SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 01.03.1901: Der erste Abschnitt der Wuppertaler Schwebebahn wird freigegeben Von Von Siegfried Höfermann Sendung: 01.03.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Autor: Wuppertaler werden groß mit ihrer Schwebebahn. Manch einem sang sie an der Wiege noch ihr Lied - melodisch aufwärts klangen damals die Motoren, unverkennbar wie die Melodie der S-Bahn von Berlin. Das Heimweh aller Wuppertaler fängt sich denn auch in diesem ihrem Klang. Das bestätigen: Else Lasker-Schüler, Sauerbruch und Knappertsbusch - und: Ewald Balser. Als der im ersten Weltkrieg zum ersten Mal nachhause darf und der Front-Urlauberzug Elberfeld schon fast erreicht hat, da dringt beim Zwischenhalt in Barmen das unverkennbar singende Geräusch der Schwebebahn zu ihm ins Abteil. "Zu beschreiben ist das nicht! Ich weiß nur, dass mir die heißen Tränen in die Augen sprangen und über meine Wangen purzelten." Die Schwebebahn ist eine Hänge-Bahn. Aber würgen muss er Fahrgast darum nicht, denn: Schweben und Schwingen hängen zusammen. Bis zu 15° kann die Bahn sich in die Kurve legen. Das schafft ein angenehmes Fahrgefühl, eine Lust der Fortbewegung, die so kein andres Schienenfahrzeug bietet. Beim Erfinder Eugen Langen hatte das mit Zucker angefangen, den er derart luftig transportierte in seiner Raffinerie in Köln. Bis ihm der Groschen fiel. In der Patentschrift heißt es: "Mit der Hochbahn wird bezweckt, an verhältnismäßig leicht gebauten Trägern hängende Personenwagen zu befähigen, engste Fahrkrümmungen leicht, sicher und sanft zu durchfahren." Der Kaiser hatte dieses neue Fahrgefühl genossen bei dem Besuch von Elberfeld und Barmen: bereits im Herbst des Jahres 1900. Und wenn‘s dem Hohenzollern höchstpersönlich in der hohen neuen Bahn nicht schwindelte, dann konnte jeder Untertan sich ihr ohne Argwohn anvertrauen. Und so ward es in Gebrauch genommen, dieses 8. Weltwunder: nach den hängenden Gärten der Semiramis nun diese hängenden Wagen aus dem Wuppertale. Das Gerüst der Schwebebahn überspannt 1/10 des gesamten Wupperlaufes, 10 von ihren gut hundert Kilometern. Und weil sie nicht genug bekommen kann, springt sie nach Westen noch für gut 3 Kilometer auf die Straße. So kann der Passagier nicht nur des Tags dem Gewerbe fleißigen bergischen Menschen auf die Werkbank schauen längs der Wupper, sondern auch sehen, was bei den Sonnborner und Vohwinkler Bürgern auf dem Abendbrottisch steht. Die Bahn verbindet eben alle Bereiche des Wuppertaler Lebens, von der Arbeit bis zur Freizeit. Und sie verbindet gar zwei deutsche Stämme miteinander den Barmer, als Westfale ist er Sachse, mit dem Elberfelder, der rheinisch: also fränkisch ist. Zu erzähldn wäre viel: da fiel zum Beispiel Tuffi in die Wupper, eine junge Elefantendame, im Sommer 1950 war das, zwischen den Stationen ALTER MARKT und ADLERBRÜCKE. Aus einer Reklamefahrt für "Zirkus Althoff" wurde eine kleine Sensation mit happy end. Denn: Tuffi, vom Blitzlichtgewitter der Pressefotografen, die mit zugestiegen waren, weidlich erschreckt, brach sie sich seitlich Bahn und sprang, manchen Meter tief, ins kühle Nass, Aber tun tat sie sich nichts, außer einer Schramme an ihrem Elefantenpo, rund Zirkusdirektor Althoff persönlich nahm Tuffi am Wupperufer in Empfang. Wünschen wir der Schwebebahn, dass sie auch weiterhin das Lebenslied der Wuppertaler singe! Immerhin erfordert ein Anstrich des Gerüstes rund 160 Tonnen 1 Farbe; ein einzelner Maler wäre, um alle 472 Stützen dieses Tausendfüßlers neu zu streichen, sage und schreibe 500 Jahre unterwegs! Das letzte Wort geben wir Hans Bötticher alias 'Joachim Ringelnatz. "Als in Elberfeld wir in der Schwebebahn Runter auf das Wupperwasser sahn, Und dann plötzlich unsre Blicke hoben Gen einander ins Gesicht, Hätten wir uns eigentlich verloben können. - Dann wir tatens nicht. Weil man manchmal in der Schwebe Schweigen vorzieht, um bald wieder auszusteigen. 2
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