SWR Tagesgespräch

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Simone Peter (GRÜNE), Parteivorsitzende, gab heute,
09.02.17, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema
"Rückführung von Asylbewerbern“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
09.02.2017
Grünen-Chefin Peter: Ausreisezentren sind falscher Ansatz
Baden-Baden: Die Grünen lehnen Ausreisezentren für abgelehnte Asylbewerber ab. Die
Grünen-Vorsitzende Simone Peter sagte im SWR (Südwestrundfunk), in solchen Zentren
würden die Menschen völlig vom Leben, von jeglicher Teilhabe abgekoppelt. Das sei der
falsche Ansatz, weil Zuständigkeiten der Länder auf die Bundesebene gebracht würden, obwohl
die Länder besser in der Lage seien, die Größe der Einrichtungen zu organisieren und zum
Beispiel dafür zu sorgen, dass die Kinder in die Schule gingen.
Peter forderte die Bundesregierung auf, sich erst einmal um Fragen der Aufnahme von
Asylbewerbern zu kümmern, die noch gar nicht alle geregelt seien. Jetzt stattdessen über
Rückführung zu sprechen gehe an dem ursprünglichen Ziel vorbei, für mehr Sicherheit der
Bürger zu sorgen.
Die Grünen-Chefin appellierte außerdem an die Bundesregierung, eine neue
Sicherheitsbewertung für Afghanistan vorzunehmen. Zudem müssten die
Verfahren des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge weiter verkürzt werden. Hier gebe es
noch „erheblichen Handlungsbedarf“, so Peter.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: „Wer ausreisepflichtig ist, muss unser Land auch verlassen.“ Ein klarer und
eindeutiger Satz von Bundesjustizminister Maas, SPD. Können Sie dagegen irgendwas
sagen?
Peter: Zunächst mal regelt ja wirklich unser Asylrecht, wie die Ein- und Ausreise zu gestalten
ist. Grundsätzlich wundert uns, dass die Bundesregierung eigentlich ein Sicherheitspaket
vorlegen wollte, jetzt, in diesen Tagen, und eine Sondersitzung mit den Ministerpräsidentinnen
und -präsidenten einberufen hat, um jetzt vor allen Dingen über die Abschiebung zu reden. Und
viele Fragen der Aufnahme sind noch gar nicht geregelt, da spricht man über die Abschiebung.
Klar ist, es muss Rückführungen, Abschiebungen geben, aber das geht an dem ursprünglichen
Ziel vorbei, für mehr Sicherheit zu sorgen. Da sollte nicht der erste Blick auf die Asylbewerber
sein.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Theis: Bleiben wir aber mal bei den Rückführungen. Sie sagen, die muss es geben. Aber
die wenigsten Menschen gehen freiwillig. Was machen wir mit den anderen?
Peter: Immerhin erkennt die Bundesregierung an, dass das Thema Rückführung stärker Platz
greifen muss und gefördert werden muss. Immer mehr Bundesländer - Rheinland-Pfalz war da
sehr vorbildlich unterwegs - haben freiwillige Rückführung, Rückführungsberatung,
Rückführungsförderung, an die Stelle der gewaltsamen Abschiebung gesetzt. Das ist ein
deutlich humaneres Mittel und ist auch effizienter für die Länder und für die Kommunen. Dass
man solche Möglichkeiten sucht, das auch besser zu koordinieren, Bund, Länder besser zu
koordinieren, das ist richtig. Nur, einige Forderungen, die da jetzt drin sind wie zum Beispiel
Ausreisezentren, die die Menschen vollkommen abkoppeln von jeglicher Teilhabe - manche
haben Duldungen, die über Jahre gehen - das ist der falsche Ansatz.
Theis: Zentrale Ausreisezentren, Sie haben das angesprochen, möchte die
Bundesregierung einrichten und dort Ausreisepflichtige sammeln und von dort aus dann
auch die Abschiebung koordinieren. Klingt das nicht vernünftig?
