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SÜDWESTRUNDFUNK
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Eveline Lemke (Grüne), Wirtschaftsministerin
Rheinland-Pfalz, gab heute, 06.02.15, dem
Südwestrundfunk ein Interview zum Thema „Asyl- und
Bleiberecht“.
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Datum:
06.02.2015
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis.
Mit freundlichen Grüßen
Zentrale Information
Eveline Lemke, Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz:
„Der Zeitpunkt ist gut für ein Einwanderungsgesetz“
Baden-Baden: Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) ist dafür,
das Aufenthaltsrecht so zu verändern, dass junge Fachkräfte aus dem Ausland in Deutschland
bleiben und arbeiten können; außerdem müsste es den jungen Leuten ermöglicht werden, eine
Ausbildung zu machen. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Lemke, am sinnvollsten sei es, das
in einem Einwanderungsgesetz zu regeln. Jetzt sei ein guter Zeitpunkt, das anzugehen.
Deutschland habe zu wenig junge Menschen, so die Grünen-Politikerin weiter. Und wenn junge
Leute hierher kommen wollten, müsse das auch „ordentlich“
geregelt werden, denn die Menschen bräuchten eine Lebensperspektive. Alle „Weichen
bürokratischer Art“ sollten entsprechend gestellt werden, um „ein vernünftiges Gesamtsystem“
zu bekommen. Die Arbeitsmarktlage lasse das „absolut“ zu, sagte die Wirtschaftsministerin.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: Die Bundesregierung will, dass Menschen, die als Asylbewerber nach
Deutschland kommen, schneller wieder arbeiten. Außerdem sollen geduldete Flüchtlinge,
die gut integriert sind, in Deutschland bleiben dürfen. Was gefällt Ihnen daran nicht, Frau
Lemke?
Lemke: Uns gefällt nicht, dass wir einerseits eine Fachkräftestrategie auch in Rheinland-Pfalz
machen, das heißt, wir werben junge Menschen an, wir sorgen dafür, dass junge Menschen
sich für unser Land begeistern und gar nicht erst weggehen. Die Wirtschaft hat
Fachkräftemangel, sie braucht Menschen, die in unserem schönen Land leben. Und, ich sage
mal, der Papst hat sogar aufgefordert: Nehmt Menschen auf! Also, dieses Phänomen, dass der
Papst und die Wirtschaft gleichzeitig alle sagen, ihr könnt doch noch mehr verkraften, führt doch
dazu, dass wir sagen, wir müssen uns jetzt nicht darum bemühen, noch schneller Menschen
loszuwerden, sondern uns noch intensiver kümmern, dass sie bleiben können und dass sie die
Aufgaben, die in unserer Gesellschaft anfallen, auch übernehmen. Unsere Fachkräftestrategie,
die beschäftigt sich mit dem Thema Demografie. Wir haben zu wenig junge Menschen. Und
wenn noch welche zu uns wollen, dann müssen wir das auch ordentlich regeln. Insofern ist im
Moment so ein Zeitfenster gegeben, einfach noch mal alle Weichen bürokratischer Art zu
stellen, dass das auch passieren kann. Und das heißt, wir müssen es sinnvoll steuern, wir
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
brauchen ein vernünftiges Gesamtsystem und wir brauchen auch eine indikatorengestützte
Einwanderung. Und der Zeitpunkt ist gut.
Theis: Ganz speziell geht es Ihnen um die Ausbildung von Flüchtlingen. Sie haben da
einen Vorstoß gestartet. Was erhoffen Sie sich?
Lemke: Wir erhoffen uns bei diesem Vorstoß jetzt ganz konkret, dass Auszubildende und
Schüler auch bleiben dürfen und nicht abgeschoben werden müssen, wenn ihr Status sich
ändert. Stellen Sie sich vor, häufig bei diesen jungen Menschen, die als Kinder zu uns kommen,
als Flüchtlinge, und einen ungeklärten Aufenthaltsstatus haben, freuen wir uns, wenn wir
Betriebe finden, sie ihren Schulabschluss machen können erst mal überhaupt, dann Betriebe
finden. So, und dann haben wir die eigentlich gut integriert und gut untergebracht und die
sprechen Deutsch und alles ist prima und die könnten ihr Leben hier weiter gestalten. Dann
ändert sich der Status und dann müssen die weg. Und das geht aus unserer Sicht nicht.
Theis: Sogar die CSU-Landesgruppe schlägt vor, das Bleiberecht für junge Flüchtlinge
auszuweiten, wenn sie eine Ausbildung machen, wo ist denn da ein
Verständigungsproblem? Warum machen Sie das nicht, alle zusammen?
Lemke: Ja, ich denke mal, das liegt jetzt hier bei der CDU und bei der CSU im Wesentlichen.
