Helaba Volkswirtschaft/Research KONJUNKTUR KOMPAKT 7. April 2015 REDAKTION Dr. Stefan Mitropoulos Tel.: 0 69/91 32-46 19 [email protected] Die Welt im Blick ............................................................................................................................ 1 HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/ Leitung Research Italien: Mehr als nur ein zyklischer Aufschwung? ...................................................................... 4 Helaba Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Prognoseübersicht......................................................................................................................... 7 Deutschland: Schöne neue Welt mit Schattenseite .................................................................... 2 USA: Warten auf die Fed................................................................................................................ 3 Großbritannien: Politische Risiken............................................................................................... 5 Schweden: Vorsichtshalber Geldschwemme .............................................................................. 6 Die Welt im Blick Dr. Stefan Mütze Tel 0 69/91 32-38 50 „Amerika, du hast es besser / Als unser Kontinent, …“ (J. W. von Goethe) Ausrüstungsinvestitionen, Index: Q4 2007 = 100 *Equipment Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Goethes Gedicht fällt einem ein, wenn man die zögerliche Haltung europäischer Unternehmen sieht. Während das Vorkrisenniveau jenseits des Atlantiks bereits um rund 15 % überschritten ist, liegen die deutschen Ausrüstungsinvestitionen mehr als 10 % darunter. Aufgrund der noch schlechteren Entwicklung in den europäischen Krisenländern verharrt die Eurozone als Ganzes sogar knapp 20 % unter diesem Niveau. Warum ist der alte Kontinent so wachstumsschwach? Es dürften weniger die Finanzierungsbedingungen sein. Die Kapitalmarktzinsen liegen auf historischen Tiefs. Auch eine mögliche Kreditverknappung durch das Bankensystem ist zumindest kein wesentlicher Grund. Diese ist für Deutschland und Frankreich mit Sicherheit auszuschließen, aber auch hier ist die Investitionsentwicklung unbefriedigend. Empirische Studien legen nahe, dass die größere Unsicherheit in der Eurozone entscheidend ist. Euro-Schuldenkrise, ungelöste Probleme in Griechenland und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit in Ländern wie Italien sind von Bedeutung. Die expansive Politik der EZB kann hier nur wenig ausrichten. Gefordert ist die Wirtschaftspolitik, auch die deutsche. Gestiegene Stromkosten, Tarifabschlüsse deutlich über der Produktivität, höhere Sozialleistungen und die zunehmende Bürokratie belasten hierzulande das Investitionsklima. Zumindest die jetzt startende Infrastrukturoffensive und der digitale Netzausbau helfen dem Standort. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 7 . A P R I L 2 0 1 5 · © H E L A B A 1 KONJUNKT UR KOMPAKT Deutschland: Schöne neue Welt mit Schattenseite Beim Betrachten der deutschen Wirtschaftsentwicklung scheint man in eine schöne neue Welt versetzt zu sein. Auch in Jahren mit einem Bonsai-Wachstum unter 1 % wie 2012 und 2013 steigt die Beschäftigung weiter an. Die Schwelle, ab der sich der Arbeitsmarkt verbessert, ist gesunken und die geopolitischen Risiken, die 2014 zu Rückschlägen beispielsweise in Russland geführt haben, konnten anderweitig mehr als ausgeglichen werden. Die geografische Struktur