SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
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SWR2 DIE BUCHKRITIK
Reinhard Kaiser: Der glückliche Kunsträuber
Das Leben des Vivant Denon
C.H. Beck Verlag, München 2016
400 Seiten
24,95 Euro
Rezension von Carmela Thiele
Montag, 11.04.2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Reinhard Kaiser ist in erster Linie als Übersetzer bekannt. 2010 wurde er nach
vielen Ehrungen mit dem Wilhelm Merton-Preis für Europäische Übersetzungen
ausgezeichnet. Kaiser hat mehrere Titel des Soziologen Richard Sennett vom
Englischen ins Deutsche übertragen, Schriften der Publizistin Susan Sontag,
aber auch Romane von Sylvia Plath, Anne Tyler und Irene Dische. Der
eigentlich als Romanist ausgebildete Autor schrieb zudem für den Hörfunk und
brachte eigene Erzählungen und Romane heraus. Seine profunden
Sprachkenntnisse wie sein professioneller Umgang mit Text und historischen
Quellen sind dem Autor bei seiner jüngsten Publikation, einer Biografie des
Gentleman-Kunsträubers Vivant Denon, zugute gekommen. Dieser Meinung ist
jedenfalls unsere Rezensentin Carmela Thiele, die das Buch gelesen hat.
Dominique-Vivant Denon durchkämmte in der Nachhut der Feldzüge Napoleons
die Kunstsammlungen in Städten wie Rom, Wien oder Berlin. Er suchte nach
Meisterwerken, die er als Kriegstrophäen nach Paris abtransportieren lassen
konnte. Für wenige Jahre entstand auf diese Weise zum Ruhm der
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französischen Nation ein an Umfang und Qualität nicht zu übertreffendes
Museum der Superlative, der Vorgänger des heutigen Louvre.
Reinhard Kaiser erzählt die Geschichte des beispiellosen Kunsträubers mit
unverhohlener Sympathie. Im Plauderton verknüpft er zahlreiche Original-Briefe
mit Lesefrüchten aus der umfangreichen Sekundärliteratur. Der Autor selbst ist
wie Vivant Denon ein Sucher und Finder, allerdings nicht von Kunstwerken,
sondern von wahren Geschichten, die – wie er in einem Interview einmal sagte
– sich niemand ausdenken könnte. Bereits Mitte der neunziger Jahre war
Kaiser in seiner Eigenschaft als Übersetzer auf die Figur des Vivant Denon
gestoßen. Seitdem hat ihn die Lebensgeschichte des gewandten
Kunstsammlers nicht mehr losgelassen.
In seiner knapp 400 Seiten umfassenden Denon-Biografie bleibt der Autor nahe
an den Fakten, die an sich schon romanhafte Züge tragen.
Der 1747 in Burgund geborene junge Edelmann soll in Paris die Rechte
studieren, widmet sich jedoch lieber dem Zeichnen und erlernt die Technik des
Radierens. Durch sein angenehmes Wesen und seine umfassende Bildung
erlangt Denon Zugang zum Hofe Ludwigs des XV. und empfiehlt sich für die
Diplomaten-Laufbahn. Ein galantes Abenteuer in St. Petersburg bringt ihm
jedoch einen mehrjährigen unbezahlten Urlaub ein, den er zum Teil in Italien
verbringt, wo er gegen Honorar Zeichnungen und Radierungen für einen
Bildband über Italien liefert.1779 schließlich wird er in Neapel zum
Botschaftssekretär ernannt. Er beginnt, neben seiner Arbeit zu sammeln,
zunächst antike Vasen, später sind es Zeichnungen und Druckgrafiken. Schon
damals lässt Denon in Pompeji, wo er sich durch Bestechung Zugang zu den
Ruinen verschafft, einen Frauenschädel unter seinem Mantel verschwinden.
Und mehr als zehn Jahre später wird er bei einer Expedition während des
Ägypten-Feldzugs Napoleons einen weiblichen mumifizierten Fuß mitgehen
lassen.
Den Beginn der Französischen Revolution verfolgt der inzwischen durch ein
Erbe unabhängige Privatier aus der Ferne, aus Venedig, wo der 41-Jährige die
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geistreiche wie schöne Isabella Teotochi Marin kennenlernt. Diese Episode ist
dank der zahlreichen Briefe Denons an Isabella und der erhalten gebliebenen
Spitzelberichte der Inquisition von Venedig besonders gut dokumentiert. Denon
wird überwacht, weil man ihn verdächtigt, mit den revolutionären Jakobinern in
Frankreich zu sympathisieren.1793 wird er ausgewiesen.
Der vielseitig begabte Denon kehrt nach Paris zurück und arbeitet bald für den
Revolutionsmaler Jacques Louis David an verschiedenen Projekten. Wenige
Jahre später ernennt ihn Napoleon zum Generaldirektor der Pariser Museen.
Denon entpuppt sich als Organisationstalent. Er gibt Kunstwerke in Auftrag,
inszeniert Feiern zum Ruhme Napoleons und reist als Kunstsachverständiger
der "Grande Armée" hinterher. Doch galt er als äußerst kultivierter Kunsträuber,
dem, – vor allem von den deutschen Kollegen – sogar Respekt
entgegengebracht wurde. Die Galeriedirektoren erkannten, dass Denon ein
einmaliges, nach Schulen und Epochen geordnetes Museum installieren wollte.
Skrupel kannte – der bald "das Auge Napoleons" genannte – Denon jedoch
nicht, galt ihm Paris doch sowieso als Mekka eines jeden Kunstfreunds, egal
welcher Nationalität er sei.
Nachdem vor sechzehn Jahren das Buch Philippe Sollers zu Dominique-Vivant
Denon bei der Kritik einhellig durchgefallenen ist, verbindet nun Reinhard
Kaisers, mit Anmerkungen gespickte Biographie ein Maximum an Genauigkeit
mit literarischer Raffinesse. Dem Autor ist nicht nur ein feinsinniges Porträt des
genialen Kunsträubers gelungen, vielmehr lässt er vor dem inneren Auge des
Lesers einen opulenten Kostümfilm ablaufen. Und der ist so spannend wie das
bewegte Leben des Hauptdarstellers.
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