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Urlaub im Krisenstaat | Manuskript
Urlaub im Krisenstaat
Beitrag: Ines Ziglasch, Sebastian Pittelkow
Mutter Ellen und Tochter Justine Sauer samt Freundinnen machen Urlaub im Krisengebiet.
Auch - wenn es nur manchmal danach aussieht. Die griechische Insel Kos ein Tag vor dem
großen Referendum. Auf dem Marktplatz demonstrieren Anhänger von Alexis Tsipras für ein
Nein, Oxi.
Ellen Sauer
„Bin ich mal gespannt. Als wir hierhin gefahren sind, war da auch eine Bank und da
standen ganz viele Leute in einer Schlange. Da geht es ja um die Existenz dann, dass die
nichts zu essen haben. Die müssen ja auch mit dem Geld auskommen. Wenn nichts mehr
da ist, schon schlimm."
Weltpolitik trifft auf Urlaubsstimmung und die Sauers mittendrin.
„Jetzt gehen wir noch ein bisschen shoppen.“
Deutsche Urlaubsfreuden im Pleitestaat.
Am nächsten Morgen. Das Kos Palace Hotel. Hier haben die Sauers eingecheckt und
genießen ihre Tage am Pool. Zwischen Sonnenöl und Badespaß, ist auch die Griechenkrise
Thema. Die deutsche Hotelchefin Reinhilde mischt sich ein.
„Sie müssen sich ändern. Die Politik muss anders werden. Aber. Das Volk kann nichts
dafür. Nee. Die können nichts dazu und die sind alle gleich geblieben. Supertoll."
Alles super toll… Balsam in Krisenzeiten für Hotelchefin Reinhilde Michalakopoulos. Die
Schwäbin ist vor 27 Jahren auf die griechische Insel Kos ausgewandert. Mit ihrem Mann hat
sie das 120-Betten-Hotel aufgebaut. Und jetzt?
„Wir hatten auch letzte Woche sechs Stornierungen und haben auch noch viele Optionen
drin. Im Moment. Die warten ab, bis Sonntag aufs Referendum und wie das alles ausgeht
und dann buchen die."
Am frühen Morgen schon steht die Chefin in der Hotelküche.
„Das gibt jetzt die Brötchen für morgen."
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Selbst Backen für die Gäste. Das kommt billiger. Vor sieben Jahren starb Reinhildes Mann,
kurz darauf rutschte das Land in die Krise. Für die Unternehmerin damals eine doppelte
Katastrophe.
„Ich vergleich immer: Die Lage wo mein Mann verstorben ist. Da war ich verschuldet bis
über die Ohren. Ich hab gedacht, ich kann das Haus nicht halten. Hab mich aber dann an
die Regeln gehalten. Viele Freunde haben mir geholfen. Hab Zins und Zins zurückbezahlt
und dann geht es auch. Dann ist man glaubwürdig, was ja jetzt unsere Regierung im
Moment nicht ist."
Die Blaschkes aus Sachsen- Anhalt sind mit Bargeld angereist. Das ist auch gut so. Denn die
griechischen Gastgeber, Hoteliers und Restaurantbesitzer kommen nicht an ihre Konten,
sind mehr denn je auf das frische Geld der Touristen angewiesen. Die Gäste bekommen
davon wenig mit.
„Wir sind auch mit sehr gemischte Gefühlen hierher, haben die Reise mit sehr gemischten
Gefühlen angetreten. Aber wir dachten, wenn wir genügend Bargeld mitnehmen und die
Kreditkarte zu Hause lassen, dann müsste es eigentlich eine Woche zu machen sein."
„Die Leute machen ihren Job und ich finde, einen sehr, sehr schönen Job, einen ruhigen
Job. Wir haben andere Länder erlebt, wo es italienischer zugeht."
Karen und Ralph - Griechen mit deutschen Wurzeln-haben unruhige Nächte. Gleich neben
Ihrem Cafe- einer der täglich belagerten Bankautomaten.
„Wir sehen das nicht so heftig wie auf dem Festland. Wo die Mehrheit dort irgendwie
arbeitsloser sind. Da ist nicht mehr viel Tourismus. Und die leiden richtig. Also und die
älteren Menschen- das ist noch schlimmer."