der deutschen Nettoexporte (= Exporte minus Importe) gleicht einem gut strukturierten Depot. Nur globale, mehrere Regionen betreffende Krisen belasten die exportierende Industrie nachhaltig. In diesem Jahr dürfte der Export zusätzliche Impulse aufgrund des deutlich gefallenen Euro erhalten, so dass der Außenhandel erneut einen positiven Wachstumsbeitrag erbringen sollte. Auch auf den deutschen Konsumenten kann man aktuell vertrauen: Vor allem der niedrige Ölpreis dämpft die Inflation, so dass die Realeinkommen bei Tarifanhebungen von nahezu 3 % deutlich zulegen. Dies und die steigende Beschäftigung erhöhen die privaten Konsumausgaben in diesem Jahr um schätzungsweise 1,7 %. Dies entspricht in etwa dem Wirtschaftswachstum von kalenderbereinigt 1,6 % und unbereinigt bei mehr Arbeitstagen 1,8 %. Dr. Stefan Mütze Tel.: 0 69/91 32-38 50 Prognoseübersicht Deutschland Deutscher Außenhandel: Räumlich diversifiziert Nominale Nettoexporte in Mrd. €, monatlich, geglättet 2013 2014 2015p 2016p % gg. Vj. 0,2 1,6 1,6 1,6 Budgetsaldo % des BIP 0,1 0,6 0,3 0,3 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 6,5 7,6 7,7 7,6 % 6,9 6,7 6,4 6,1 % gg. Vj. 1,5 0,9 0,5 1,6 BIP*, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Strukturelle Investitionsschwäche in Deutschland *kalenderbereinigt p=Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Wo Licht ist, ist auch Schatten. Während die Bauinvestitionen 2015 mit schätzungsweise 2 % erneut überdurchschnittlich expandieren dürften, lässt die Kapitalbildung der Unternehmen zu wünschen übrig. Bereits im dritten Quartal 2014 waren die Ausrüstungen im Verlauf wieder rückläufig. Auch wenn zu Jahresende eine zögerliche Belebung stattgefunden hat, ist das Ausgangsniveau in diesem Jahr niedrig. Damit kann für 2015 nur mit einem Zuwachs von gut 2 % gerechnet werden. Erst allmählich dürften sich die Rahmenbedingungen wieder verbessern. Immer noch sinken die Erzeugerpreise bei gleichzeitig steigenden Lohnstückkosten in der Industrie. Damit hält der Druck auf die Ertragslage an. Immerhin nehmen die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe zu und die Kapazitätsauslastung ist im ersten Quartal 2015 leicht über den langjährigen Durchschnitt angestiegen. Die Finanzierungsbedingungen sind bereits seit längerer Zeit günstig und haben sich mit den nochmals gesunkenen Kapitalmarktzinsen und den Kurssteigerungen an den Aktienmärkten weiter verbessert. Unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung ist die Investitionstätigkeit in Deutschland strukturell schwach. In den letzten zehn Jahren lag die Nettoinvestitionsquote, also die Anlageinvestitionen abzüglich der Abschreibungen bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, bei nur rund 2 %. Dies ist auch im internationalen Vergleich ein eher niedriger Wert. Die wachsenden Märkte liegen häufig außerhalb Europas. Die deutschen Unternehmen produzieren und investieren deswegen vor Ort. Local-Content-Vorschriften sowie niedrigere Energie- und Arbeitskosten beflügeln diesen „Abwanderungsprozess“. So fanden die Investitionen der deutschen chemischen Industrie in den vergangenen Jahren verstärkt in den USA statt, da dieses Land mit extrem niedrigen Energiekosten punkten konnte. In der Automobilproduktion hat die Fertigung im Ausland deutlich zugenommen, während die Inlandsproduktion stagniert. Hierzu mussten entsprechende Auslandsinvestitionen vorgenommen werden. Im Inland müssen die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert werden, um deren Attraktivität zu steigern. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 7 . A P R I L 2 0 1 5 · © H E L A B A 2 KONJUNKT UR KOMPAKT USA: Warten auf die Fed Die US-Wirtschaft ist überraschend verhalten ins neue Jahr gestartet. Der Anstieg des realen BIP dürfte im 1. Quartal wohl nur bei gut 1 % gegenüber Vorperiode (Jahresrate) liegen. Möglicherweise fällt die erste Schätzung sogar noch etwas niedriger aus, denn auf die dämpfende Wirkung von kaltem und schneereichen Wetter im Februar dürfte im März eine Gegenbewegung gefolgt sein – diese wird sich aber in vollem Umfang erst in der zweiten und dritten Schätzung der Statistiker niederschlagen. Neben dem Wetter spielten als zweiter Sondereffekt die Verzögerungen bei der Containerabfertigung an den Westküstenhäfen eine Rolle. In welchem Maße diese für die schwachen Außenhandelszahlen im Q1 (geschätzte Jahresrate: -3 % bei den realen Exporten, +1 % bei den realen Importen) verantwortlich ist, bleibt offen. Dass die Kontraktion der Ausfuhren schon auf die ausgeprägte Dollarstärke zurückzuführen sein sollte, ist eher unwahrscheinlich. Eine Aufwertung braucht in der Regel einige Zeit, bevor sie sich in den Handelsvolumina niederschlägt. Patrick Franke Tel.: 069/91 32-47 38 Prognoseübersicht USA Vom Bremswirkung bisher keine Spur Nominaler Monetary Conditions Index (MCI), Dez.1995 =100 140 140 2013 2014 2015p 2016p % gg. Vj. 2,2 2,4 3,0 2,7 100 100 Budgetsaldo* % des BIP -4,0 -3,5 -2,6 -2,1 80 80 Leistungsbilanzsaldo % des BIP -2,4 -2,4 -2,5 -2,9 60 60 % 7,4 6,2 5,2 4,5 40 40 % gg. Vj. 1,5 1,6 0,7 2,7 120 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research * Bundesebene einschl. Sozialversicherungen p = Prognose 120 restriktiver 20 Dez 95 20 Dez 99 Dez 03 Dez 07 Dez 11 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Einiges spricht dafür, dass der konjunkturelle Schwung im 2. Quartal wieder merklich zunimmt. So bleibt die unterliegende Dynamik am Arbeitsmarkt hoch – in den drei Monaten bis März wurden netto fast 600.000 neue Stellen geschaffen. Die Arbeitslosigkeit nähert sich mit 5,5 % der Vollbeschäftigung. Der Gegenwind von der Fiskalpolitik flaut zunehmend ab. Gleichzeitig unterstützt die Geldpolitik nach wie vor die Konjunktur. Zuletzt kamen noch die Impulse von den niedrigeren Energiepreisen hinzu. Im weiteren Verlauf von 2015 werden die Zuwächse beim realen BIP daher wohl im Schnitt oberhalb des Trends von rund 2 % bleiben. Wegen des schwachen Q1 erwarten wir nun im Jahresschnitt 2015 ein Wachstum von 3,0 % (bisher: 3,3 %). Zinswende wohl im Juni Der kräftige Rückgang des Ölpreises hat bereits auf die Verbraucherpreise durchgeschlagen. Analog zum Pfad der Rohölnotierungen dürfte die Teuerungsrate im Q1 2015 ihr Tief ausbilden, wobei die Vorjahresrate vorübergehend leicht negativ ist. Danach sollte es jedoch basisbedingt wieder steil nach oben gehen. Wir erwarten für 2015 eine durchschnittliche Teuerung von 0,7 % (Kernrate: 1,7 %), wobei der Monatswert Ende des Jahres wohl wieder über 2 % liegen wird. Die von der Fed angekündigte geldpolitische Wende rückt daher verstärkt in den Fokus. Trotz der temporär niedrigen Teuerung bleibt die US-Notenbank auf Kurs, die Phase der extrem expansiven Geldpolitik graduell zu beenden. Die erste Zinserhöhung steht wohl für die Sitzung Mitte Juni auf der Agenda. Allerdings dürfte der folgende Straffungsprozess der Fed eher noch langsamer ausfallen als derjenige ab 2004. Eine kräftige Verschärfung