Head of Research Uwe Burkert Chefvolkswirt + 49 / (0) 7 11/ 1 27–7 34 62 [email protected] Chinas turbulenter Jahresauftakt. Wie passen Yuan-Abwertung, Liquiditätskrise in Hongkong und der Ausverkauf bei Aktien zusammen? Landesbank Baden-Württemberg Seite 1 © Landesbank Baden-Württemberg Autor: Julian Trahorsch Economist + 49 / (0) 7 11 / 1 27-7 66 83 [email protected] China vermasselt den Jahresauftakt – Indikatoren schwach, aber bislang nicht katastrophal. Unser China-Bild auf den Punkt gebracht Der chinesische Aktienmarkt hat kaum Aussagekraft als Frühindikator für die chinesische Wirtschaft, das gilt sowohl im Bullen- als auch im Bärenmarkt. Allerdings waren auch die tatsächlichen Frühindikatoren zuletzt durchweg auf Moll gestimmt. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe sank z.B. im Dezember von 48,6 auf 48,2 Punkte. Dies passt zu unserer Prognose einer etwas holprigen Wachstumsverlangsamung. Wir erwarten einen weiteren Rückgang des BIP-Wachstum von rund 7 % auf 6,5 % in diesem Jahr. Dies ist u.E. auch keine vorübergehenden Wachstumsdelle, China befindet sich auf dem Weg in eine „Neue Normalität“, die durch einen wachsenden und teilweise immer noch boomenden Dienstleistungssektor und einen auf Jahre hin von Überkapazitäten belasteten (Schwer-)Industriesektor gekennzeichnet ist. Den notwendigen Anpassungsprozess begleitet die Regierung mit Leitzinssenkungen, Steuererleichterungen und einer schrittweisen Öffnung des Kapitalmarkts. Diese Maßnahmen dürften das Risiko einer „harten Landung“ reduzieren, eliminieren können sie es jedoch nicht. Die Wirtschaftsdynamik hat ein schwer kontrollierbares Eigenleben entwickelt, das sich nicht durch Pekings Fünfjahrespläne organisieren lässt. Wir schätzen das Szenario einer „harten Landung“ mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % ein. Eine weitere Möglichkeit, die Wirtschaft zu stützen, ist die Abwertung der Währung. Die ersten Aktionen der PBOC in diesem Jahr deuten darauf hin, dass bei der Zentralbank ein Umdenken nach der IWFEntscheidung („Weltreservewährung“) Anfang Dezember stattgefunden hat. Die Marktkräfte fordern einen schwächeren Yuan, wenn Peking dem Markt nachgibt, kann sich der IWF kaum darüber beschweren. Peking schlägt mit der Liberalisierung der Währung zwei Fliegen mit einer Klappe. Quelle: LBBW Research Seite 2 © Landesbank Baden-Württemberg China: Schafft die Partei ihr Wachstumsziel von rund 7 %? Am 19. Januar kommt die Zahl zu Q4. Monatliche Schätzung des BIP von Bloomberg in % 11 10 9 8 7 6 Nov. 15 Aug. 15 Mai. 15 Feb. 15 Nov. 14 Aug. 14 Mai. 14 Feb. 14 Nov. 13 Aug. 13 Mai. 13 Feb. 13 Nov. 12 Aug. 12 Mai. 12 Feb. 12 Nov. 11 Aug. 11 Mai. 11 Feb. 11 Nov. 10 Aug. 10 Mai. 10 5 Quelle: Bloomberg Seite 3 © Landesbank Baden-Württemberg Laut einem Modell von Bloomberg lag das durchschnittliche BIP-Wachstum im vierten Quartal bei rund 6,7 %. Damit liegt der Jahreswert dann bei 6,9 %, was für die Partei wohl als „rund 7 %“ gilt. Das Bloomberg-Modell schätzt allerdings das offizielle BIP, wie jedes Quartal wird auch am nächsten Dienstag die Diskussion aufkommen, inwieweit die BIP-Zahlen verlässlich sind, und wie immer wird man zu dem Schluss kommen: Die Qualität ist schlecht, es gibt aber keine anderen Daten, um die Situation in China einzuschätzen als die der Statistikbehörde. Sicher ist: Die Wirtschaft verliert von hohem Niveau weiter an Dynamik, das zeigen die Frühindikatoren. China: PMI seit Monaten unter 50 – Prognose des BIP-Wachstums 2016: 6,5% Caixin PMI Verarbeitendes Gewerbe Der Rückgang des chinesischen PMI auf 48,2 Punkte hat wohl zur erneuten Marktdiskussion um die Wirtschaftsdynamik im Reich der Mitte gesorgt. Die Diskussion nahm Anfang des Jahres am chinesischen Aktienmarkt panikartige Züge an. Verschärft wurde die Situation durch verschiedene Maßnahmen der chinesischen Regulierer. 