Tourismus. Davon lebt die Insel. Und Karen schon seit 20 Jahren. Jetzt hat sie - wie viele
andere Angst, vor dem was kommt.
„Die Touristen haben Angst, kein Geld mehr zu bekommen. Die bleiben im Hotel Das ist
sehr schlimm. Wir fühlen das- es wird von Tag zu Tag schlimmer."
Als Geschäftsleute sehen Karen und Ralph für die Urlaubsinsel nur einen Ausweg. Ja- zu
Europa. Ja zum Euro.
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Nein zur Krise im Urlaub sagen die Touristen. Trotz einiger Stornierungen, noch feiern die
Deutschen auf Kos als gäbe es kein Morgen, doch wenn es dämmert- kommt eine andere
Krise ans Licht. Diese Männer sind gerade illegal mit dem Schlauchboot gekommen. Die
Türkei liegt nur fünf Seemeilen entfernt. Sie sind nass und müde von der mehrstündigen
Überfahrt.
Stolz wird ein Video von der Ankunft an der griechischen Küste gezeigt. Und dann trifft Elend
auf Wohlstand. Betrunkene Briten und Kriegsflüchtlinge - auch das ist Kos.
Alexis ist einer der wenigen Freiwilligen, die Essen und Wasser für die Flüchtlinge sammeln.
Die Regierung tut nichts. In der Krise ist der Staat sich selbst am nächsten. In einem
heruntergekommenen Hotel am Rande der Stadt. Fernab von den Touristen sind die
Flüchtlinge untergebracht. Alexis verteilt Essensmarken. Jedes Mal hat er Sorge, dass die
Portionen nicht reichen. Die Menschen kommen aus Afghanistan, Pakistan und Syrien. Alle
sind dringend auf Hilfe angewiesen.
Alexis
„Wissen Sie, so wie es zurzeit aussieht, sind wir vielleicht bald Flüchtlinge. Mit der
Finanzkrise und so. Und das, was wir hier tun ist nur menschlich."
Der Englischlehrer Alexis wird beim Referendum mit NEIN -gegen die Sparmaßnahmen
stimmen. Denn noch mehr sparen, hieße noch weniger Flüchtlingshilfe.
Auch Hotelbesitzerin Reinhilde Michalakopoulos - die Schwäbin- rückt fast jeden Tag mit 80
Essen an.
„Wenn die Leute nichts zum Essen haben, dann haben wir die draußen. So sind die jetzt
alle hier, die bleiben hier und man hat keine Probleme. Und es sind ja auch Menschen, die
haben Hunger."
Mittags vor der Polizeistation. Die Flüchtlinge warten auf ihre Papiere. Auf der anderen
Seite: die Blaschkes aus Sachsen-Anhalt. Eine Woche Kos heißt für sie: Sonne, Sommer,
Souvflaki. Pauschal. Und die Flüchtlinge?
„Ich bin einfach hier im Urlaub, weil Urlaub ist. Und Urlaub ist nicht sehr lang. Ist nur eine
Woche und da kann ich das ausblenden. Ich mach mir darüber hier in Griechenland nicht
so große Gedanken, zu Hause schon. Zu Hause berührt mich das mehr."
Die Blaschkes im Urlaubsmodus: Augen zu und Spaß haben.
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Der Tag des Referendums. Die Schicksalswahl. Karin und Ralph die Deutsch-Griechen mit
eigenem Touristen-Café setzen viel Hoffnung in die Abstimmung. Sie sind für JA.
Es gibt noch eine leichte Hoffnung. Es gibt noch eine leichte Hoffnung."
Eine Stunde später könnte die Niederlage nicht größer sein:
Ralph „Ich bin persönlich bin richtig enttäuscht jetzt. Ich hab es nicht erwartet."
Am Tag darauf. Flughafen. Die Blaschkes beenden ihren Urlaub. Die Griechen stecken weiter
in der Krise.
„Oxi, Oxi, hat es geheißen. Das ist die Lösung, ja? Nun müssen wir sehen, was es wird. Wir
haben nichts gemerkt. Für uns wars gut."
Urlaub im Krisenstaat. Auf den griechischen Inseln ist das noch kein Problem.
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