der monetären Bedingungen zeichnet sich weiterhin nicht ab. Die Aktienkurse haben im 1. Quartal neue Höchststände erreicht und das Zinsniveau am Kapitalmarkt ist nach wie vor extrem niedrig. Vor diesem Hintergrund hat auch die starke Dollar-Aufwertung die monetären Bedingungen bislang nicht gestrafft. Damit verbessern sich auch die konjunkturellen Aussichten für 2016. Zwar dürften die Energiepreise wieder zunehmen. Die Fed erhöht die Zinsen aber später und langsamer als wir noch im vergangenen Herbst erwartet hatten. Renten- und Aktienmarkt laufen besser als unterstellt. Insgesamt steigen so die Chancen, dass das Wachstum 2016 höher als unsere aktuelle Prognose von 2,7 % ausfällt. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 7 . A P R I L 2 0 1 5 · © H E L A B A 3 KONJUNKT UR KOMPAKT Italien: Mehr als nur ein zyklischer Aufschwung? Italien hat sich in den letzten Jahren deutlich schwächer als die allermeisten seiner europäischen Nachbarn entwickelt. 2014 sank das Bruttoinlandsprodukt zum dritten Mal in Folge, wenn auch mit 0,4 % nur noch wenig ausgeprägt. Immerhin stagnierte die gesamtwirtschaftliche Leistung zum Jahresende und die Stimmungsindikatoren haben sich aufgehellt. Vor allem der wesentlich niedriger notierende Ölpreis dürfte dazu beigetragen haben, dass das Konsumklima besser geworden ist. Der schwächere Euro hat sich zudem positiv beim Geschäftsklima niedergeschlagen. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe überschritt im Februar mit 53,3 die Wachstumsschwelle von 50 Punkten deutlich. Damit ist zu erwarten, dass Italiens gesamtwirtschaftliche Leistung 2015 wieder zulegen wird. Aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus zu Jahresbeginn dürfte die Wachstumsrate aber nur 0,6 % betragen. Zudem stellt sich die Frage, wie nachhaltig diese Entwicklung ist. Dr. Stefan Mütze Tel.: 0 69/91 32-38 50 Prognoseübersicht Italien Italienischer Außenhandel generiert Wachstum Index: Q1 2010 = 100, real 2013 2014 2015p 2016p % gg. Vj. -1,7 -0,4 0,6 1,0 Budgetsaldo % des BIP -2,8 -3,0 -3,0 -2,8 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 1,0 1,8 2,8 3,4 % 12,2 12,7 12,5 12,0 % gg. Vj. 1,3 0,2 0,2 1,2 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Reformanstrengungen müssen weitergehen p=Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Die zunehmende Dynamik lässt sich im Wesentlichen auf „Windfall Profits“ wie den niedrigen Ölpreis und den schwachen Euro zurückführen. Diese Rahmenbedingungen dürften vorerst Bestand haben, was nichts an deren temporären Charakter ändert. Damit bleibt es wichtig, die Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft weiter zu erhöhen. Erste Schritte sind erfolgt: Die Arbeitsmarktreform hat notwendige Kündigungen erleichtert und unbefristete gegenüber befristeten Arbeitsverträgen attraktiver gemacht. Die Justiz-, die Verwaltungs- und die Wahlrechtsreform dürften demnächst umgesetzt werden. Mit der Verfassungsreform soll die Befugnis des Senats deutlich eingeschränkt werden, so dass politische Vorhaben künftig leichter umsetzbar sind. Diese Projekte können nur ein Anfang sein. Das entscheidende Problem Italiens ist die zu geringe Produktivität. Diese liegt heute sogar etwas unter dem Niveau bei der Euro-Einführung 1999. In keinem vergleichbaren europäischen Land ist eine derart negative Entwicklung zu beobachten. Die Lohnsteigerungen der vergangenen Jahre haben damit zu einem Lohnstückkostenschub und zu einer