53 52 51 50 49 48 47 46 45 44 Dez. Feb. Apr. Jun. Aug. Okt. Dez. Feb. Apr. Jun. Aug. Okt. Dez. 13 14 14 14 14 14 14 15 15 15 15 15 15 Quellen: LBBW Research, Thomson Reuters Seite 4 © Landesbank Baden-Württemberg Chinas Aktienmarkt startet turbulent ins neue Jahr. Aktienmarkt China (A-Share-Index) 5500 CHSASHR 5500 5000 5000 4500 4500 4000 4000 3500 3500 3000 3000 2500 2500 2000 J F M A M Shanghai A-Aktien-Index 200-Tage-Linie J J A S O N D So u r c e : Th o m s o n 2000 J Re u t e r s Da t a s t r e a m Quelle: LBBW Research, Thomson Reuters Datastream Seite 5 © Landesbank Baden-Württemberg Die Aktienmärkte an den Festlandbörsen in Shanghai und Shenzhen sind mit Verlusten von über 10% ins neue Jahr gestartet. Auslöser waren neben den zuletzt enttäuschenden Konjunkturdaten eine neuerliche Abwertung des Yuan sowie börsentechnische Faktoren wie z.B. das Auslaufen eines seit einem halben Jahr geltenden Aktien-Verkaufsverbots für Großaktionäre. Eine Belastung des Konsums erwarten wir durch den aktuellen Kurseinbruch nicht. Nur fünf Prozent der Haushalte besitzen Aktien. Wenngleich weitere Kursverluste an den Festlandsbörsen nicht auszuschließen sind, rechnen wir in den kommenden Wochen mit einer Stabilisierung. H-Aktien im Ausverkaufsmodus. China H-Share-Index und Bewertung 00 0'S 40 20 18 35 16 30 14 25 12 20 10 8 15 6 10 4 5 0 04 05 06 07 08 KGV H-Aktien H-Aktien-Index (rechte Skala) 2 09 10 11 12 13 14 So u r c e : 15 T h o m s o n Re u t e r s 0 Da t a s t r e a m Quelle: LBBW Research, Thomson Reuters Datastream Seite 6 © Landesbank Baden-Württemberg Vor einem Engagement an den spekulationsgetriebenen Börsen in Shanghai und Shenzhen raten wir weiter ab. Optimistischer sind wir für die in Hongkong gehandelten H-Aktien. Der HSCEI-Index weist aktuell nur noch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 6,2 (2016e) auf. Der Abschlag gegenüber dem MSCI-World-Index beträgt mittlerweile über 60 %. Anmerkung: Das niedrige durchschnittliche KGV ist laut IIF wohl auch durch den hohen Anteil chinesischer Banken im Index nach unten verzerrt. Die KGVs zwischen den Branchen variieren bei chinesischen Aktien teilweise massiv. Chinesische Banken haben sehr niedrige KGVs. Offshore Renminbi handelt schwächer als onshore – Wohl Grund für jüngste PBoC Aktion. On-Shore und Off-Shore Renminbi-Kurs Die langfristige historische Betrachtung zeigt, dass der Onshore und Offshore Renminbi-Kurs fast identisch verliefen. Die Abweichung zwischen den beiden Kursen ist im Zeitverlauf unterschiedlich stark. Seit der Einführung des neuen Währungsregimes am 11. August 2015 hat sich die Differenz ausgeweitet. Quellen: Bloomberg, LBBW Research Seite 7 © Landesbank Baden-Württemberg China: Nach Intervention am Off-Shore Markt schießen Interbanksätze nach oben. Hongkong Interbank Offered Rate (HIBOR) in % Quellen: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 8 © Landesbank Baden-Württemberg Der Anstieg der Interbankzinsen in Hongkong ist mit einer Angebotsverknappung von CNH in Hongkong zu erklären. Die PBoC hat angefangen den Yuan auch offshore in Hongkong zu stützen, indem CNH angekauft wird. Dies könnte zu einer Angebotsverknappung von CNHWertpapieren geführt haben. Viele Investoren waren wohl CNH short, um von einer weiteren Abwertung zu profitieren. Diese Shortpositionen müssen nach der Intervention nun gecovert werden. Die chinesische Notenbank zeigt damit ihre Bereitschaft, auch richtig schweres Geschütz gegen Short-Investoren aufzufahren. Sowohl Notenbank als chinesische Regierung haben mit dem Krisenmanagement alle Hände voll zu tun. Chinas Währungsreserven in Milliarden USD Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 9 © Landesbank Baden-Württemberg Die Zentralbank stützt den Yuan und versucht eine Balance zwischen der verkündeten Liberalisierung und dem Risiko einer Kapitalflucht, falls die Währung zu stark abwertet, zu erreichen. Die Reserven fielen aufgrund der Stützungskäufe in den vergangenen Monaten durchschnittlich um rund 40 Mrd. US-Dollar pro Monat. Wenn die Notenbank oder staatliche Banken in Honkong und Shanghai die Währung bspw. über Verkäufe von US-Staatsanleihen stützen, also die Erlöse in CNY oder CNH umtauschen, wird dies als Kapitalabzug aus China in der Kapitalbilanz