Ich bin sehr gespannt, was jetzt heute Morgen dann im Bundesrat passiert, aber wir müssen
noch einen ganzen Schritt weitergehen. Ich habe das eben angedeutet, uns reicht das hier
noch gar nicht. Wir wollen die Bundesregierung dazu bringen, dass sie ein ordentliches
Einwanderungsrecht gestaltet und dass wir auch da rauskommen, nur dann über Flüchtlinge
und Aufenthaltsstati zu reden. Es ist auch wirklich durcheinander – ich will Ihnen Beispiele
nennen – und unübersichtlich: Hochqualifizierte haben heute schon quasi unbeschränkten
Zugang, Studenten aus Nicht-EU-Staaten auch im Wesentlichen keine Probleme. Aber alle
anderen, auch Azubis oder potenzielle Azubis, oder Menschen, die bei uns lernen wollen, die
lassen wir gar nicht erst rein. Und eigentlich wollen wir doch Menschen finden, die hier arbeiten.
Und die sollen auch direkt zu uns finden können.
Theis: Jetzt sagen aber Arbeitsmarktexperten und auch das Bundesamt für Migration:
Wir brauchen so ein Einwanderungsgesetz gar nicht, unser Aufenthaltsgesetz regelt
alles Nötige. Können Sie das nicht einfach, das schon bestehende Gesetz, ausmisten
und vielleicht verbessern?
Lemke: Wenn man ein Gesetz ausmistet, dann braucht man ja etwas Neues. Eigentlich ganz
einfach. Oder wenn wir zwei Gesetze zusammenführen, dann brauchen wir auch etwas Neues
mit einer einfacheren Struktur. Und das ist genau das, worauf wir hinauswollen.
Theis: Müssen wir aber nicht erst einmal die Migranten, die jetzt schon hier leben, in
Arbeit bringen, bevor wir neue anwerben?
Lemke: Nehmen wir einmal die Zahlen für Rheinland-Pfalz. Wir haben im letzten Jahr rund
50.000 Menschen gehabt, die zugewandert sind. Davon waren 10.000 Flüchtlinge. Und es geht
so im Moment, dass jeder, der eine Ausbildung, eine Qualifikation hat und etwas kann, sofort
Arbeit findet. Und auch alle anderen finden Arbeit. Schauen Sie sich die Arbeitsmarktzahlen an,
wir haben ja im letzten Jahr fast Vollbeschäftigung gehabt. An manchen Standorten nicht. Aber
das ist durchgängig ein Erfolgsmodell, wenn die Menschen hier ankommen, sich integrieren,
dass sie hier arbeiten. Und die Arbeitsmarktlage lässt das absolut zu.
Theis: Das klingt sicher sinnvoll für die Menschen, die schon hier sind, aber finden Sie
es denn zulässig, Zuwanderer, die noch dazukommen sollten, unter dem Gesichtspunkt
auszuwählen: Wer bringt uns Nutzen und wer nicht?
Lemke: Wir haben eine Gesellschaft, die stark überaltert ist. Uns fehlen junge Menschen. Und
wenn die Deutschen keine Kinder kriegen und das nun mal so ist, wie es ist – das finde ich o.k.,
weil jeder soll sich das auch aussuchen können, aber dann verkraften wir noch mehr. Dann
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
brauchen wir sogar mehr, denn die jungen Menschen fragen sich schon heute, wer bezahlt mal
ihre Rente. Und die jungen Menschen fragen sich, schaffen sie es, die Rentenkassen so zu
füllen, wie es notwendig ist, um diesen Berg an älteren Menschen auch zu versorgen? Wir
brauchen noch junge Menschen. Und ansonsten finde ich, muss es offen sein. Wichtig ist, dass
es eine Lebensperspektive gibt, eine Lebensperspektive für Familien, für Kinder. Wenn jemand
hier arbeiten möchte, sich niederlassen möchte, dann möchte er, dass seine Familie
nachziehen kann. Das ist auch alles so nicht möglich. Oder, wenn wir wissen, wir haben da
sehr schnell lernende Menschen und wissen auch, Sprache ist kein Hemmnis, weil die
superschnell noch die dritte oder vierte Sprache lernen können, wenn sie schon mehrere
sprechen - man muss es ein bisschen gliedern. Deswegen glauben wir auch, dass ein
Indikatorensystem oder ein Punktesystem hilfreich wäre. Aber das ist jetzt keine Auslese im
Sinne von: nur was Nutzen bringt. Weil natürlich auch Flüchtlinge, humanitäre Ansätze,
genauso wichtig in dieser gemeinsamen Gesetzeslage eine Rolle spielen müssen und weil wir
fest davon überzeugt sind, dass es auch human ist, eine Zukunftsperspektive zu ermöglichen.
Das heißt, die Aussicht, hierbleiben zu dürfen, eine Staatsbürgerschaft haben zu dürfen und
nicht irgendwie sein Leben absitzen zu müssen, weil man nur denkt, man wird wieder
abgeschoben.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)