Trabi, Wartburg und Co. - Wie Ost-Autos zu Kultobjekten - MDR

Wie Ost-Auto zu Kultobjekten wurden | Manuskript
Trabi, Wartburg und Co. - Wie Ost-Autos zu Kultobjekten wurden
Bericht: Christian Bergmann, Sandro Poggendorf
Ein Stück ostdeutsche Heimat in Leipzig auf der Internationalen Automesse Ami: Messehalle
2. Das innovative Ausstellungsstück hier hat schon 30 Jahre auf dem Buckel, aber es
funktioniert noch heute und lockt selbst interkulturelle Paare an. Hier einen Mann aus
Bayern mit seiner Frau aus Brandenburg. Aber wie fühlt sich ein Bayer in der sogenannten
„Pension Sachsenruh“:
Reporterfrage: „Für Sie müsste der Himmel doch blau weiß sein?“
Messebesucher: „Das Blau ist schon nicht schlecht, da gibt es keine Wolken. Ich hab
natürlich die Socken mit den Löchern an.“
Reporterfrage: Haben Sie so etwas schon mal vorher gesehen?
Messebesucher: „Nee, Ich kenne das vom Film her aus dem Go Trabi Go, da hab ich das
gesehen, aber ansonsten.“
Seine ostdeutsche Begleitung zeigt ihm, wie der Osten es machte und springt sofort an. Nach
so einer beeindrucken Tuchfühlung kann man schon mal zittrige Beine haben.
Messebesucher: „ Faszinierend, wenn ich mir vorstelle, da ich da eine ganze Nacht
verbringen müsste, ja wenn es windstill ist und man mal irgendwann Ruhe hat, ok das ist
in Ordnung aber wehe da geht der Wind, also das halte ich für sehr unruhig.“
Reporterfrage: „Damit ist ja früher die klassische Familie verreist, zwei Erwachsene, zwei
Kinder. Können Sie sich das vorstellen?“
„Die zu viert darin? Nö.“
„Ich weiß wie man im Trabi schläft hinten.“
Reporterfrage: Alles ausprobiert?
Alles ausprobiert.
Dabei gäbe es so viel Neues auszuprobieren, hier auf der Messe. Schöner, schneller, weiter
ist das Motto. Ein neues Auto lockt an jeder Ecke. Ganz anders in Halle 2. Hier ist Überholen
ohne einzuholen die Devise, hier treffen sich die Anhänger der DDR Automobile. Feinste
Bückware wie Lada und Wartburg. Autos, zu denen man jahrzehntelange Bindungen
aufbaute. Alles greifbar und ganz ohne Wartezeit.
„Seit 1986 habe ich noch ne Bestellung. Krieg keinen.“
Reporterfrage: „Und Sie warten immer noch?“
„Ich warte immer noch.“
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Das Auto stand im Osten für Freiheit. Mit eigenem Dachzelt konnte die jeder finden, fast
jeder.
„Meine Regierung wollte nicht Camping machen, wir haben uns immer ein Quartier
organisiert.“
Reporterfrage: „Ihre Regierung?“
„Naja, die steht da!“
Das Dachzelt war extrem begehrt. Fehlende Ferienheimplätze machten es zu einem
Traumobjekt. Doch wie vieles im Osten: Mangelware. Wartezeit etwa drei Jahre . Nur 2.000
Zelte wurden produziert. Stückpreis ab 1600 Ost-Mark. Viel Geld damals. Doch im Ost
Fernsehen eitel Sonnenschein. Sogar Rekordversuche im kollektiven Massencamping wie
hier bei „Außenseiter Spitzenreiter“ wurden damit unternommen.
Reporterfrage: Parkt man dann oder zeltet man da?
„Da gibt es meines Erachtens noch Probleme, was geklärt werden müsste über die STVO
ob es eine Genehmigung gibt, dass man auf jedem öffentlichen Parkplatz auch das Zelt
aufbauen kann.“
Über 40 Jahre später hat selbst so mancher DDR Bürger Probleme mit dem
realsozialistischen Dachzeltaufbau.
Ingo Schramm:
„Mach mal erst vorne und schieb mal nach vorne die Stange, ne erst nach vorne. Vorne
Stange ansetzen.“
Nach einigen missglückten Handgriffen, dann doch endlich der Erfolg und das Zelt steht
sicher.
Ingo Schramm ist Besitzer dieser Ost-Autoträume und stellt sie auf der Messe aus.
Zusammen mit Ehefrau Kerstin hat der Elektriker in Staßfurt ein eigenes DDR-Automuseum
aufgebaut. Er weiß, warum die Ossis ihre Autos lieben.
