Brief vom Klima- und Umweltbündnis Stuttgart - LUBW

Klima- und Umweltbündnis Stuttgart
www.KUS-Stuttgart.de
Manfred Niess, Kernerstr. 22B, 70182 Stuttgart, Telefon 0711/ 29 70 82, E-Mail: [email protected]
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Fraktionsvorsitzende,
sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,
Stuttgart, 29.November, 2015
diese Woche beginnt in Paris der 21. Klimagipfel der UN. Vom 30. November bis 11. Dezember tagen in Paris rund 40.000 Politiker, und mehr als 140 Staats- und Regierungschefs, u.a.
Kanzlerin Angela Merkel. Gemeinsam diskutieren sie die Fragen, wie dem Klimawandel begegnet und die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt werden kann.
Das Thema Klimawandel wird man nur erfolgreich angehen können, wenn man es auf allen
Ebenen, der internationalen, der europäischen, der nationalen und der kommunalen Ebene
anpackt. Konkret heißt das, die Energiewende muss beschleunigt und mit Elan angegangen
werden. Energiewende heißt neben der Energieeffizienz und dem Energiesparen Ausstieg
aus der atomar-fossilen Energieerzeugung und schneller Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Im Energiekonzept der Stadt Stuttgart (Urbanisierung der Energiewende, Version
23.10.2015) wird von der Vision einer klimaneutralen Landeshauptstadt bis 2050 gesprochen.
Die Energiewende wird aber nur gelingen, wenn Investitionen aus dem atomar-fossilen Bereich in den Bereich der Erneuerbaren Energien umgeschichtet werden. Mit einer Bilanzsumme von 292 Milliarden Euro ist die LBBW die führende Bank in Baden-Württemberg und
eines der führenden Geldinstitute in Deutschland. Als Landesbank sollte sie eine Vorbildfunktion haben, was in der Finanzkrise leider nicht der Fall war. Nach der Krise war es Wille
der Bank, einen Neuanfang mit einer nachhaltigen Geschäftspolitik zu beginnen. Die Nachhaltigkeitsziele des Konzerns, die Klimastrategie sowie konkrete Leitlinien für das Anlageund Kreditgeschäft und den Geschäftsbetrieb setzen den verbindlichen Orientierungsrahmen. Laut dem Nachhaltigkeitsbericht möchte die Bank die „Environmental, Social Governance“ berücksichtigen und sie orientiert sich an den „Principles for Responsible Investment
(PRI)“.
Die Landeshauptstadt ist an der LBBW mit 18.93% beteiligt, Oberbürgermeister Kuhn sitzt als
Vertreter der Stadt und damit im Auftrag der Menschen dieser Stadt, im Aufsichtsrat. Deren
Wohlergehen zu schützen und zu fördern im engeren und weiteren Sinne ist seine Verpflichtung.
Sowohl die Stadt als auch die Bank sprechen sich öffentlich für nachhaltiges Wirtschaften
aus. Was das konkrete, wirtschaftliche Handeln angeht, sehen wir eine große Diskrepanz
zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Klimastrategie der LBBW erklärt vorrangig erneuerbare Energien zu fördern. Die Kohleindustrie spielt nach eigenen Aussagen angeblich eine
untergeordnete Rolle. Laut der Studie „Europas größte Klima-Killer - Braunkohle und ihre
Geldgeber“ (Urgewald e.V. November 2015) sieht die Bankenwirklichkeit anders aus: „Die
LBBW schafft es im internationalen Vergleich von BankTrack noch unter die 50 größten
„Kohle-banken“: mit 659 Mio. Euro hat sie 2010 bis 2015 die Kohleindustrie unterstützt und
ist damit auf Platz 49. Im Bereich Braunkohle liegt sie durch Kredite und Emissionen mit 724
Mio. Euro auf Platz 4. Größter Profiteur ist RWE, von der LBBW in den letzten 5 Jahren mit
knapp 600 Millionen Euro unterstützt. Der andere große Kunde ist Vattenfall, der im gleichen Zeitraum126 Mio. Euro erhielt.
