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LBBW RESEARCH
Burkerts Blick
Kommentar des LBBW Chefvolkswirts
Tiefe Ölpreise – wie lange
noch?
Uwe Burkert
Chefvolkswirt und
Leiter Research
[email protected]
FOKUS
ROHÖL
Die Ölnachfrage legt zwar kräftig zu, das Angebot steigt aber noch
stärker.
Der Ölpreis fällt auf den niedrigsten Stand seit über sechs Jahren! Diese gute Nachricht für
die Ölverbraucher gilt zwar aktuell nur für ein Barrel der Sorte WTI-Öl in Nordamerika,
aber auch der Preis für das Nordseeöl Brent ist derzeit sehr günstig. Erinnerungen an
2008 – den letzten Ölpreiscrash – werden wach: Damals fiel der Preis für ein Barrel Brent
sogar kurzzeitig unter die 40-Dollar-Marke. Die Vorzeichen waren jedoch andere: Die
Weltwirtschaft litt unter den Folgen des Lehman-Kollaps‘ und der darauf folgenden schweren Rezession. Inzwischen ist die Weltkonjunktur jedoch wieder auf Wachstumskurs, die
Nachfrage nach Rohöl wächst in einem solchen prosperierenden Umfeld naturgemäß
ebenfalls. So wurde die Schätzung für das Wachstum der globalen Rohölnachfrage zuletzt
von der Internationalen Energieagentur in Paris für das laufende Jahr sogar auf 1,6 Millionen Barrel pro Tag, die höchste Wachstumsrate seit über fünf Jahren angehoben.
Wie passt das alles zusammen: Ein Fünfjahreshoch im Nachfragewachstum und ein Sechsjahrestief des Ölpreises? Nun, bekanntlich bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis,
und an den Ölmärkten war zuletzt vor allem die Angebotsseite wesentlicher Bestimmungsfaktor. Denn die OPEC, allen voran Saudi-Arabien, sorgte im November letzten Jahres für
eine Gezeitenwende an den Rohölmärkten. Das Kartell stand seinerzeit im Umfeld eines
bereits überversorgten Marktes vor einem Dilemma: Entweder man senkt die Fördermenge
und hält damit den Preis über 100 US-Dollar je Barrel, oder aber man verliert weitere
Marktanteile an „unkonventionelle“ Förderer, d.h. v.a. die Schieferölanbieter in den USA.
Den Saudis dürfte damals bewusst gewesen sein, dass sie in diesem Fall den Löwenanteil
zu tragen hätten, weil manches Kartellmitglied ja zuvor nicht unbedingt durch Förderdisziplin aufgefallen war. Man entschied sich daher für das „oder“: Die Fördermenge wurde
konstant gehalten. Die Rhetorik der Saudis offenbarte die neue Strategie unmissverständlich: Die OPEC wollte das Förderwachstum außerhalb der OPEC, vor allem des Schieferöls
in den USA, eindämmen.
Die Frage ist nun: Wann bildet sich ein neues Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage an den Ölmärkten? Der Zeitpunkt hat sich vermutlich bis weit ins Jahr 2016 hinein
verschoben. Die vorläufigen Daten zur Ölförderung im Juli bestätigen nämlich den expansiven Förderkurs der Saudis, die mit 10,57 Mio. Barrel Fördermenge pro Tag einen neuen
Rekordwert in ihrer Produktion erzielten. Für die tiefen Ölpreise zollt das Königreich aber
einen hohen Tribut: So sind die saudischen Fremdwährungsreserven seit ihrem Hoch im
August vorigen Jahres um über 50 Mrd. USD gefallen, weil die Öleinnahmen die hohen
Staatsausgaben (v.a. für Militär und Infrastruktur) nicht mehr decken können. Die noch
unbestätigte Meldung, wonach Saudi-Arabien in größerem Stil Staatsanleihen begeben
möchte, passt in dieses Bild, zeigt aber auch, dass man sich in der Hauptstadt Riad offenbar auf eine längere Phase niedriger Öleinkünfte einstellt. Eine Abkehr der expansiven
FREITAG, 21. AUGUST 2015
MARKT
GLOBAL
Ölpreis fällt auf niedrigsten Stand seit
sechs Jahren, obwohl Ölnachfrage so stark
wie seit fünf Jahren nicht mehr wächst.