erheblichen Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit geführt. Um diesen Prozess umzukehren, muss an vielen Stellen angesetzt werden. Neben der in Angriff genommenen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie einer effizienteren Justiz und Verwaltung müsste vor allem das Bildungssystem mehr zu den von den Unternehmen benötigten Qualifikationen beitragen. Forschung und Entwicklung sind schwach ausgeprägt. Außerdem wird das Wirtschaftsleben durch Korruption und organisierte Kriminalität behindert. Der jetzt in Gang kommende Konjunkturaufschwung ist damit noch nicht ausreichend durch eine steigende Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen untermauert. Positiv entwickelt sich zurzeit der Außenhandel, der aufgrund steigender Nachfrage in den europäischen Abnehmerländern und wegen des schwachen Euro 2015 zum Wachstum beitragen dürfte. Schwachstelle der italienischen Konjunktur bleiben die Investitionen. Während sich die Ausrüstungen zumindest zu stabilisieren scheinen, ist die Bautätigkeit bis zuletzt gesunken. Die wichtigen privaten Konsumausgaben hingegen tragen seit geraumer Zeit wieder zum Wachstum bei. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 7 . A P R I L 2 0 1 5 · © H E L A B A 4 KONJUNKT UR KOMPAKT Großbritannien: Politische Risiken Den Briten müsste es doch gutgehen. Schließlich wuchs die britische Wirtschaft im abgelaufenen Jahr immerhin um 2,8 % – kaum ein Industrieland legte mehr zu. Die Arbeitslosenquote fällt seit Mitte 2013 deutlich und befindet sich nur noch einen halben Prozentpunkt über dem Vorkrisenniveau von 2008. Inflation kommt auch nicht vor, im Februar stagnierten die Preise im Vorjahrjahresvergleich. Infolgedessen müssten die am 7. Mai anstehenden Parlamentswahlen dem konservativen Regierungschef Cameron einen leichten Sieg versprechen. Die Umfragen hingegen legen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der oppositionellen Labour-Partei nahe. Eine absolute Mehrheit an Parlamentssitzen – alleine oder mit dem liberalen Koalitionspartner – erscheint jedoch in weiter Ferne. Christian Apelt, CFA Tel.: 0 69/91 32-47 26 Beim Blick auf die letzten fünf Jahre zeigt sich die wirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien hingegen weniger rosig. Die konjunkturelle Erholung verlief bis 2013 äußerst schleppend. Die realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sind kaum gewachsen. Eine zunehmende Beschäftigung ging z.T. mit fallenden Reallöhnen einher. Der im Fokus der Regierung stehende Abbau des Haushaltsdefizits ist zwar vorangeschritten – der Fehlbetrag hat sich von mehr als 10 % auf gut 5 % am BIP halbiert. Die krisengeschüttelten Länder Südeuropas waren dabei aber trotz eines noch schwächeren Wirtschaftswachstums erfolgreicher. Daher strebt die britische Regierung weitere Sparmaßnahmen nach den Wahlen an. Das Leistungsbilanzdefizit von 5,5 % ist ebenfalls kein Erfolgsausweis. Prognoseübersicht Großbritannien Bilanz Camerons: Arbeitsmarkt hui, Einkommen pfui Mrd. GBP 2013 2014 2015p 2016p % gg. Vj. 1,7 2,8 2,4 1,8 Budgetsaldo % des BIP -5,8 -5,4 -4,8 -4,0 Leistungsbilanzsaldo % des BIP -4,5 -5,5 -4,7 -4,0 % 7,6 6,2 5,6 5,4 % gg. Vj. 2,6 1,5 1,0 2,4 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Solide Konjunktur 2015 p=Prognose %-Punkte Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Die aktuelle konjunkturelle Lage sieht wenigstens solide aus. Zwar verlangsamt sich das Wachstum etwas. Der private Konsum dürfte aber das Wachstum stützen, zumal sich die Realleinkommen positiver entwickeln. Bei den Unternehmern hat sich die Stimmung nach einer spürbaren Eintrübung wieder aufgehellt. Daher sollten die Investitionen 2015 steigen, wenn auch weniger dynamisch als im Vorjahr. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr um 2,4 % expandieren. Mit einer Stabilisierung des Rohölpreises wird auch die Inflation wieder etwas zunehmen. Die Bank of England kann aber Ruhe bewahren. Gegen expansive geldpolitische Maßnahmen spricht das solide Wachstum. Solange die Löhne relativ verhalten zunehmen, sind auch die Inflationsrisiken eingedämmt. Eine Zinswende ist daher erst ein Thema für Anfang 2016. Der Wahlausgang ist offener denn je. Weder Konservative noch Labour können mit einer absoluten Mehrheit rechnen, auch zusammen mit den wohl geschwächten Liberaldemokraten dürfte es kaum reichen. Vermutlich werden die kleinen Parteien wie die Grünen, die EU-kritische UKIP und vor allem die schottischen Nationalisten (SNP) deutlich zulegen. Selbst eine von der SNP tolerierte Labour-Regierung oder ein von UKIP geduldetes konservatives Kabinett sind nicht auszuschließen. Schon eine Labour/SNP-Regierung wirkt wirtschaftspolitisch unattraktiv. Ein im Fall der Wiederwahl Premier Camerons kaum zu vermeidendes Referendum über einen britischen EU-Austritt könnte die britische Währung aber noch mehr belasten. Die Unsicherheit über den Wahlausgang sollte das Pfund zumindest zeitweise unter Druck setzen. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 7 . A P R I L 2 0 1 5 · © H E L A B A 5 KONJUNKT UR KOMPAKT Schweden: Vorsichtshalber Geldschwemme Dank eines fulminanten Schlussquartals hat die schwedische Wirtschaft im Jahresdurchschnitt 2014 nach zwei Jahren wieder ein reales Wachstum oberhalb der 2 % erzielt. Für 2015 deutet einiges auf eine weitere Beschleunigung hin, so dass mit einem Plus nahe 3 % zu rechnen ist. Dabei spielt die starke Inlandsnachfrage eine entscheidende Rolle. Insbesondere der Anstieg der Einzelhandelsumsätze hat sich Anfang 2015 fortgesetzt. Hier kommt die Zunahme der Beschäftigung zum Tragen. Wegen des stark wachsenden Arbeitskräfteangebots (u.a. durch Zuwanderung) spiegelt sich dies allerdings nicht adäquat im Rückgang der Arbeitslosenquote wider. Gleichzeitig wirken sich die derzeitige Abwesenheit von Inflation, aber auch die von einem Allzeithoch zum nächsten jagenden Hauspreise, positiv auf die Reallöhne und die Kaufkraft der Verbraucher aus. Marion Dezenter Tel.: 0 69/91 32-28 41 Prognoseübersicht Schweden Schwedische Konsumenten in Einkaufslaune OECD Einzelhandelsumsätze, Januar 2010 = 100 2013 2014 2015p 2016p % gg. Vj. 1,3 2,1 2,8 2,8 Budgetsaldo % des BIP -1,3 -2,2 -1,5 -0,7 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 6,5 5,7 5,4 5,0 % 8,0 7,9 7,8 7,6 % gg. Vj. 0,0 -0,2 0,5 1,7 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: EIU, Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research p=Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Was den Konsumenten freut, gibt der schwedischen Notenbank Anlass zur Besorgnis: Die Riksbank hat im März ihre Negativzinspolitik verstärkt und den Einlagezins auf -0,25 % gesenkt. Auch das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen wurde mit weiteren 30 Mrd. Kronen deutlich aufgestockt. Ziel ist eine Schwächung der Krone zum Euro, da die jüngsten Aufwertungstendenzen nach Auffassung der Riksbank das Deflationsrisiko verstärken. Der für die Geldpolitik maßgebliche Inflationsindex CPIF