Desintegrationsgesetz« auf dem Weg

JENS BÜTTNER DPA/LMV/DPA-BILDFUNK
Panama? Fulda!
Führende Medien prangern zur Zeit
das mittelamerikanische Land an.
Dabei rangiert es weit hinter anderen
»Steueroasen« wie zum Beispiel in
den USA Wilmington, Partnerstadt
von Fulda, größter »Finanzplatz«
dieser Art. Von Werner Rügemer
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Mörderisch
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Seit zwei Wochen hält ein Generalstreik die französische Insel
Mayotte im Griff
In Brüssel kämpfen Lobbyisten hart um Vor 175 Jahren wurde Karl Marx von der
die Genehmigung für die zweite
Universität Jena der Doktortitel
Gasleitung durch die Ostsee
verliehen. Von Martin Hundt
Deals unter Despoten
Geheimes EU-Protokoll zur geplanten Kooperation mit ostafrikanischen Ländern zeigt
europäische Werte. Für Flüchtlingsabwehr winken Wirtschaftshilfen. Von Christian Selz
JUAN MEDINA/REUTERS
D
er Inhalt dieses Artikels sollte
»unter keinen Umständen an
die Öffentlichkeit gelangen«.
So steht es zumindest in einem vertraulichen Protokoll einer Sitzung der Botschafter der EU-Staaten vom 23. März,
aus dem das ARD-Politmagazin »Monitor« am Donnerstag auf seiner Internetseite zitierte. Der Inhalt könnte den
Stoff für einen schmierigen Korruptionsthriller liefern: Die vorgeblich den
Menschenrechten verpflichteten Herrscher der EU-Staaten wollen mit den
Despoten ostafrikanischer Staaten, von
denen derlei Vorgaben seltener kolportiert werden, eine »Kooperation« eingehen. Die Europäische Kommis­sion
und der Auswärtige Dienst Brüssels
haben demnach bereits Konkretes vorgeschlagen. Die Regierungen von Eritrea, Sudan und Äthiopien, sowie der
im Failed State Somalia als Regierung
firmierende Personenkreis sollen in der
Flüchtlingspolitik nach Brüssels Pfeife
tanzen. Dafür winken dem Protokoll
zufolge Wirtschaftshilfen und Visaerleichterungen für Diplomaten.
Nun sind von Entscheidungsträgern,
die einem Schlächter wie dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Milliarden Euro für dessen Part
bei der Flüchtlingsabwehr bezahlen,
allerlei Fiesheiten zu erwarten. Normalerweise werden die aber hübscher verpackt. Ein Thomas de Maizière, seines
Zeichens Bundesinnenminister, sprach
beispielsweise vor zwei Wochen von
»Aufnahmezentren in Nordafrika«.
Die von den dortigen Partnerregimen,
im Gegenzug für noch auszuhandelnde
Zuwendungen, zu schaffenden Einrichtungen würde er öffentlich kaum »Deportationslager« nennen.
Das jetzt veröffentlichte Protokoll
gibt die Absichten unverblümt preis.
Im Kampf gegen ihn sucht die EU Partner: Flüchtling am Grenzzaun der spanischen Exklave Melilla (19.3.2014)
Die »Lage im Rückführungsbereich«
sei »unbefriedigend«, weshalb nun Allianzen mit den Verpönten geschmiedet
werden. Zwar wurde zu jedem anvisierten Partnerstaat eine Einschätzung der
Menschenrechtssituation erstellt, diese
dann im nächsten Schritt aber ignoriert.
Denn die Ergebnisse können kaum
überraschen. Omar Al-Baschir, Präsident des Sudans, wird beispielsweise
von der Afrikanerverfolgungsstelle
des Westens (offizielle Bezeichnung:
Internationaler Strafgerichtshof) wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit per Haftbefehl
»gesucht«, was seiner Qualifizierung
als Kooperationspartner in Bereichen
wie »Migration, Mobilität und Rücknahme« aber keinesfalls im Wege steht.
Sollte es dem Sudan gelingen, seine
Bürger künftig erfolgreicher einzusperren, winkt dem EU-Protokoll zufolge
sogar die »Streichung von der Liste terrorunterstützender Staaten«.
Der Auswärtige Dienst sorgt sich
in diesem Zusammenhang zwar um
den »Ruf der EU«, schlägt aber auch
zur Zusammenarbeit mit anderen Regimen gänzlich Ungeniertes vor. In
Äthiopien wird beispielsweise eine
»katastrophale« humanitäre Situation
ausgemacht, aber gleichzeitig ein »verbesserter Informationsaustausch« mit
der dortigen Polizei angeregt. Auch
Eritrea, wo der Website des deutschen
Auswärtigen Amtes zufolge »regierungskritische Meinungsäußerungen
zur Verhaftung führen« können, und
Somalia, in dessen Hauptstadt Mogadischu die Islamistenmiliz Al-Schabab
erst am Montag wieder fünf Menschen
mit einer Autobombe tötete, gelten
als der Öffentlichkeit eher schwer vermittelbare Partnerländer. Die Empörung kam prompt: Als »unglaublich
zynisch« bezeichnete es die EU-Direktorin von Human Rights Watch,
Lotte Leicht, »wenn die Europäische
Union«, die ihr zufolge »auf Werten«
basiere, »mit menschenverachtenden
Regierungen« zusammenarbeite.
