SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 24.05.1991: Eritreas Kampf um die Unabhängigkeit von Äthiopien endet Von Bettina Rühl Sendung: 24.05.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Atmo Hupen und Jubel Autorin: Kämpfer marschieren in die Stadt, ihre Gewehre geschultert. Sichtlich erschöpft, trotzdem mit strahlenden Gesichtern. Am 24. Mai 1991, heute vor 25 Jahren, zog die Eritreische Volksbefreiungsfront EPFL in Asmara ein, der Hauptstadt Eritreas. Die Bevölkerung tanzt, jubelt, klatscht. O-Ton Yemane Gebreab: We are a very small country, we had to fight for 30 years for liberation. We did it by mobilizing our people, both inside the country and outside. We did not have international help when we were fighting for our freedom. The United Nations, the West were against Eritrean independence, Soviet Union and their camp was against the Eritrean independence, we were not receiving support. Übersetzer: Wir sind ein sehr kleines Land, für unsere Freiheit mussten wir 30 Jahre lang kämpfen. Wir mussten dafür unser gesamtes Volk mobilisieren. Keine ausländische Macht hat uns in unserem Freiheitskampf gegen Äthiopien unterstützt. Autorin: Yemane Gebreab ist Berater des eritreischen Präsidenten Isaias Afewerki, der selbst kaum noch Interviews gibt. Zwei Jahre nach dem militärischen Sieg gegen Äthiopien entschied sich die Bevölkerung in einem Referendum mit fast hundert Prozent der Stimmen für die Unabhängigkeit. Am 24. Mai 1993 wurde Eritrea ein eigener Staat. Die Bevölkerung war voller Hoffnung: Nationalhymne Eritrea Autorin: Der erste afrikanische Staat nachkolonialer Gründung werde eine freiheitliche Demokratie, in der die Menschenrechte respektiert, Männer und Frauen gleichberechtigt sein würden. Bis dahin hatten die Menschen unter äthiopischer Herrschaft nur Diktaturen kennen gelernt: erst unter Kaiser Haile Selassie, nach dessen Sturz unter dem Militär Mengistu Haile Mariam. In einem Stadion wurde erstmals die Nationalhymne intoniert. Nationalhymne Eritrea Autorin: Der Jurist und Agrarwissenschaftler Elias Habteselassie, heute Mitte 70, kämpfte jahrzehntelang dafür, dass sein Land unabhängig wird. O-Ton Elias Habteselassie: We were hoping first, okay, to have our own country. And that we call our own. And then having lived in the west, having been living in Holland, which is a very liberal democratic country, one expects not even as much as that, but at least some symbols of democracy. Where people are free, they can engage in activities that they 1 wish. They can have economical activities. They can choose their political area of concern, and choose a political party of their desire. Übersetzer: Wir haben natürlich gehofft, dass wir nach dem Sieg endlich eine Heimat haben würden. Ich habe außerdem erwartet, dass die Partei das Land wenigstens etwas demokratisieren würde. Dass die Menschen frei sind und den Beruf ihrer Wahl ergreifen können. Dass sie wirtschaftlich aktiv sein können. Dass es mehrere Parteien gibt, unter denen die Menschen wählen können. Autorin: Nichts davon ist der Fall. Eine Verfassung, die schon fertig ausgearbeitet war, wurde nie ratifiziert. Die Regierung erklärt das mit dem nächsten Krieg. 1997 überschritten äthiopische Truppen die Grenze und besetzten ein paar Flecken eritreischen Landes. Der Konflikt eskalierte ein Jahr später zu einem verlustreichen Stellungskrieg mit bis zu 300.000 Opfern. Der Militärdienst, der auf dem Papier nur 18 Monate dauert, ist faktisch unbegrenzt und umfasst, als Nationaldienst, auch zivile Tätigkeiten. Eritrea gilt heute als eine repressive Diktatur. So heißt es in einem UN-Bericht von Anfang Juni 2015: Zitator: Willkürliche Verhaftungen, Folter und Zwangsarbeit sind weit verbreitet. Einige der Menschenrechtsverletzungen sind womöglich Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Tausende Eritreer sitzen ohne Anklage oder Aussicht auf ein Gerichtsverfahren in Haft. (...) Tod im Gefängnis ist üblich. Gründe sind Misshandlungen, Folter, Hunger und die Verweigerung medizinischer Behandlung. Autorin: Nach Schätzungen der Vereinten Nationen fliehen jeden Monat 5.000 Menschen aus dem kleinen Land im Osten Afrikas. Die Europäische Union erkennt etwa 90 Prozent aller eritreischen Asylbewerber an. Die großen Hoffnungen am Tag der Befreiung vor 25 Jahren – sie haben sich für den Großteil der Bevölkerung nicht erfüllt. 2
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