Peter: Nein, das klingt nicht vernünftig. Zum einen, weil Zuständigkeiten der Länder
möglicherweise auf die Bundesebene gebracht werden sollen. Aber die Länder haben das ja in
erster Linie in den letzten Monaten und Jahren koordiniert, weil es darum ging, die Größe der
Einrichtung zu organisieren, die Aufenthaltsdauer, soziale Probleme zu vermindern, indem sie
zum Beispiel an die Kommunen weitergegeben haben, oder die Schulpflicht zu gewährleisten.
Das ist ja ein ganz wichtiger Punkt gerade für Kinder. Hier jetzt Menschen in große
Ausreiseeinrichtungen zu bringen, das ist gegenteilig von dem, was man will, also möglichst
auch soziale Probleme zu beseitigen. Das kann es nicht sein.
Theis: Aber andererseits handhabt das doch jedes Land unterschiedlich. Ist das dann
nicht unfair?
Peter: Nein, es gibt viele viele Dinge in unserem föderalen System, die unterschiedlich
gehandhabt werden. Die meisten Bundesländer sind dazu übergegangen, nach der
Erstaufnahme, die erfolgt ist, dann in die Kommunen zu überführen und dann eben Kindern
zum Beispiel die Möglichkeit der Kindergarten- oder Schulteilhabe zu gewährleisten, weil die
Verfahren an sich ja sehr lange dauern. Unser Apell nach wie vor ist: Die Verfahren des
Bundesamtes für Migration müssen deutlich verkürzt werden, so dass man generell zu
schnelleren Entscheidungen kommt, ob die Menschen bleiben oder nicht. Und generell ist das
Verwaltungshandeln noch zu lange. Hier ist erheblicher Handlungsbedarf.
Theis: Es ist trotzdem für manche schwer verständlich, dass das eine Land den Vollzug
bei Abschiebung und Rückführung so macht, das andere so. Länder wie Rheinland-Pfalz
schieben ja zum Beispiel zur Zeit nicht nach Afghanistan ab, Baden-Württemberg schon.
Können Sie das nachvollziehen?
Peter: Also ich kann nicht nachvollziehen, dass die Bundesregierung dieser dringenden Bitte
der Länder nicht nachkommt, eine neue Sicherheitsbewertung für Afghanistan vorzunehmen.
Wir sind uns alle klar und einig, von Grüner Regierungsseite und Bund, dass Afghanistan kein
sicheres Land ist. Die Länder setzen diese Abschiebungen teilweise aus, sie dürfen das aber
auch nur drei Monate, stehen dann wieder vor der Frage, wer kann und muss abgeschoben
werden. Dass Gefährder, Straftäter abgeschoben werden, ist für Grüne kein Dissens, aber
grundsätzlich die unbefriedigende Lage, dass die Bundesregierung nicht die
Sicherheitsbewertung neu vornimmt. Das ist sehr unbefriedigend, und da liegt der Ball im Feld
des Bundesaußenministers bzw. des Innenministeriums.
Theis: Die SPD trägt ja offenbar den 16-Punkte-Plan größtenteils mit, und SPDFraktionschef Oppermann hat die Tage sogar vorgeschlagen, dass Flüchtlinge, die im
Mittelmeer gerettet werden, nach Nordafrika zurückgebracht werden. Ist so eine SPD für
Sie noch ein möglicher Koalitionspartner?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Peter: Also ich nehme in Rückkopplung mit den Ländern wahr, dass noch nicht klar ist, dass die
SPD heute bei der Ministerpräsidentenkonferenz auf Länderseite alles mitträgt. Das warten wir
aber noch ab, das war jetzt erst mal ein Kompromiss auf Bundesebene. Aber Herr Oppermann
ist da schon als Hardliner bekannt. Also, zu vielen Asylgesetzen hat er sehr früh eine
Zustimmung signalisiert. Und gerade das Vorhaben, jetzt Menschen nach Libyen, einen Staat,
der eigentlich keiner ist, in dem Gewalt, Folter vorherrscht, Geflüchtete wirklich dramatische
Zustände antreffen, dorthin zurück zu schieben und dort Lager zu errichten, das ist vollkommen
inhuman. Das verstehe ich nicht, das versteht aber auch ein Teil seiner Parteileute nicht.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)