Helaba Volkswirtschaft/Research KONJUNKTUR KOMPAKT 6. Mai 2015 REDAKTION Dr. Stefan Mitropoulos Tel.: 0 69/91 32-46 19 [email protected] Die Welt im Blick ............................................................................................................................ 1 HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/ Leitung Research Japan: Wenig Dynamik .................................................................................................................. 4 Helaba Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Prognoseübersicht......................................................................................................................... 7 Deutschland: Geänderte Exportdestinationen ............................................................................ 2 USA: Rücksetzer im Q1 dämpft wieder Jahreswachstum .......................................................... 3 China: Schwacher Jahresauftakt – wie üblich ............................................................................. 5 Finnland: Regierungswechsel zum Ende der Rezession............................................................ 6 Die Welt im Blick Mütze, Dr. Stefan Tel 0 69/91 32-38 50 Konjunkturelle Belebung – jetzt auch in Italien Einkaufsmanagerindizes, Verarbeitendes Gewerbe, Saldo Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. Die Konjunktur in der Eurozone hat sich in den vergangenen Monaten weiter verbessert. Der schwache Euro, rekordniedrige Zinsen und der zeitweise halbierte Ölpreis haben sich positiv ausgewirkt. Dies zeigen auch die Einkaufsmanagerindizes. Während die Befragten in der spanischen Industrie schon seit längerem sehr optimistisch sind, hat sich die Lage in Italien erst jüngst deutlich verbessert. Da auch die italienischen Verbraucher mit mehr Zuversicht in die Zukunft schauen, dürfte das Land 2015 erstmals seit drei Jahren wieder ein positives Wirtschaftswachstum ausweisen, das allerdings mit 0,6 % niedrig ausfällt. Enttäuschend bleibt die Lage in Frankreich: Weiterhin erreicht die Industrie mit einem Einkaufsmanagerindex von 48 die formale Wachstumsschwelle von 50 Punkten nicht. Positiver ist die Situation allerdings im Dienstleistungsbereich, wo die 50Punkte-Marke in den vergangenen Monaten überschritten wurde. Trotzdem wird das Wirtschaftswachstum 2015 bestenfalls bei 1 Prozent liegen, während Deutschland kalenderbereinigt 1,6 % erreichen dürfte. Hierzulande stimulieren vor allem die dynamisch wachsenden privaten Konsumausgaben. Die Beschäftigung verbessert sich weiter und die Einkommen der privaten Haushalte steigen deutlich an. Allerdings legen die Tariflöhne stärker zu als die Produktivität, was mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen belastet. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M A I 2 0 1 5 · © H E L A B A 1 KONJUNKT UR KOMPAKT Deutschland: Geänderte Exportdestinationen Die deutsche Wirtschaft dürfte im ersten Quartal moderat gewachsen sein. Hoffnungen auf ein fast so starkes Wachstum wie zum Jahresende 2014 (0,7 % gg. Vq.), wie sie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geäußert wurden, scheinen übertrieben zu sein. Die Auftragslage der deutschen Industrie war im ersten Quartal eher schwach. Das Verarbeitende Gewerbe zehrte von seinen Auftragsbeständen. Die Produktion hat nur leicht zugenommen. Impulse sind auch von der Bautätigkeit ausgegangen. Der entscheidende Treiber sind zurzeit die privaten Konsumausgaben. So sind