In Europa, in Deutschland, in Bayern.
Nach dem Terror in Brüssel war er wieder zu hören, der Spruch vom Anschlag auf unser
freiheitliches Leben. Die Menschen reden darüber. Auch in meinem privaten Umfeld. Soll ich
jetzt Flughäfen meiden, Panik bekommen angesichts fremdländischer Passanten mit
Rollkoffer? Sind gar die angeblich zu Zehntausenden unregistriert untergetauchten
Flüchtlinge die größte Gefahr? Ist es richtig oder übertrieben, wenn der bayerische
Integrationsbeauftragte ehrenamtliche Flüchtlingshelfer dazu instruieren will, nach sich
radikalisierenden Asylbewerbern in den Gemeinschaftsunterkünften Ausschau zu halten?
Wo bleibt dagegen der individuelle wie politische Wille nach einer wirksamen Integration von
Flüchtlingen? Damit die oft noch so fremden Zuwanderer hineinwachsen in eine Welt mit
Freiheit, Gleichberechtigung und Toleranz. So viele offene Fragen, aber bitte ohne Angst.
Denn Angst verwirrt und kann zu falschen Schlüssen und Reaktionen führen. In Europa,
Deutschland, Bayern und im persönlichen Umfeld.
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