SWR2 Tagesgespräch

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Hans-Peter Friedrich (CSU), Stellvertretender
CDU/CSU- Fraktionsvorsitzender zuständig für
Europapolitik, gab heute, 08.03.16, dem
Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
EU-Gipfel zur Flüchtlingspolitik.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
08.03.2016
Unions-Fraktionsvize Friedrich lobt das Schließen der Balkanroute
Baden-Baden: Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Hans-Peter
Friedrich, CSU, hat Österreich und die Balkanländer dafür gelobt, dass sie ihre Grenzen
geschlossen halten. „Wir müssen unseren europäischen Nachbarn in Österreich, in Slowenien,
in Kroatien sehr dankbar sein, dass sie sehr mutig nationale Maßnahmen ergriffen haben“,
sagte Friedrich im SWR (Südwestrundfunk). Damit setzt er sich in Widerspruch zu
Bundeskanzlerin Merkel, die eine entsprechende Formulierung in der Abschlusserklärung des
EU-Gipfels verhindert hatte.
Die Zahl derer, die über die Balkanroute kommen würden, habe sich deutlich verringert, er
hoffe, dass das so bleibe, so der CSU-Politiker. In der Flüchtlingsfrage sei deshalb eine
„gewisse Entspannung“ eingetreten. Dabei handle es sich allerdings nicht um eine endgültig
zufriedenstellende Lösung.
Der Unions-Fraktionsvize sieht die Verhandlungen der EU mit der Türkei mit gemischten
Gefühlen. „Wir dürfen uns nicht in die Hand der Türken begeben“, sagte Friedrich, auch wenn
es wichtig sei, im Gespräch zu bleiben.
Natürlich könnten die Türken „ein Stück weit steuern“, wie viele Menschen über die Ägäis nach
Europa kämen, erklärte der CSU-Politiker.
Am Ende dürfe es aber nicht an der Türkei liegen, wie viele Flüchtlinge Europa aufnehme.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: Der Durchbruch in der Flüchtlingsfrage ist vertagt. Finden Sie, die
Bundeskanzlerin darf sich mit einem solchem Nicht-Ergebnis nach Hause trauen?
Friedrich: Ich glaube, man muss da schon die positiven Aspekte sehen. Das Wichtigste, glaube
ich, ist, dass in einer ganz, ganz schwierigen Zeit Europa zusammengeblieben ist. Das ist nicht
immer ganz leicht, aber die 28 haben einen gemeinsamen Weg jetzt eingeschlagen. Ob der
allerdings am Ende Erfolg haben wird, das werden auch die nächsten Wochen zeigen. Aber,
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
wie gesagt, die erste Botschaft ist: Europa ist zusammengeblieben. Das scheint mal wichtig zu
sein.
Theis: Wobei - die Türkei schlägt ja vor, dass sie alle Flüchtlinge, die in Griechenland
ankommen, zurücknimmt. Dafür soll die EU Syrer aus türkischen Lagern aufnehmen und
verteilen. Glauben Sie im Ernst, dass die Ungarn, Polen oder Briten da mitmachen?
Friedrich: Da sprechen Sie ja jetzt die Dinge an, die leider nicht so gut gelaufen sind. Ich
glaube, es ist notwendig, mit der Türkei im Gespräch zu bleiben, denn, wenn man die
Außengrenzen schützen will, dann muss man mit den Nachbarn sich in irgendeiner Weise
arrangieren. Das gilt für die Türkei, das gilt aber auch für die nordafrikanischen Staaten. Was
nicht passieren darf, ist, dass man sich natürlich in die Hand der Nachbarn begibt und
sozusagen erpressbar wird, und da sind die Verhandlungen mit der Türkei – ich sehe die mit
gemischten Gefühlen, sage ich mal.
Theis: Fakt ist aber doch, so oder so, ob man mit der Türkei jetzt weiterkommt oder nicht,
die Zahl der Flüchtlinge wird voraussichtlich nicht sinken. Das spricht dem entgegen,
was Sie unbedingt wollen – auch ihre Fraktion. Was machen Sie jetzt, ziehen Sie jetzt
vors Bundesverfassungsgericht?
Friedrich: Zunächst mal muss man sagen, wir müssen unseren europäischen Nachbarn in
Österreich, in Slowenien, in Kroatien sehr dankbar sein, dass Sie sehr mutig nationale
Maßnahmen ergriffen haben. Es hat sich die Zahl derjenigen, die über die Balkanroute
kommen, doch wirklich nachhaltig verringert. Ich hoffe, dass das auch so bleibt. Und auch,
wenn in dem Abschlusspapier am Ende nicht drin steht, die Balkanroute ist geschlossen oder
bleibt geschlossen, faktisch hat man da doch viel erreicht und ein wichtiges Zeichen gesetzt.
Insofern gibt es da schon eine gewisse Entspannung. Aber es ist am Ende noch nicht die
Lösung, die wir am Ende erreichen wollen.
Theis: Habe ich das jetzt richtig gehört, Sie haben gesagt, das sei mutig und es gebe eine
Entspannung? Ich bin mir nicht sicher, ob die Griechen das genauso sehen, Sie?
