Die Opec schmiert den Erdölmarkt

Neue Zürcher Zeitung, 6. Juni, Seite 27
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Um dem Taktieren der Grossproduzenten zu entgehen, bohren viele Länder im Kleinen selber nach Erdöl.
ANTON:
AFUTERS
Die Opec schmiert den Erdölmarkt
Das Kartell hält an der Politik der offenen Schleusen fest
Die Opec bleibt bei ihrem
Nichtstun und hält den Erdölmarkt gut versorgt. Zukünftige
Verteilungskämpfe innerhalb
des Kartells sind programmiert.
täglich bei, auch wenn sie seit zwölf sind davon überzeugt, dass die Strategie
Monaten in Folge diesen Förderplafond des Nichtstuns aufgeht: Die Nachfrage
hat sich durch die niedrigeren Preise erüberschritten hat.
das Produktionswachstum der
Verteidigung der Marktanteile höht,
amerikanischen Schieferölproduzenten
Damit hält die Organisation, die zwölf wurde gebremst, wenn auch möglicherGerald Hosp, London
Mitglieder umfasst, an ihrer Strategie weise weniger als erwartet. Zudem fahDie Atmosphäre an der 167. Sitzung der fest, den Erdölpreis nicht durch Drosse- ren die internationalen Erdöl- und ErdOrganisation erdölexportierender Staa- lungen der Förderung zu stützen. Die gasunternehmen in starkem Ausmass
ten (Opec) am Freitag in Wien soll Entscheidung im November hatte den die Investitionen zurück. Das Überfreundschaftlicher gewesen sein als bereits taumelnden Erdölpreis noch angebot an Erdöl ist derzeit aber immer
beim Treffen im November. Die Ge- weiter abstürzen lassen. Im Januar hatte noch nicht abgebaut, die Lager sind
spräche hinter verschlossenen Türen die Notiz für die Nordsee-Erdölsorte recht voll. Die Opec hofft auf eine weiwaren auf alle Fälle kürzer als noch vor Brent einen Wert von gut 45 $ je Fass er- tere Zunahme der Nachfrage.
Die Strategie der relativ offenen
sechs Monaten. Die Entscheidung blieb reicht. Seitdem hat sich der Erdölpreis
jedoch gleich: Die Opec, die rund 40% wieder erholt und steht bei knapp 62 $. Schleusen, um Marktanteile zu verteidider weltweiten Erdölnachfrage deckt, Saudiarabien, der dominante Akteur gen, hat aber einen gravierenden Nachbehält die offizielle Obergrenze der ge- des Erdölkartells, und die Golfstaaten teil für die meisten Opec-Mitglieder:
Niedrige Erdölpreise führen zu gerinmeinsamen Förderung von 30 Mio. Fass
Neue Zürcher Zeitung, 6. Juni, Seite 27
gen Einnahmen. Auch die zumindest
nach aussen gezeigte Selbstzufriedenheit mancher Erdölminister von OpecMitgliedern täuscht zudem nicht darüber hinweg, dass die Organisation eine
Getriebene der Angebotsflut durch die
amerikanische «Schieferöl-Revolution»
geworden ist. In den 1980er Jahren hatte
sich Saudiarabien vergeblich gegen die
Angebotszunahme durch das Nordseestemmen wollen. Diesen Fehler woll-
te das Königreich wohl nicht wiederholen. Dies bedeutet auch, dass sich die
Opec und andere Erdölproduzenten für
die nächste Zeit mit einem vor einiger
Zeit noch unvorstellbaren Erdölpreis
anfreunden müssen: Vor mehr als einem
Jahr galt unter den Opec-Mitgliedern
ein Preis von 100 $ je Fass als «fair»; dies
soll laut gewissen Erdölministern nun
bei 75 $ oder 80 $ der Fall sein, was aber
immer noch mehr wäre als der derzeitige Preis.
Die iranische Frage
Dass der Erdölmarkt gut geschmiert ist,
liegt auch an der Opec selbst, die derzeit
gut 1 Mio. Fass täglich mehr produziert
als die selbstauferlegte Obergrenze. Im
Vorfeld des Treffens hatte es Diskussionen gegeben, ob die Opec nicht womöglich die Fördergrenze gar ausweite. Damit hätte es eine bessere Übereinstimmung mit der tatsächlichen Produktion
gegeben. Zudem wären bevorstehende
Verteilungskämpfe gedämpft worden.
Wenn ausserdem Iran, nach einer möglichen Aufhebung der westlichen Sanktionen Ende des Monats, der Irak und
auch Libyen ihre Ankündigungen wahr
machen, mehr zu produzieren, müssten
andere Förderländer in der Organisation sich einschränken. Der Irak ist bereits einer der Wachstumsmotoren innerhalb der Opec. Aber auch Saudiarabien produziert auf Hochtouren.
Damit geht die Suche nach einer
Balance am Erdölmarkt weiter. Das
Phänomen der Schieferölproduktion ist
noch zu jung, als dass absehbar wäre,
wohin die Reise geht. Das nächste
Opec-Treffen im Dezember könnte deshalb ein wenig unfreundlicher werden.