SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 06.06.1907 Henkel kündigt ein neues Waschmittel an Von Markus Bohn Sendung: 06.06.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml O-Ton: "In allernächster Zeit kommt das neue Waschmittel Persil auf den Markt, mit dem man durch einmaliges Kochen, ohne Mühe, ohne Reiben, blendend weiße Wäsche erzielt. Dabei garantiert der Fabrikant die absolute Unschädlichkeit für die Wäsche. Vollständig ungefährlich bei beliebiger Anwendung. Passen Sie auf. Annoncen geben bekannt, wann Persil zu haben ist." Autor: Einigermaßen skurril klingt dieser Werbe-Text, der am 6. Juni 1907 in der Düsseldorfer Zeitung zu lesen war. Tatsächlich aber kündigt er einen bedeutenden Fortschritt an. Heutige Hausfrauen und Hausmänner, die bei "Waschbrett" nur an einen muskulösen Bauch denken, können sich das kaum mehr vorstellen. Aber Wäschewaschen war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts echte Knochenarbeit. Was einfache Seifenlauge und Hitze nicht alleine schaffen, nämlich den Schmutz aus den Textilien zu lösen, das musste durch kräftiges Reiben, Schlagen oder Walken vollbracht werden. Und farbige Flecken verlangten nach Chlor oder der Rasenbleiche mit Sonnenlicht. Erst die moderne Waschmittel-Chemie hat diese Schufterei allmählich überflüssig gemacht. Und dies war ihr Beginn. Zwei Komponenten haben PERSIL den Namen gegeben: Das PER kommt vom NatriumPERborat, einem Bleichmittel, das beim Erhitzen Sauerstoff freisetzt. Und das SIL stammt von SILikat, das sind Stoffe, die u.a. die Waschlauge alkalisch machen und dadurch die Reinigungskraft erhöhen. Chemikalien, die diese beiden Funktionen erfüllen, finden sich noch heute in jedem Vollwaschmittel. Aber in den letzten 100 Jahren sind natürlich noch viele andere dazugekommen. Optische Aufheller beispielsweise. Sie geben dem Weiß einen leichten Blaustich und bewirken so eine optische Täuschung: Blaustichiges Weiß wirkt weißer als weiß - und allemal weißer als ein Gelbstich. Der scheinbare sprachliche Unfug hat also durchaus einen realen Hintergrund. Aber die aberwitzigen Werbeschlachten um das allerweißeste Weiß überhaupt, oder um den feinsinnigen Unterschied zwischen "sauber" und "rein" haben die Waschmittelreklame insgesamt zum Inbegriff von ebenso schamloser wie unsinniger Übertreibung gemacht. Das war freilich nicht immer so. Der aller erste Werbespot, der je im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, flimmerte 1956 über die Bildschirme, war unaufdringlich, witzig und obendrein prominent besetzt, mit Liesl Karlstadt und Beppo Brem. Dem passiert im feinen Restaurant ein kleines Missgeschick. Worauf ihn seine Angetraute als Drecksau beschimpft, auch wenn sie natürlich nur die erste Silbe ausspricht. Als Wirt würde sie ihn raus schmeißen, sagt sie. Der Wirt aber reagiert ganz gelassen. O-Ton: „Siehst Liesl, das ist eben der Unterschied zwischen Dir und dem feinen Mann! Was? Na ja, Du machst alle weil gleich ein Trara und ein Theater, wenn bloß so ein kleines Fleckerl auf die Tischdecken kommt. Der gebildete Mensch sagt nur: P E R S I L! Persil und nichts anderes.“ 1 Autor: Seit diesem aller ersten Werbespot im Deutschen Fernsehen ist viel Wasser den Rhein hinabgeflossen. Und darin auch unzählige Tonnen Waschmittelreste. Das konnte nicht ohne Folgen bleiben. Und so sind viele wichtige Veränderungen in den Rezepturen von Persil, Ariel, Omo und Co nicht dem Wettbewerb um die beste Waschkraft zuzuschreiben, sondern dem Umweltschutz. Als nach dem Siegeszug der synthetischen Tenside Ende der 50er Jahre die Schaumberge auf den Flüssen bedrohliche Ausmaße angenommen hatten, kam das Detergentiengesetz. Von nun an mussten die waschaktiven Substanzen zu mindestens 80% biologisch abbaubar sein. Ein zweiter, ebenso wichtiger Fortschritt war der Ersatz von Phosphat durch andere Wasserenthärter, die nicht als Düngemittel wirken. Dadurch sind die Algen aus den Flüssen weitgehend verschwunden und die Fische haben wieder genug Sauerstoff. Zwei Meilensteine in der Geschichte der modernen Waschmittel-Chemie, die am 6. Juni 1907 mit der Annonce für Persil, das erste selbsttätige Waschmittel, begonnen hat. Persil ist wohl auch das einzige Waschmittel, das es bis in Duden geschafft hat - in Form des "Persilscheins". Aber das ist eine andere Geschichte... 2
© Copyright 2024 ExpyDoc