die realen Einzelhandelsumsätze zu Jahresbeginn deutlich angestiegen. Der Außenhandel dürfte hingegen nur wenig zum Wachstum beigetragen haben, so dass wir für das erste Quartal mit einem BIP-Wachstum von real 0,4 % gegenüber dem vierten Quartal rechnen. Die Prognose von 1,6 % Wirtschaftswachstum für 2015 bleibt bestehen. Dr. Stefan Mütze Tel.: 069/91 32-38 50 Prognoseübersicht Deutschland Bedeutung der Eurozone hat abgenommen Anteile der deutschen Exporte nach Ländern(-gruppen) an den Gesamtexporten, % 2013 2014 2015p 2016p % gg. Vj. 0,2 1,6 1,6 1,6 Budgetsaldo % des BIP 0,1 0,6 0,3 0,3 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 6,5 7,6 7,7 7,6 % 6,9 6,7 6,4 6,1 % gg. Vj. 1,5 0,9 0,5 1,6 BIP*, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Bedeutungsverlust der Eurozone gestoppt *kalenderbereinigt p=Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Exportdestinationen der deutschen Wirtschaft haben sich in den vergangenen Jahren erheblich geändert. Die strukturelle Schwäche der Eurozone hat dazu geführt, dass die Ausfuhren in den gemeinsamen Währungsraum seit 2000 um rund 10 Prozentpunkte auf gut 36 % gesunken sind. Der Überschuss, den Deutschland mit dem Rest des Währungsverbundes erzielt, hat sich seit 2008 in etwa halbiert. So mussten Länder wie Spanien und Italien in Folge der Euro-Schuldenkrise ihre Importe deutlich reduzieren. Gleichzeitig gelang es vielen Staaten, ihre Exporte nach Deutschland zu erhöhen. Diese Anpassungsprozesse haben somit zu einer nachhaltigeren Situation in der Währungsunion geführt. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exporteure erleichterte eine räumliche Umstrukturierung. So profitierten die Unternehmen vom starken Wachstum in den USA und in Asien. Auch haben die Exporte in wichtige osteuropäische Länder in den letzten Jahren zugenommen. Der deutsche Außenhandel gleicht damit einem gut strukturierten Depot, das Risiken in einzelnen Regionen austarieren kann. Nur gleichzeitige konjunkturelle Einbrüche in mehreren Regionen belasten die Konjunktur überdurchschnittlich. 2015 dürften die deutschen Ausfuhren um 4,5 % und die Einfuhren um 4 % zulegen, so dass ein moderater Wachstumsbeitrag erzielt wird. Dämpfend wirken weiterhin die Russland-Sanktionen und konjunkturelle Schwächen in vielen Schwellenländern. Zuletzt haben sich zudem die chinesischen Importe schwach entwickelt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die deutschen Unternehmen dem durch ihr hochspezialisiertes Exportsortiment ausweichen können. Hingegen kommen die Abschwächung des Euro, die weiterhin günstige Konjunktur in den USA und Großbritannien sowie die allmähliche Erholung in der Eurozone dem deutschen Außenhandel zugute. Gerade in den Krisenländern ist ein enormer Nachholbedarf z.B. bei Pkw und bei Kapitalgütern entstanden, von dem deutsche Unternehmen profitieren sollten. Der Bedeutungsverlust der Eurozone für die hiesigen Exporteure läuft damit voraussichtlich aus. Die Außenhandelsanteile dürften mittelfristig eher wieder zunehmen. Bei den Werten für die EU-28 zeigt sich dies bereits. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M A I 2 0 1 5 · © H E L A B A 2 KONJUNKT UR KOMPAKT USA: Rücksetzer im Q1 dämpft wieder Jahreswachstum Wie schon 2014 ist die US-Wirtschaft äußerst schwach ins neue Jahr gestartet. Im ersten Quartal legte das reale BIP nur um 0,2 % gegenüber Vorquartal (Jahresrate) zu. Erneut kamen diverse Sonderfaktoren zusammen, die einen Großteil der Enttäuschung erklären. Erstens war der Februar in Teilen der USA der kälteste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Dies dämpfte den Bau, den Konsum und auch die Aktivität im Verarbeitenden Gewerbe. Kräftige Schneestürme im Nordosten zu Beginn des Monats belasteten zusätzlich. Auch der März war überdurchschnittlich kalt. Zweitens brach das Transportvolumen von Containern in den Westküstenhäfen im Januar und Februar arbeitskampfbedingt fast so stark ein wie in der Krise Anfang 2009. Dies wirkte sich sowohl auf Exporte wie auf Importe negativ aus, ist aber wohl für den unerwartet negativen Wachstumsbeitrag vom Außenhandel insgesamt im ersten Quartal mitverantwortlich. Drittens hat die Öl- und Gasförderung in den USA schneller als erwartet auf den Ölpreisverfall reagiert. Die Zahl der Ölbohrtürme hat sich von Dezember bis April in etwa halbiert. Diese massive Anpassung wird in den BIP-Daten in den Kategorien Ausrüstungsinvestitionen und Gewerbebau reflektiert. Hier dürfte sich die Korrektur im zweiten Quartal noch fortsetzen, wenn auch mit verminderter Dynamik. Hinzu kam die kräftige Dollar-Aufwertung – der handelsgewichtete Außenwert war im Q1 rund 15 % höher als ein halbes Jahr zuvor. Auch dies könnte die Konjunktur gedämpft haben, allerdings wird die Auswirkung des Wechselkurses auf die US-Wirtschaft oft überschätzt. Patrick Franke Tel.: 069/91 32-47 38 Prognoseübersicht USA Erneute Delle zum Jahresauftakt Reales Bruttoinlandsprodukt, Veränderung in % 2013 2014 2015p 2016p 2,2 2,4 2,7 2,7 6 6 gg. Vq. (Jahresrate) 4 BIP, real % gg. Vj. 4 Trend 2 2 0 Budgetsaldo* Leistungsbilanzsaldo Arbeitslosenquote % des BIP -4,0 -3,5 -2,6 -2,2 % des BIP -2,4 -2,4 -2,6 -3,0 % 7,4 6,2 5,2 4,5 0 -2 -2 gg. Vj. -4 -4 -6 -6 -8 -8 -10 Inflationsrate % gg. Vj. 1,5 * Bundesebene einschl. Sozialversicherungen Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research 1,6 0,7 2,7 p=Prognose -10 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Im zweiten Quartal ist vor diesem Hintergrund mit einer kräftigen Gegenbewegung zu rechnen. Das reale BIP dürfte wieder mit einer laufenden Rate von rund 4 % expandieren. Der Gegenwind von der Fiskalpolitik flaut zunehmend ab. Gleichzeitig unterstützt die Geldpolitik nach wie vor die Konjunktur. Der spürbare Rückgang der Energiepreise entlastet zudem die Haushalte und stärkt die Kaufkraft. 2015 werden die Zuwächse beim realen BIP daher wohl oberhalb des Trends bleiben. Eine neutrale oder gar restriktive Geldpolitik liegt in ferner Zukunft. Für den Jahresdurchschnitt 2015 erwarten wir wegen des schwachen ersten Quartals allerdings nur noch ein Wachstum von 2,7 % (bisher: 3,0 %). Zinswende im Sommer Der kräftige Rückgang des Ölpreises hat bereits auf die Verbraucherpreise durchgeschlagen. Analog zum Pfad der Rohölnotierungen verzeichnete die Teuerungsrate ihr Tief im Q1 2015 – knapp unterhalb der Nulllinie. Danach sollte es jedoch basisbedingt wieder steil nach oben gehen. Wir erwarten für 2015 eine durchschnittliche Teuerung von 0,7 % (Kernrate: 1,7 %), wobei der Monatswert Ende des Jahres wohl wieder über 2 % liegen wird. Die von der Fed angekündigte geldpolitische Wende rückt daher verstärkt in den Fokus. Trotz der temporär niedrigen Teuerung bleibt die US-Notenbank auf Kurs, die Phase der extrem expansiven Geldpolitik graduell zu beenden. Die erste Zinserhöhung steht wohl im Sommer auf der Agenda. Allerdings dürfte der folgende Straffungsprozess noch langsamer ausfallen als derjenige ab 2004. Eine kräftige Verschärfung der monetären Bedingungen zeichnet sich daher trotz der Dollar-Aufwertung nicht ab – zumal wir den Hochpunkt der Dollarstärke in diesem Jahr schon gesehen haben dürften. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M A I 2 0 1 5 · © H E L A B A 3 KONJUNKT UR KOMPAKT Japan: Wenig Dynamik Die japanische Inflationsrate ist kurz vor der Rückkehr zur Nulllinie: Wenn im Aprilwert der Basiseffekt der letztjährigen Mehrwertsteuererhöhung wegfällt, wird es zu einem Sprung in der Teuerungsrate kommen. Lagen die gesamtwirtschaftlichen Preisveränderungsraten gegenüber Vorjahr in den letzten Monaten über 2 %, sind für diesen Sommer Werte um die 0 % herum zu erwarten. Dies indizieren auch die bereits deutlich gesunkenen Produzentenpreise, die mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf eng mit den Verbraucherpreisen korreliert sind. Schließlich drückt der niedrigere Ölpreis zusammen mit der mittlerweile verlangsamten Yen-Abwertung auf die Importpreise. Lediglich der Arbeitsmarkt nahe der Vollbeschäftigung könnte etwas preistreibend wirken, wenn sich die Lohnzuwächse über die großen, exportorientierten Unternehmen hinaus verbreiten sollten. Japan bewegt sich also wieder auf einem schmalen Grat, die Deflationsdiskussion geht in eine neue Runde. Zwar handelt es sich dieses Frühjahr letztlich nur um einen statistischen Effekt in der Vorjahresveränderungsrate der Konsumententeuerung, doch die Sorgen vor einem Abwärtstrend in der gesamtwirtschaftlichen Preis- und Konjunkturentwicklung sind groß. Ulrike Bischoff Tel.: 0 69/91 32-52 56 Prognoseübersicht Japan Inflation vor dem Sprung nach unten % gg. Vj. 2013 2014 2015p 2016p % gg. Vj. 1,6 -0,1 1,0 1,5 Budgetsaldo % des BIP -9,3 -8,3 -7,0 -6,0 Leistungsbilanzsaldo % des BIP 0,7 0,6 1,5 2,0 % 4,0 3,6 3,5 3,3 % gg. Vj. 0,4 2,7 0,7 1,0 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: EIU, Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Überalterung dämpft Wachstum mehr als Deflationstendenzen p=Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Allerdings gilt es sich in Erinnerung zu rufen, dass selbst während der 1990er Jahre in der sogenannten verlorenen Dekade Japans keine Deflationsspirale entstanden ist. Die negativen Preisveränderungsraten hielten sich jahrelang leicht unter der Nulllinie und die Auswirkungen auf die japanische Volkswirtschaft in Grenzen. Allerdings stellt das kontinuierliche Schrumpfen von Bevölkerung und Arbeitskräftepotenzial in Japan ein zunehmendes und signifikantes Wachstumshemmnis dar. Die politisch anvisierte Ausweitung der Frauenerwerbstätigkeit mildert den negativen Bevölkerungstrend allenfalls vorübergehend, da dies nicht gerade die Geburtenrate fördert. Seit dem Jahr 2000 ist das Pro-Kopf-BIP der japanischen Volkswirtschaft ähnlich stark gewachsen wie das in den USA (10 % gegenüber 12 % gemäß Bank für Internationalen Zahlungsverkehr). Produktivitätssteigerungen könnten in Japan insbesondere durch eine Deregulierung des Arbeitsmarktes und im Unternehmenssektor erzielt werden. Das Grundsatzproblem seiner Überalterung macht Japan letztlich mehr zu schaffen als die bald wieder schwache Inflation bzw. Deflation, da es das BIP-Wachstum nachhaltig beschränkt. Mit der Preisentwicklung auf niedrigerem Niveau besteht indes die Chance, dass die Reallohnveränderungen in den positiven Bereich zurückkehren. Seit Mitte 2013 sind die Gehälter in realer Betrachtung um durchschnittlich 2 % gegenüber Vorjahr gesunken, wodurch die Kauflaune der privaten Verbraucher erheblich beeinträchtigt wurde. Zuletzt hat sich die Konsumentenstimmung gleichwohl verbessert und dem langfristigen Durchschnitt angenähert, was auf eine leicht zunehmende Ausgabebereitschaft hindeutet. Insgesamt bleibt die Dynamik der japanischen Konjunktur- und Preisentwicklung allerdings vorerst verhalten. Das Wirtschaftswachstum sollte 2015 bei rund 1 % liegen und die jahresdurchschnittliche Inflationsrate etwas darunter. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M A I 2 0 1 5 · © H E L A B A 4 KONJUNKT UR KOMPAKT China: Schwacher Jahresauftakt – wie üblich Chinas Wachstum ist im ersten Quartal mit +1,3 % gegenüber dem Vorquartal wie in den letzten Jahren wieder hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Noch stärker als in den USA gibt es aber in der chinesischen BIP-Statistik eine Tendenz, dass das Jahresauftaktquartal oft das schwächste des jeweiligen Kalenderjahres ist. Dies dürfte 2015 wieder so sein. Das offizielle Wachstumsziel für das Gesamtjahr von rund 7 % noch zu erreichen, wird wegen des mäßigen Starts ins Jahr ambitioniert. Wir rechnen damit, dass die chinesische Regierung ihr Ziel 2015 knapp verfehlt und der Zuwachs des realen BIP bei 6,7 % liegen wird (bisher: 7 %). Patrick Franke Tel.: 069/91 32-47 38 Die Regierung bemüht sich daher schon seit einiger Zeit, durch niedrigere Leitzinsen, gesenkte Mindestreservesätze und andere, noch deutlich weniger transparente Maßnahmen wie Anweisungen an Staatsbanken oder direkte Liquiditätshilfen an Einzelinstitute die Kreditvergabe und damit die Konjunktur zu stimulieren. Sie geht dabei aber behutsam vor, denn erstens ist man sich der Problematik der seit 2009 aufgepumpten Kreditblase sehr wohl bewusst. Zweitens laufen die großen mittelfristigen Reformprojekte weiter, in denen die Regierung versucht, dem Markt größeren Raum in der chinesischen Wirtschaft zu verschaffen, sie stärker nach außen zu öffnen – auch für Finanzströme – und die bestehenden Ungleichgewichte (Stadt-Land, Investitionen-Konsum, Zentralregierung-untergeordnete Gebietskörperschaften, Immobilienblase) abzubauen. Dabei sind aus offensichtlichen Gründen Maßnahmen kontraproduktiv, die eine kurzfristig erhöhte Kreditvergabe an „die üblichen Verdächtigen“ – Staatsunternehmen und die Baubranche – bewirken. Die Liberalisierung des Finanzmarktes ist wohl ein wichtiger Treiber der aktuellen Schwäche am Immobilienmarkt. Hatten die Haushalte früher praktisch nur sehr eingeschränkte Investitionsalternativen zur Immobilie, werden nun Aktien und, durch schrittweise Freigabe der Guthabenzinsen sowie die Einführung einer Einlagensicherung, sogar Bankguthaben attraktiver. Mittelfristig wird sich der chinesische Privatanleger wohl auch stärker im Ausland engagieren. Prognoseübersicht China Trendwachstum bleibt im Sinkflug Reales Bruttoinlandsprodukt, % gg. Vj. 2013 2014 2015p 2016p 13 13 12 BIP, real Budgetsaldo Leistungsbilanzsaldo % gg. Vj. % des BIP % des BIP 7,7 -1,1 2,0 7,4 -1,1 2,1 6,7 -1,0 6,5 -1,5 2,1 2,1 11 10 10 9 9 8 8 7 % 4,1 4,1 4,1 4,1 7 Wachstumsziele der Regierung für die Gesamtjahre 6 Arbeitslosenquote 12 Istwerte 11 5 Mögliches Ziel für 2016 4 Inflationsrate % gg. Vj. 2,6 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Regierung hält das Pulver für die großen Kaliber trocken! 