aufgeführt, falls der Käufer der US-Dollar ein Ausländer ist. Dies dürfte Zahlen zur Kapitalflucht aktuell nach oben übertreiben. China: Kapitalflucht im Dezember? ZentralbankIntervention verzerrt Dimension wohl nach oben. Zu- und Abflüsse von Portfolioinvestitionen in Mrd. USD laut Bloomberg-Schätzungen 100 50 0 2006 2007 2008 -32 -50 -100 2009 -69 2010 2011 2012 -26 2013 2014 2015 -43 -87 -111 -150 -200 -194 Quelle: LBBW Research, Bloomberg, IIF Seite 10 © Landesbank Baden-Württemberg Der abgebildete Index gibt Abflüsse von sog. „hot money“ an. Der Index erfasst auch illegalen Kapitalverkehr, welche die Kapitalverkehrskontrollen umgehen. Der IIF schätzt, dass sich die gesamten Nettokapitalabflüsse (inkl. Währungsreserven und Direktinvestitionen) im Dezember auf 162 Mrd. USD erhöht haben. Die Bloomberg-Schätzung für Dezember wurde noch nicht veröffentlicht. Für den Abzug von Kapital von privaten Anlegern aus China verantwortlich sind wohl das Ende der Aktienhausse und das Ende der Währungshausse. Der Yuan ist keine Einbahnstraße mehr. Mit der Liberalisierung kommt auch die Vola und die Möglichkeit der Abwertung. USDCNY: Abwertung wurde eigentlich erwartet – Viele Gründe sprechen für einen Schwächeren Yuan. Wechselkurs USD/Renminbi Yuan Pro & Contra Renminbi 7,00 7,00 6,90 6,90 6,80 6,80 6,70 6,70 6,60 6,60 6,50 6,50 6,40 6,40 6,30 6,30 6,20 6,20 6,10 6,10 6,00 Dez 2011 Dez 2012 USDCNY Dez 2014 Dez 2015 6,57 7,14 Ø 2015 6,28 6,98 - 6,00 Dez 2016 - Prognose Kurs aktuell USDCNY EURCNY Dez 2013 - Historie 31.12.2015 Ø H2 2015 6,49 7,09 6,35 7,01 Mrz 2016 6,55 6,88 Prognose Jun 2016 6,60 6,93 Dez 2016 6,70 7,24 Hinweis: Unsere Prognosen basieren auf dem Onshore Handel in Festlandchina. Internationale Marktteilnehmer haben in Hongkong die Möglichkeit, den Renminbi zu handeln (EURCNH). Der Onshore- und Offshore-Handel läuft weitgehend parallel . Quelle: Thomson Reuters, LBBW Research Seite 11 © Landesbank Baden-Württemberg Der Caixin Einkaufsmanagerindex lag im Dezember zum zehnten Mal in Folge unter der Expansionsschwelle. Die PBoC stabilisiert die Währung aktuell mit ihren Devisenreserven, um keine Panik auszulösen. Mittelfristig ist der Preis hierfür jedoch zu hoch. Der Yuan hat durch die Kopplung an den US-Dollar trotz Wachstumsverlangsamung gegen wichtige Handelspartner effektiv aufgewertet, durch eine Abwertung könnte Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen werden. Nach der IWF-Entscheidung haben sich die Anreize der chinesischen Währungshüter verschoben, expansive Fiskal- und Geldpolitik dürften dieses Jahr erneut auf dem Programm stehen. Ein schwächerer Yuan könnte der dritte Pfeiler im Konjunkturprogramm der Partei sein. China bei Währungsreformen auf halben Weg – mehr Vola ist die Kehrseite der Liberalisierung. Das währungspolitische Trilemma Wechselkursstabilität Autonome Geldpolitik Freier internationaler Kapitalverkehr „westlicher“ Konsens Quelle: LBBW Research Seite 12 © Landesbank Baden-Württemberg Bei seinen wirtschaftspolitischen Entscheidungen unterliegt der Staat einem Zielkonflikt. Die PBoC verfolgt eine autonome Geldpolitik und der Renminbi ist an den US-Dollar gekoppelt. Somit muss im Gegenzug die chinesische Regierung den Kapitalverkehr beschränken. Die Industrienationen haben eine andere Wahl getroffen. Kapital kann frei fließen und die Geldpolitik unabhängig betrieben werden. China ist auf dem Weg hin zu dieser Wahl des Westens, die notwendigen Reformen müssen die Währung liberalisieren und gleichzeitig den Kapitalverkehr freigeben. Eine höhere Volatilität ist die Kehrseite dieser Reformen. Disclaimer. Aufsichtsbehörden der LBBW: Europäische Zentralbank (EZB), Postfach 16 03 19, 60066 Frankfurt am Main und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Postfach 1253, 53002 Bonn / Postfach 50 01 54, 60391 Frankfurt. Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zulässig halten, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit wir jedoch keine Gewähr übernehmen können. 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