»Desintegrationsgesetz« auf dem Weg
Bleiberechtsentzug und Wohnsitzauflagen: Bundesregierung zeigt Flüchtlingen die Leitkultur
D
ie Spitzen von CDU, CSU
und SPD haben sich auf ein
Konzept zur »Integration von
Flüchtlingen« geeinigt. Die Koalition
habe »wesentliche, qualitative Entscheidungen« getroffen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
am Donnerstag zu den Ergebnissen
der siebenstündigen Sitzung vom Vorabend. Auch CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Sigmar
Gabriel äußerten sich positiv. »Wir
haben für die Migranten viel erreicht
und für unsere Gesellschaft viel gewonnen«, sagte Gabriel.
Merkel verwies am Donnerstag auf
das aus der »Agenda 2010« bekannte
Prinzip »Fördern und fordern«, mit
dem Leistungskürzungen bei HartzIV-Beziehern begründet werden. Ziel
sei, möglichst viele Flüchtlinge in
den Arbeitsmarkt zu integrieren. Für
die Dauer einer Ausbildung soll das
Bleiberecht aufrechterhalten bleiben,
anschließend eine zweijährige Weiterbeschäftigung möglich sein. Wer eine
Ausbildung abbricht, verliert das Bleiberecht. Die Eckpunkte sehen auch
vor, dass Geflüchteten ein Wohnsitz
zugewiesen werden kann. Bei Verstoß
drohen »spürbare Konsequenzen«.
Das Integrationsgesetz will die Bundesregierung am 24. Mai auf den Weg
bringen.
Die Menschenrechtsorganisation
Pro Asyl hat die Pläne kritisiert. »Die
Bundesregierung plant ein Desintegrationsgesetz«, erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Donnerstag in Berlin. »Die Integrationshürde
ist die verfehlte Politik des Innenministeriums«, sagte er.
Wirtschaftsfunktionäre haben die
Einigung der Koalitionsspitzen hingegen begrüßt. »Die Verabredungen
zum Integrationsgesetz enthalten
viele für die Unternehmen wichtige Punkte«, erklärte der Präsident
des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer,
am Donnerstag in Berlin. Gut sei,
dass Flüchtlinge künftig einfacher
und unbürokratischer eingestellt
werden könnten, auch in der Zeitarbeit. Auch der Verband der Familienunternehmer äußerte sich positiv.
Die Eckpunkte gingen in die richtige Richtung, erklärte Präsident Lutz
Goebel. »Das ist ein Anfang.«
(dpa/Reuters/jW)
Passagiere bespitzeln,
Geschäfte schützen
DANIEL REINHARDT/DPA-BILDFUNK
Türkische Regierung nutzt im Krieg
gegen eigene Bevölkerung deutsche Waffen. Von Annette Groth
Strasbourg. Das EU-Parlament hat
am Donnerstag die Speicherung von
Fluggastdaten beschlossen. Die sogenannte Passenger-Name-RecordRichtlinie verpflichtet die Airlines,
den EU-Ländern ihre Fluggastdatensätze zu überlassen. Dazu dürfen
Informationen über Passagiere wie
Name, Adresse und Kreditkartennummer, aber auch Essenswünsche
sechs Monate lang gespeichert werden. »Menschen werden anhaltslos
zu Verdachtsobjekten gemacht«, kritisierte die Linkspartei-Abgeordnete
Cornelia Ernst.
Geschäftsgeheimnisse sollen in
der EU dagegen besser geschützt
werden. Die Abgeordneten verabschiedeten auch dazu am Donnerstag eine Richtlinie. Sie verpflichtet
alle Regierungen, dafür zu sorgen,
dass die Justiz gegen die rechtswidrige Nutzung von Geschäftsgeheimnissen vorgehen kann. Julia Reda
von der Piratenpartei kritisierte, der
Beschluss gefährde Whistleblower
und investigative Journalisten. Es
sei schwer zu verstehen, dass das
die Antwort der EU auf die »Panama Papers« sei. (AFP/dpa/jW)
Opposition will
Abgasaffäre untersuchen
Berlin. Ein von der Opposition im
Bundestag angestrebter Untersuchungsausschuss zur Abgasaffäre
soll die Verkehrspolitik bis ins Jahr
2007 aufarbeiten. Damit könnte
er neben dem Vorgehen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt
(CSU), das im Zentrum stehen
soll, auch das seiner Vorgänger
Peter Ramsauer (CSU) und Wolfgang Tiefensee (SPD) unter die
Lupe nehmen. Man sei sich einig,
dass man sich konzentrieren wolle,
damit es noch in der laufenden Legislaturperiode ein Ergebnis gebe,
sagte Linke-Fraktionschef Dietmar
Bartsch am Donnerstag. Auslöser
der Affäre ist VW. Der Wolfsburger Konzern hat eingeräumt, bei
weltweit rund elf Millionen DieselPkw eine Software zur Manipulation der Abgaswerte eingebaut zu
haben. (dpa/Reuters/jW)
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