2,1 1,5 3,0 p=Prognose 6 5 4 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research. Weitere Schritte zur Stimulierung der Konjunktur sind in den kommenden Monaten wahrscheinlich. Allerdings sollten sie hauptsächlich dazu dienen, eine unerwünscht schnelle Abschwächung der Dynamik zu verhindern. Wegen der selbstauferlegten Restriktionen (s.o.) würde die Regierung eine Wiederauflage des massiven fiskalischen und monetären Stimulus von 2009 vermutlich nur dann riskieren, wenn sich ein „hard landing“ und/oder eine kräftigere Korrektur am Immobilienmarkt mit entsprechenden Auswirkungen auf die Finanzstabilität abzeichnen sollten. Jenseits der konjunkturellen Schwankungen befindet sich Chinas Potenzialwachstum auf einem graduellen Sinkflug, auf längere Sicht in Richtung 5 %. Auch im kommenden Jahr dürfte das Wachstum mit 6,5 % trotz der aktuellen geldpolitischen Lockerung etwas niedriger ausfallen als bisher erwartet (6,8 %). Insgesamt scheint die Transition zur neuen Normalität schneller zu gehen als vielfach antizipiert. Vor diesem Hintergrund ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass wegen des gestiegenen Gewichts Chinas in der Weltwirtschaft Raten von 6 % bis 7 % derzeit dem Rest der Welt mehr Impulse liefern, als es die zweistelligen Raten von vor zehn Jahren getan haben – nicht zuletzt, weil das Land heute nicht mehr so stark über die Nettoexporte wächst wie damals. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M A I 2 0 1 5 · © H E L A B A 5 KONJUNKT UR KOMPAKT Finnland: Regierungswechsel zum Ende der Rezession Finnland sucht nach Rezepten, um den anhaltenden Konjunkturproblemen Einhalt zu gebieten. Zwar hat sich der Schrumpfungsprozess des BIP 2014 abgemildert, das schwache Schlussquartal legt jedoch keine gute Basis für 2015. Nach -0,1 % im vergangenen Jahr kann daher auch in diesem Jahr nur von einem Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von 0,3 % ausgegangen werden. Seit den goldenen Zeiten von Nokia und der Blütezeit der Papierindustrie, die den Export beflügelten, hat sich damit das Blatt gewendet. Die Arbeitslosigkeit steigt insbesondere bei den Jugendlichen weiter und lag im März bei saisonbereinigt 9,4 %. Dass das reale BIP noch unter dem Vorkrisenniveau von 2007 liegt, verwundert daher nicht. Mitursächlich für die lange Flaute sind strukturelle Faktoren, wie eine hohe Steuerlast, der Anstieg der Lohnstückkosten und eine alternde Bevölkerung. Auch Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarkts sind in der Diskussion. Eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit tut Not, damit das Land den Anschluss an die anderen Länder in der Region nicht dauerhaft verliert. Die lockere Geldpolitik der EZB passt für das Euro-Mitglied Finnland gut: Die Inflation ist im ersten Quartal bei gesunkenen Energie- und Nahrungsmittelpreisen in den negativen Bereich gerutscht. Nennenswerte Preissteigerungen sind erst wieder für 2016 zu erwarten. Für den zunehmenden Optimismus der Verbraucher und die leicht gestiegenen Einzelhandelsumsätze dürfte dies eine wichtige Rolle spielen. Marion Dezenter Tel.: 0 69/91 32-28 41 Prognoseübersicht Finnland Erosion der Wettbewerbsfähigkeit Lohnstückkosten, OECD-Schätzungen, Index, 2007 = 100 2013 2014 2015p 2016p % gg. Vj. -1,3 -0,1 0,3 1,5 Budgetsaldo % des BIP -2,5 -3,2 -3,0 -2,5 Leistungsbilanzsaldo % des BIP -1,9 -1,8 -1,3 -1,0 % 8,4 8,7 9,0 9,0 % gg. Vj. 1,5 1,0 0,0 1,0 BIP, real Arbeitslosenquote Inflationsrate Quellen: EIU, Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research p=Prognose Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Eine Belastung für die finnische Wirtschaft stellt die Lage in Russland dar: Mit einem Anteil von rund 10 % ist Russland nach Schweden und Deutschland der wichtigste Abnehmer finnischer Exporte. 