soll sich wieder in Richtung des Zielwerts von 2 % im Jahresdurchschnitt bewegen. Die Verbraucherpreise insgesamt waren 2014 rückläufig, sollten aber 2015 mit +0,5 % wieder moderat steigen. Riksbank zu weiteren Maßnahmen bereit Der Zentralbankrat geht von Negativzinsen mindestens bis 2016 aus. Er betonte, auch kurzfristig zu weiteren Maßnahmen bereit zu sein, um die Rolle der Inflation als Lohn- und Preisanker zu stärken. Denn mit ihrer Politik nimmt die Riksbank auch Einfluss auf die Inflationserwartungen und damit auf die anstehenden Lohnrunden. Das Risiko eines überhitzten Wohnungsmarktes – die schwedischen Hauspreise haben sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt – und die hohe private Verschuldung hat die Notenbank im Blick, appelliert aber an die Regierung, hier gegenzusteuern. Beim Wechselkurs machte sich die Lockerung unmittelbar bemerkbar, wobei die Krone zum US-Dollar ohnehin seit Anfang 2014 abwertet. Auch zum Euro hat die Krone über die letzten Monate an Wert verloren, jedoch besteht, bedingt durch gute Fundamentaldaten und das Anleiheankaufprogramm der EZB, trotz lockerer Geldpolitik im Verlauf von 2015 Potenzial für Zugewinne. Da einige der wichtigsten Handelspartner Euroländer sind (Deutschland, Finnland), wäre den Exporteuren allerdings eine schwächere Krone willkommen. Die konjunkturelle Erholung führt auch zu einer Verbesserung der Haushaltsdaten: Während die Staatsverschuldung (knapp 40 % des BIP) selten Schlagzeilen macht, ist der Haushaltssaldo mit zuletzt -2,2 % des BIP zwar im europäischen Vergleich unkritisch, verfehlt jedoch deutlich das Regierungsziel eines Überschusses. Ende 2014 wurden wegen diesbezüglicher Streitigkeiten schon Neuwahlen diskutiert. Nach dem rechtzeitigen Einlenken der Beteiligten im sogenannten Dezember-Abkommen dürfte ein Haushaltsüberschuss ab 2017 wieder realistisch sein. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 7 . A P R I L 2 0 1 5 · © H E L A B A 6 KONJUNKT UR KOMPAKT Prognoseübersicht Euroland Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise reale Veränderung gg. Vorjahr, % Veränderung gg. Vorjahr, % 2013 2014 2015p 2016p 2013 2014 2015p 2016p -0,4 0,9 1,3 1,4 1,4 0,4 0,2 1,4 Deutschland* 0,2 1,6 1,6 1,6 1,5 0,9 0,5 1,6 Frankreich 0,4 0,4 1,0 1,2 1,0 0,6 0,2 1,4 Italien -1,7 -0,4 0,6 1,0 1,3 0,2 0,2 1,2 Spanien -1,2 1,4 2,0 1,7 1,5 -0,2 -0,4 1,4 Niederlande -0,7 0,8 1,6 1,7 2,6 0,3 0,3 1,0 Österreich 0,2 0,3 0,5 1,3 2,0 1,7 1,1 1,5 Griechenland -3,3 0,8 0,5 1,5 -0,9 -1,4 -1,0 1,0 Portugal -1,4 0,9 1,0 1,5 0,4 -0,2 0,1 1,0 Irland 0,2 4,8 3,5 3,5 0,5 0,3 0,2 1,7 Großbritannien 1,7 2,8 2,4 1,8 2,6 1,5 1,0 2,4 Schw eiz 1,9 2,0 1,3 1,5 -0,2 -0,1 -0,6 0,6 Schw eden 1,3 2,1 2,8 2,8 0,0 -0,2 0,5 1,7 Norw egen 0,7 2,2 1,5 1,8 2,1 2,0 1,5 1,6 Polen 1,7 3,3 3,0 3,3 0,9 0,0 0,3 1,8 Ungarn 1,5 3,6 3,0 2,8 1,7 -0,2 0,4 2,0 Tschechien -0,7 2,0 2,0 2,6 1,4 0,4 0,6 1,8 Russland 1,3 0,5 -3,0 1,5 6,8 7,8 11,0 6,0 USA 2,2 2,4 3,0 2,7 1,5 1,6 0,7 2,7 Japan 1,6 -0,1 1,0 1,5 0,4 2,7 1,0 1,3 Asien ohne Japan 5,6 5,5 5,3 5,2 4,5 3,7 3,3 3,7 China 7,7 7,4 7,0 6,8 2,6 2,1 1,5 3,0 Indien 6,9 6,8 6,9 6,5 10,0 7,2 6,0 6,0 2,6 1,3 1,3 2,0 8,1 10,6 9,5 8,0 2,5 0,2 -0,5 1,0 6,2 6,3 7,0 6,0 2,9 2,9 3,0 3,2 2,9 3,0 2,4 3,1 Lateinamerika Brasilien Welt p = Prognose; *Deutschland: arbeitstäglich bereinigt; Quellen: EIU, Macrobond, Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 7 . A P R I L 2 0 1 5 · © H E L A B A 7
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