Bücherrückgabe 2009

McCallum frei
BRENDAN MCDERMID / REUTERS
Nach 29 Jahren willkürlicher Haft kam
der 45jährige Schwarze aus dem Gefängnis. Ein korrupter Apparat in Justiz
und Polizei sorgt bis heute in den USA
für massenhafte Inhaftierung Unschuldiger. Von Jürgen Heiser
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Rechtsgutachten zu Freihandelsabkommen EU-Kanada: Verfassungsrechtlich sehr bedenklich
Die Wahlen in der Ukraine werden an
der Misere des Landes nichts
ändern. Von Reinhard Lauterbach
Notstand in Kliniken: Sachsen-Anhalts
Krankenhausgesellschaft sieht
Daseinsvorsorge akut gefährdet
Im Dienstleistungsunternehmen Stute
gelten sowohl Ver.di- als auch
IG-Metall-Tarifverträge
Späte Gerechtigkeit
USA: Söldner wegen
Mordes verurteilt
Washington. Vier ehemalige Söldner
der Firma Blackwater sind in den
USA sieben Jahre nach der Tötung
von mindestens 14 Zivilisten im
Irak schuldig gesprochen worden.
Die Geschworenen an einem Bun­
desgericht in Washington verkün­
deten am Mittwoch (Ortszeit) einen
Schuldspruch wegen Mordes; drei
weitere Angeklagte wurden wegen
Totschlags schuldig befunden. Das
Strafmaß solle erst später verkündet
werden. Die US-Söldner hatten im
September 2007 einen Diploma­
tenkonvoi in Bagdad begleitet. Auf
einem belebten Platz eröffneten sie
das Feuer, wobei sie willkürlich min­
destens 14 Menschen ermordeten –
irakische Untersuchungen sprechen
von 17 Toten – sowie weitere 18
Personen verletzten. Während des
Prozesses plädierten die US-Söldner
auf unschuldig und machten Selbst­
verteidigung geltend. (dpa/Reuters/jW)
Italienisches Verfassungsgericht gibt Naziopfern grünes Licht für
Entschädigungsklagen gegen Deutschland. Von Frank Brendle
I
Karstadt berät über
Schrumpfkurs
Festnahmen durch deutsche und italienische Soldaten in Rom im März 1944. Die Gefangenen wurden später in den
­Ardeatinischen Höhlen ermordet
ner Rechte, betonte das höchste Ge­
richt in der Entscheidung vom späten
Mittwoch abend. Die Justiz an die­
ser Aufgabe hindern zu wollen, sei
verfassungswidrig. Das Gericht posi­
tionierte sich zudem offen gegen die
Auffassung des IGH: Wenn ein Staat
Kriegsverbrechen oder Verbrechen
gegen die Menschheit begehe, könne
er dafür keine Immunität in Anspruch
nehmen.
Als »großartigen Sieg« bezeichne­
te Duilio Bergamini, einer der Kläger,
das Urteil. Bergamini war als Militär­
internierter zur Zwangsarbeit nach
Deutschland verschleppt worden. Der
Präsident der jüdischen Gemeinde
Italiens, Renzo Gattegne, sprach von
einem »historischen Urteil«. Er er­
klärte: »Verbrechen von solcher Trag­
weite, die gegen jede Menschlichkeit
verstoßen und das Recht auf Leben
verletzen, dürfen weder verjähren
noch in Vergessenheit geraten.«
Die deutsche Politik reagierte am
gestrigen Donnerstag nicht auf die
Entscheidung, einzig Ulla Jelpke,
Abgeordnete der Partei Die Linke,
beglückwünschte die Naziopfer und
forderte die Bundesregierung auf, ih­
ren Entschädigungsboykott endlich
aufzugeben. Damit ist aber nicht zu
rechnen, so dass offen bleibt, ob die
Naziopfer tatsächlich Entschädigung
erhalten oder nur »im Prinzip« Recht
bekommen haben. Der einzige Weg
dürfte darin bestehen, in Italien deut­
sches Staatseigentum zu beschlagnah­
men. Gegen Vermögen der Deutschen
Bahn AG und eine Villa in Norditalien
war bereits eine Zwangsvollstreckung
eingeleitet, wegen des IGH-Verfah­
rens aber wieder ausgesetzt worden.
Welche Maßnahmen dann die Bun­
desregierung wiederum gegen Itali­
en ergreifen könnte – immerhin liegt
ein Konflikt zwischen internationaler
und nationaler Rechtsprechung vor –
ist gegenwärtig kaum abzusehen und
wird mit Sicherheit noch die Außen­
minister beider Länder beschäftigen.
Gipfel der Kompromisse
EU-Staaten mit Kurs auf weniger Klimaschutz. Feilschen um Durchsetzung nationaler Interessen
D
ie EU-Staaten nehmen Kurs
auf deutlich abgeschwächte
Ziele beim Klimaschutz. Die
Richtmarke beim Energiesparen zum
Jahr 2030 werde wohl bei 27 Prozent
liegen, sagte der finnische Regierung­
schef Alexander Stubb am Donners­
tag kurz vor Beginn des EU-Gipfels
zur Klima- und Energiepolitik (die
Tagung dauerte nach jW-Redaktions­
schluss an). Bisher waren 30 Prozent
im Vergleich zum Jahr 2005 ange­
strebt worden.