Bei den größten „Braunkohlebanken“ Deutschlands steht die LBBW nach der Deutschen
Bank, der Commerzbank und der Bayern LB mit 709,13 Mio. Euro auf Platz vier – nicht sehr
schmeichelhaft für eine angeblich nachhaltige Landesbank. Im Einzelnen hat sie 460,57 Mio.
Euro an Krediten an die RWE vergeben und 123.46 Mio. Euro an Vattenfall. Dies sind alles
nicht nachhaltige, sondern klimazerstörende Kredite.
Mark Carney, Der Gouverneur der Bank of England und Vorsitzender des Finanzmarktstabilitätsrats spricht in seiner Rede „Die Tragik des Zeithorizonts“ noch ein weiteres Problem an:
„die treuhänderische Pflicht“ („fiduciary duty“) von institutionellen Investoren. Dabei gilt der
Grundsatz, dass im Rahmen der Anlagestrategie alle finanziellen Risiken berücksichtigt werden müssen. Dies gilt eben auch für die mit den fossilen Energien verbundenen finanziellen
Risiken. Werden diese Risiken nicht berücksichtigt, kann das einen Verstoß gegen diesen
Grundsatz bedeuten. Die größten Risikoanlagen sehen viele Experten im Bereich der fossilen
Energieunternehmen, womit wir wieder in Paris wären: falls dort ein verbindliches 2-GradZiel verabschiedet wird, bedeutet dies, dass 80% der fossilen Reserven im Boden bleiben
müssen. Experten wie Sir Nicolas Stern reden von einer „carbon bubble“ (Kohlenstoffblase)
und von „Stranded Assets“ (verlorenen Investitionen).
Der Kohlebereich ist jetzt schon betroffen: In den vergangenen fünf Jahren sind die Aktien
von Peabody Energy um 98 % gefallen, die E-on-Aktien verloren in diesem Jahr bereits rund
37 Prozent, RWE-Aktien sogar 51 Prozent. (n-tv, 17.9.2015). Ölkonzerne wie Shell haben Milliarden-Verluste vermeldet. Der Allianz-Konzern hat die Zeichen der Zeit verstanden und
steuert um, wie der Spiegel meldet. „Die Allianz will bei Geldanlagen künftig stärker auf Klimaschutz achten. Nach dem angekündigten Rückzug aus der Kohleenergie verspricht der
Versicherungskonzern, seine Investments flächendeckend umzuschichten.“ (Spiegel,
26.11.2015), Gleiches gilt für den norwegischen Pensionsfond, die Axa Versicherung, die
Bank of America, BNP, Parisbas, in Deutschland die Ethikbank, die Umweltbank und die GLS
Bank.
Mit Ihrer Geschäftspolitik konterkariert die LBBW das Energiekonzept der Stadt Stuttgart
(Urbanisierung der Energiewende). Zudem bürdet sie mit Investitionen in fossile Energieträger der Stadt und ihren Bürgern unverantwortlich hohe Risiken auf. Wir fordern Sie auf,
diese Bedenken im Aufsichtsrat vorzubringen und einen Beschluss zum Ausstieg aus Investitionen in fossile Energieträger herbeizuführen. Der Oberbürgermeister ist als Aufsichtsrat
von uns zweimal dazu angeschrieben worden.
Do the Paris Pledge, please!
(https://www.urgewald.org/kampagne/paris-pledge).
Mark Carney, Governor of the Bank of England, Chairman of the Financial Stability Board,
gibt die Empfehlung:
“The more we invest with foresight; the less we will regret in hindsight.”
Mit freundlichen Grüßen - stellvertretend für KUS und Fossil Free
Dieter Bareis, Harald Beck, Traude Heberle-Kik, Manfred Niess, Francesco Maltoni