2014 war hier ein empfindlicher Rückgang zu verzeichnen, der einerseits auf die Rezession in Russland, andererseits auf das Embargo auf Lebensmittel zurückzuführen ist. Da offenbar militärische Aktivitäten auf russischer Seite zugenommen haben, ist Finnland durch die Unterzeichnung eines sogenannten „Memorandum of Understanding“ näher an die NATO gerückt, allerdings ohne dem Bündnis beizutreten. Unterstützung bekommen die Exporte von dem schwächeren Euro. Gegenüber Schweden, mit rund 12 % die wichtigste Exportdestination, hat die Gemeinschaftswährung jedoch seit Mitte 2012 aufgewertet. Haushaltsdefizit begrenzt Handlungsspielraum Aus den Parlamentswahlen im April ist erwartungsgemäß die Zentrumspartei mit dem voraussichtlichen Ministerpräsidenten Juha Sipilä als Sieger hervorgegangen, wenn auch ohne absolute Mehrheit. Aus dem Vollen schöpfen kann die neue Regierung bei einem Budgetdefizit von zuletzt 3,2 % und einer Verschuldung von rund 60 % des BIP nicht, wenngleich der Sparkurs der bisherigen Koalition unter der Führung der Konservativen in die Kritik geraten ist. Weiteren Steuererhöhungen wurde daher bereits eine Absage erteilt, der Fokus soll auf Wachstumsförderung liegen. Eine Priorität dürfte die Senkung der Sozialausgaben sein. Im Hinblick auf die Griechenland-Politik der EU wird auch die neue Regierung auf Regelkonformität und die Umsetzung von Reformen achten. Von möglichen Abschreibungen auf griechische Anleihen wäre Finnland allerdings kaum berührt: Nach dem starken Abschneiden der eurokritischen „Wahren Finnen“ in der letzten Parlamentswahl ließ sich die Regierung ihren Anteil am europäischen Hilfspaket für Griechenland 2011 auf einem Treuhandkonto besichern. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M A I 2 0 1 5 · © H E L A B A 6 KONJUNKT UR KOMPAKT Prognoseübersicht Euroland Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise reale Veränderung gg. Vorjahr, % Veränderung gg. Vorjahr, % 2013 2014 2015p 2016p 2013 2014 2015p 2016p -0,4 0,9 1,4 1,4 1,4 0,4 0,2 1,4 Deutschland* 0,2 1,6 1,6 1,6 1,5 0,9 0,5 1,6 Frankreich 0,4 0,4 1,0 1,2 1,0 0,6 0,2 1,4 Italien -1,7 -0,4 0,6 1,0 1,3 0,2 0,2 1,2 Spanien -1,2 1,4 2,5 1,8 1,5 -0,2 -0,4 1,4 Niederlande -0,7 0,8 1,6 1,7 2,6 0,3 0,3 1,0 Österreich 0,2 0,3 0,5 1,3 2,0 1,7 0,9 1,5 Griechenland -3,9 0,8 0,5 1,5 -0,9 -1,4 -1,0 1,0 Portugal -1,6 0,9 1,0 1,5 0,4 -0,2 0,1 1,0 Irland 0,2 4,8 3,5 3,5 0,5 0,3 0,2 1,7 Großbritannien 1,7 2,8 2,1 1,8 2,6 1,5 1,0 2,4 Schw eiz 1,9 2,0 1,3 1,5 -0,2 -0,1 -0,6 0,6 Schw eden 1,3 2,1 2,8 2,8 0,0 -0,2 0,3 1,5 Norw egen 0,7 2,2 1,0 1,8 2,1 2,0 2,3 2,0 Polen 1,7 3,3 3,0 3,3 0,9 0,0 -0,3 1,8 Ungarn 1,5 3,6 2,7 2,6 1,7 -0,2 0,2 2,0 Tschechien -0,7 2,0 2,5 2,8 1,4 0,4 0,4 1,8 Russland 1,3 0,5 -3,0 1,5 6,8 7,8 11,0 6,0 USA 2,2 2,4 2,7 2,7 1,5 1,6 0,7 2,7 Japan 1,6 -0,1 1,0 1,5 0,4 2,7 0,7 1,0 Asien ohne Japan 5,7 5,7 5,3 5,2 4,5 3,7 3,3 3,7 China 7,7 7,4 6,7 6,5 2,6 2,1 1,5 3,0 Indien 6,9 6,8 6,9 6,5 10,1 7,2 6,0 6,0 2,6 1,3 1,3 2,0 8,1 10,6 9,5 8,0 2,7 0,2 -0,5 1,0 6,2 6,3 7,5 6,0 3,1 3,2 3,1 3,3 3,1 3,1 2,6 3,2 Lateinamerika Brasilien Welt p = Prognose; *Deutschland: arbeitstäglich bereinigt; Quellen: EIU, Macrobond, Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 6 . M A I 2 0 1 5 · © H E L A B A 7
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