Ingo Schramm:
„Die Leute haben viel länger über einen ganz langen Zeitraum dasselbe Auto gefahren,
egal mit welchen Macken und mit welchen Schönheiten dieses Auto versehen war. Und
heute ist die Schnelllebigkeit der Messe, das zeigt ja auch die Ami 2014, dass das der Trend
ist: immer wieder wechseln, immer wieder etwas neues, immer wieder was anderes.“
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In Ingo Schramms Automuseum ganz anders. Und so wie der Vater weiß auch Sohn Stefan,
der erst im Wendejahr 89 geboren wurde, wie viel Liebe und Zeit die Ostdeutschen in ihre
Autos steckten.
Stefan Schramm:
„Hier sieht man eine Blick da rein in die Werkstatt der damaligen Zeit, jeder hatte seine
Teile liegen auf Vorrat auch wenn man nicht alles bekommen hat, jeder hat trotzdem
einen kleinen Teil immer bei sich zu Hause gehabt und konnte somit selber an seinen
Fahrzeug schrauben und seine Ideen umsetzen in der eigenen kleinen Werkstatt.“
Und Ideen waren gefragt, denn es mangelte nicht nur an Neuwagen und Ersatzteilen. Selbst
Werkstatttermine waren wie ein 5er im Telelotto. Zum Glück war die eingesetzte Technik
durchschaubar, wie dieses Anschauungsmodell hier belegt.
Stefan Schramm:
„Hier schön zu sehen wie einfach die Mechanik der damaligen Zeit war alles einfach simpel
gehalten und selber zu reparieren.“
Einfache Technik auch in sensiblen Bereichen, aber diese Schnelle Medizinische Hilfe ist wie
die Niethose des Patienten aus der Mode gekommen. Dieses Übungsmobil der DDRFahrschule übrigens auch, schade eigentlich.
Stefan Schramm:
„Mein Fahrschulauto war natürlich schon der Golf war natürlich einfacher, alles
bequemer.“
In Messehalle 2 kann die Federung nicht hart genug sein. Hier gibt es Rennpappe zu
bestaunen. Keine reine Männersache. Bei den Trabis wusste sich jede Frau zu helfen.
Reporterfrage: „Haben Sie auch selber Hand angelegt im Bedarfsfall?“
„Hier Zündkerzen und gewechselt und Keilriemen mal mit gemacht da haben wir so ein
altes Ding genommen.“
Technische Fähigkeiten, die noch heute dem männlichen Trabi-Kenner Respekt abverlangen.
Passant:
„Das muss man schon geübt haben beim Trabi, das ist hier der Spannring, da sitz der ganze
Lüfter darauf und der Lüfter und die Lichtmaschine das ist alle über den Keilriemen
verbunden.“
Reporterfrage: „Da muss man alles abbauen.“
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„Da muss man alles abbauen und da müssen sie auch nach unten die Benzinleitung
herausnehmen. Das ist nicht einfach gewesen.“
Auch Promi-Messegast, Eduard Geyer, ehemaliger DDR-Fußballnationaltrainer musste oft
selbst Hand anlegen.
Eduard Geyer:
„Weil ich jahrelang einen Trabant hatte und jahrelang Wartburg gefahren bin und habe
natürlich auch diese einfache Technik kennengelernt auch mal einen Zylinderkopf und mal
ne Lichtmaschine auswechseln musste. Jetzt kuckt man rein kann gar nichts machen, sieht
zwar alles schön sauber aus.“
Schmutzige Hände hat man sich an Moskvic und Co oft geholt, doch das ändert nichts an der
zunehmenden Faszination für Ost-Vehikel. Das spürt auch dieser Trabi-Aussteller im
apfelsinenfarbenen Nikki.
Trabi-Veranstalter:
„Es gab so mal Zeiten, bis 95, wo sie gesagt haben hau ab mit dem Mist, da wollen wir gar
nichts mehr davon wissen. Heutzutage sagt man hätten wir damals das doch nicht
weggehauen, das schöne Zeug, das ist jetzt wirklich zu merken in den letzten drei Jahren
das wieder ein Boom entsteht über diese Ost Fahrzeuge.“
Leidenschaft nicht nur in der Messehalle, sondern auch auf der Piste, damals bei DDRMeisterschaften und heute noch am Sachsenring vor zehntausenden Zuschauern.
Die Faszination für DDR-Automobile spielt sogar bei der Vermarktung neuster
Automobiltechnik eine Rolle. Da präsentiert ein Hersteller aus Fernost sein Händlernetz
gleich in einer DDR-Karte, ganz nach dem Geschmack der Messebesucher:
Hostess:
„Es wurde von den Besuchern eher positiv aufgefasst, also die fanden das eher witzig ohh
schön mal wieder so eine Karte zu sehen.“
Und so sieht man sich in zwei Jahren in der Messehalle 2 bestimmt wieder.
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