Wie passt das zusammen?
OPEC will Marktanteile halten und sich die
Konkurrenz aus den USA vom Leibe halten.
Wann bildet sich ein neues Gleichgewicht
auf dem Ölmarkt?
Saudi-Arabien muss wegen mangelnder
Einnahmen Anleihen aufnehmen.
BITTE BEACHTEN SIE DEN DISCLAIMER UND WICHTIGE OFFENLEGUNGSTATBESTÄNDE IM ANHANG-1
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Politik der Saudis ist (noch) nicht in Sicht.
Zudem drängt der große Konkurrent Saudi-Arabiens Iran nach der Einigung im Atomstreit
mit den USA zurück an den Ölmarkt. Erfüllt man in Teheran die im Wiener Abkommen
vereinbarten Bedingungen zum Atomprogramm, ist bereits im kommenden Jahr über
500.000 Barrel pro Tag zusätzliches Ölangebot seitens Iran auf dem Ölmarkt zu erwarten.
Mittelfristig könnte Iran damit wieder zu seinem Nachbarn Irak aufschließen, der seine
Produktion trotz IS-Terrors im Land ebenfalls auf neue Rekordniveaus anheben konnte.
Außerhalb der OPEC dürfte die Ölförderung 2016 zudem nur leicht rückläufig sein. Mit
entsprechender Zeitverzögerung dürfte die Strategie der OPEC zwar ihre Wirkung entfalten, wonach zunächst andere Anbieter aus dem Markt gedrängt werden sollen. Das Ölangebot aus den USA zeigte sich jedoch bis dato robuster als vielfach erwartet. Weil derzeit
an den Terminmärkten auch die längeren Laufzeiten kräftig unter Druck kommen, weht
der Wind den US-Schieferölproduzenten aber nun kräftiger ins Gesicht, auch wenn diese
ihre projektierten Fördermengen im ersten Halbjahr 2015 noch zu attraktiveren Preisen
absichern konnten. Die Zunahme der viel beachteten „Baker Hughes Rig Counts“, also der
Zahl der aktiven Bohranlagen in den USA, dürfte daher nur ein kurzes Intermezzo sein.
Es wird also noch eine Weile dauern, bis das tägliche Überangebot an den Ölmärkten
abgebaut werden kann, zumal auch auf der Nachfrageseite Zweifel über die Konjunkturlage im wichtigsten Ölimportland China aufkeimen. Hinzu kommen spekulativ orientierte
Investoren von Terminkontrakten und den v.a. von großen institutionellen Anlegern gern
verwendeten Indexfonds (Exchange Traded Funds – ETFs), die zu vermeintlich günstigen
Preisen investiert haben und im Falle von Zwischenerholungen auf dem Ölmarkt ihre
Positionen (preisdrückend) auflösen dürften.
Insgesamt spricht damit vorerst nur wenig für eine nachhaltige Erholung der Ölpreise.
Allerdings dürften uns auch die hohen Schwankungen von Brent und WTI erhalten bleiben.
Ich gehe daher davon aus, dass der Preis für die Sorte Brent in den nächsten zwölf Monaten in einer Bandbreite zwischen 40 USD und 65 USD schwanken dürfte. Die Basis für
deutlich höhere Preise in einigen Jahren wurde allerdings auch bereits gelegt - schließlich
wird derzeit nur wenig investiert und die Nachfrage in der kommenden Dekade kann
womöglich kaum gedeckt werden. Aber bis dahin steht uns noch der eine oder andere
Sommer mit günstigen Benzinpreisen bzw. Winter mit tiefen Heizölpreisen bevor. Ihre
Haushaltskasse wird sich freuen!
Iran-Comeback: Vorbild Irak.
US-Schieferöl noch robust, Produktionseinbruch aber nur eine Frage der Zeit.
Überangebot an den Märkten dürfte damit
weiter Bestand haben, zumal Zweifel auf
der Nachfrageseite aufkeimen.
Preise auf absehbare Zeit günstig.
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FREITAG, 21. AUGUST 2015
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Am Hauptbahnhof 2
70173 Stuttgart
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Fax +49 711 127-25191