Wie immer dominierten nationa­
le Wirtschaftsinteressen das Heran­
gehen der Einzelstaaten an das von
vielen ungeliebte Thema. Im Vorfeld
hatten Umweltschützer nachdrücklich
eine Einigung auf ambitionierte und
verbindliche Zielvorgaben gefordert.
»Dieses lächerlich niedrige Effizienz­
ziel würde die momentan laufenden
Entwicklungen für Energieeinspa­
rungen bremsen«, erklärte BUNDEnergieexpertin Ann-Kathrin Schnei­
der zu einem bereits vor dem Gipfel
als Vorschlag lancierten 27-ProzentKompromiss. »Was derzeit in der Be­
schlussvorlage für das Klima- und En­
ergiepaket auf dem Tisch liegt, bleibt
meilenweit hinter den Erfordernissen
zur Begrenzung der globalen Erwär­
mung auf deutlich unter zwei Grad
zurück«, fasste Jan Kowalzig von der
Entwicklungsorganisation Oxfam zu­
sammen. Vorgesehen waren ursprüng­
lich 30 Prozent Energieeinsparung.
Eine europäische Klima-Einigung
gilt als Voraussetzung für einen Er­
folg des Weltklimagipfels Ende 2015
in Paris. Nach einem Vorschlag der
EU-Kommission soll in dem EUPaket zudem festgelegt werden, den
Ausstoß des Treibhausgases Kohlen­
dioxid (CO2) im Vergleich zu 1990
um 40 Prozent zu verringern. Stark
auf Kohlekraftwerke fokussierte ost­
europäische Länder wie Polen halten
solche Vorgaben für zu hoch.
Die Staats- und Regierungschefs
aus Polen, Ungarn, Tschechien, der
Slowakei sowie aus Rumänien und
Bulgarien hatten sich kurz vor dem
Gipfel noch einmal bei einem Sonder­
treffen abgestimmt. Für ihre Zustim­
mung zum Energie- und Klimapaket
erwarten sie Fördergelder in Milliar­
denhöhe. (dpa/jW)
n Siehe Seite 8
JENS WOLF/DPA
BUNDESARCHIV
talienische Naziopfer können
nach einer Entscheidung des ita­
lienischen Verfassungsgerichtes
weiterhin Entschädigungsklagen ge­
gen Deutschland führen. Damit hat
die Bundesregierung mit ihrem Ver­
such, solche Forderungen zu unter­
drücken, eine herbe Niederlage er­
litten. Mit seinem Urteil erklärte das
Gericht ein Gesetz für unwirksam,
das Naziopfern den Klageweg gegen
Deutschland verbaut hatte.
Dies dürfte in den Außenministeri­
en Italiens und Deutschlands für eini­
ge Aufregung sorgen. Dort war man
eigentlich der Meinung, die Angele­
genheit zu Lasten der Naziopfer ge­
klärt zu haben. Die Bundesregierung
hatte die Forderungen verschleppter
Zwangsarbeiter sowie Überlebender
und Angehöriger von Opfern der bar­
barischen Massaker, die deutsche Be­
satzungstruppen nach 1943 verübt hat­
ten, schon immer rigoros abgelehnt.
Nachdem die italienische Justiz ab
den 1990er Jahren in mehreren Urtei­
len Deutschland zu millionenschwe­
ren Entschädigungen verpflichtete,
verklagte die Bundesregierung ihrer­
seits Italien vor dem Internationalen
Gerichtshof (IGH). Dieser befand An­
fang 2012, die italienischen Urteile
verstießen gegen den Grundsatz der
sogenannten Staatenimmunität, dem­
zufolge Länder nicht durch Individu­
en für Kriegsunrecht verantwortlich
gemacht werden können. Italien müs­
se solche Klagen seiner Staatsbürger
gesetzlich unterbinden.
Ein solches Gesetz wurde Anfang
2013 verabschiedet – und nun vom
Verfassungsgericht wieder aufgeho­
ben. Die italienische Verfassung ga­
rantiere jedem Bürger das Recht auf
ein faires Verfahren zum Schutz sei­
Düsseldorf. Der Aufsichtsrat der Wa­
renhauskette Karstadt ist in Essen
zu Beratungen über drastische Ein­
schnitte zusammengekommen. In­
sidern zufolge sollte das ­Gremium
am Donnerstag auch seinen Vorsit­
zenden Stephan Fanderl zum neuen
Karstadt-Chef gewählt werden.
Dem 20köpfigen Gremium liegen
Pläne zur Sanierung des Konzerns
mit rund 17 000 Mitarbeitern vor,
die auf einen Stellenabbau und
Schließungen von über 20 der 83
verbliebenen klassischen Waren­
häuser abzielen. Insider rechneten
nicht mit konkreten Schließungsbe­
schlüssen bei der Sitzung, die bis
Donnerstag abend andauern sollte.
Für die Karstadt-Beschäftigten
dauert das Zittern um ihre Zukunft
weiter an.
Der österreichische Immobi­
lien-Investor Rene Benko hatte
Karstadt im August übernommen.
Arbeitnehmervertreter hatten die
geplanten Einschnitte bei den Be­
schäftigten immer wieder scharf
kritisiert und ein Zukunftskonzept
Benkos gefordert. (Reuters/jW)
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