Friedrich: Die Griechen haben natürlich lange Zeit gezögert, ihre Pflichten, die sie aus den
europäischen Verträgen haben - auch aus dem Schengen-Vertrag haben - zu erfüllen, nämlich
die Außengrenzen zu schützen. Jetzt hat man den Griechen sozusagen die Pistole auf die
Brust gesetzt und gesagt, jetzt macht mal. Und das, hoffe ich, wird auch gelingen. Auch der
NATO-Einsatz ist ja schon ein Zeichen dafür, dass man da an der griechisch-türkischen Grenze
mehr tun will. Also, insgesamt läuft es gar nicht schlecht. Aber ich will noch einmal
zurückkommen auf diesen Vorschlag der Türken, Flüchtlinge zurückzunehmen und für jeden,
den sie zurücknehmen, einen zu schicken. Was natürlich nicht passieren darf, dass am Ende
die Lager aus der Türkei, aus dem Libanon, nach Deutschland verlegt werden. Das wäre nicht
akzeptabel. Insofern sind wir noch weit davon entfernt, zu jubeln, sondern, man muss sehen,
wie sich das in den nächsten Wochen dann weiter entwickelt.
Theis: Es wird so oder so ein Austausch stattfinden und wir werden Flüchtlinge nehmen
müssen. Wie wollen Sie darauf reagieren?
Friedrich: Nun gut, was wir müssen und nicht müssen, das ist ja die Frage. Unsere
europäischen Nachbarn sind sehr entschlossen, etwas nicht zu müssen, nämlich alle
aufzunehmen, die nach Deutschland kommen wollen. Wir dürfen uns nicht in die Hand der
Türken begeben. Es darf nicht am Ende an den Türken liegen, wie viele sie sozusagen illegal
uns schicken, um legal uns anschließend welche austauschen zu dürfen, sondern, da muss es
schon klare Vereinbarungen geben. Vor allem müssen die Türken das Schlepperunwesen
bekämpfen, das ist unsere Hauptforderung, und da muss auch noch mehr in den Dokumenten
und den Verhandlungen dazu gesagt werden.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Theis: Das hört sich so an, was Sie sagen, als wären die Türken dafür verantwortlich, ob
Flüchtlinge zu uns kämen oder nicht, dabei sind das die Kriege. Machen Sie sich und uns
da nicht was vor?
Friedrich: Ich glaube, es gibt einen Vorschlag, der sogar aus der Türkei kommt, nämlich sichere
Zufluchtsorte in Syrien oder in der Nähe von Syrien zu schaffen. Das Gleiche könnte man auch
für Afrika anwenden. Ich halte das eigentlich für den richtigen Weg. Die Menschen wollen ja
nach dem Krieg auch wieder zurück in ihre Heimat und es wäre gut, wenn man diesen
türkischen Vorschlag weiter verfolgen würde, also eine Flüchtlingsstadt in Syrien in sicheren
Gebieten zu schaffen beispielsweise und von der internationalen Staatengemeinschaft
finanzieren zu lassen. Das sind alles gute Vorschläge, aber natürlich können die Türken ein
stückweit steuern, wie viele über die Ägäis zu uns kommen, und insofern sehe ich das mit
ungutem Gefühl, dass wir uns in die Hand der Türken begeben und die auf diese Art und
Weise politische und auch finanzielle Vorteile versuchen sich zu verschaffen.
Theis: Sie würden alles dazu tun, Sie und viele Ihrer Fraktionskollegen auch, damit
weniger Flüchtlinge zu uns kommen. Wie auch immer – macht es Sie nicht nachdenklich,
dass die großen christlichen Kirchen diesen Kurs überhaupt nicht gut heißen?
Friedrich: Ich glaube, das Entscheidende ist nicht, dass wir so wenig wie möglich zu uns
kommen lassen, sondern das Entscheidende ist, dass wir den Menschen eine Zuflucht, einen
sicheren Zufluchtsort bieten, der aber nicht automatisch in Deutschland sein kann. Das ist die
Botschaft, und ich glaube, mit dieser Botschaft können auch die christlichen Kirchen leben. Die
christlichen Kirchen sagen ja, wir müssen den Menschen helfen. Das unterschreibe ich Eins zu
Eins, aber es kann nicht sein, dass wir sie alle nach Deutschland holen. Damit würden wir
dieses Land überfordern, und damit würden wir einen entscheidenden, auch historischen Fehler
machen, die Gesellschaft hier bei uns zu zerstören.
Theis: Ob wir die Türkei oder den Libanon überfordern, das ist jetzt eine ganz andere
Frage…
Friedrich: Das sind Nachbarländer von Bürgerkriegsländern, und von da aus werden die
Menschen, so wie sie früher in den Balkankriegen von uns wieder zurückgegangen sind auf den
Balkan, auch wieder zurück in ihre Heimat gehen, wenn dort eines Tages Frieden ist.
Theis: Vielleicht würde ich das „geographisches Pech“ nennen.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)