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SÜDWESTRUNDFUNK
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Werner Langen (CDU), Vorsitzender des PANAAusschusses im EU-Parlament,
gab heute, 12.12.16, dem Südwestrundfunk ein
Interview zum Thema: „Steuervermeidung“.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
12.12.2016
Panama-Ausschussvorsitzender Langen: Großkonzerne werden Milliarden an Steuern
nachzahlen müssen
Baden-Baden: Der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen sieht die EU im Kampf gegen die
Steuerflucht auf einem guten Weg. Langen, der im EU-Parlament den PANAUntersuchungsausschuss zu den „Panama Papers“ leitet, sagte im SWR (Südwestrundfunk), er
gehe davon aus, dass in absehbarer Zeit massive Veränderungen bei den Steuergesetzen
möglich sein werden.
Seit „Luxleaks“ vor gut zwei Jahren habe es viele Fortschritte gegeben. Im EU-Parlament
würden inzwischen unter anderem Gesetze zur Geldwäscherichtlinie und zum
Mehrwertsteuerbetrug beraten. Außerdem sei beispielsweise die Bundesregierung dabei, mehr
Transparenz für Briefkastenfirmen zu schaffen und die tatsächlichen Eigentümer öffentlich zu
machen, betonte der CDU-Politiker.
Schwierig werde es allerdings, international die gleichen Regeln einzuführen, beklagte Langen.
Dies sei aber Voraussetzung dafür, beim Kampf gegen die Steuervermeidung erfolgreich zu
sein. Außerdem sei es problematisch, die vielen sinnvollen Forderungen nach Kontrolle und
Transparenz EU-weit durchzusetzen, solange der Ministerrat solche Fragen einstimmig
entscheide.
Trotzdem zeigte sich der Europaabgeordnete zuversichtlich, dass der öffentliche Druck auf
Politik und Unternehmen Konsequenzen bei der Steuerpolitik haben werde. So habe die EUWettbewerbskommissarin Apple aufgefordert, 13 Milliarden Euro Steuern nachzuzahlen. „Das
werde Apple tun müssen“, so Langen wörtlich. Die Frage stelle sich dann allerdings, wer das
Geld bekomme. Dies werde weitaus schwieriger zu klären sein.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: Seit „Luxleaks“ hat sich die Zahl der Steuerdeals zwischen EU-Staaten und
Großkonzernen verdreifacht. Das sagt eine Studie der Organisation Eurodat. Was läuft da
schief?
Langen: Ich glaube, seit den Veröffentlichungen in Luxemburg hat’s weitere gegeben: Die
Panama Papers, Bahamaleaks, jetzt die Fußball-Veröffentlichungen. Ich bin der Überzeugung,
und wir haben ja dafür Beispiele, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der öffentliche Druck
von Medien, aber auch aus der Politik, hat zu Veränderungen geführt. Wir beraten im
Europäischen Parlament mehrere gesetzliche Vorhaben wie zum Beispiel die gemeinsame
Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage, wie das Berichtswesen, Country-by-CountryReporting (also die Aufteilung der Gewinne nach Ländern, in denen sie erzielt wurden). Es geht
um den europäischen Staatsanwalt, die Geldwäscherichtlinie, um Mehrwertsteuerbetrug – also
eine Reihe von Steuerthemen, die auf der Tagesordnung sind und die die Hoffnung erlauben,
dass in absehbarer Zeit doch massive Veränderungen möglich sein werden.
Theis: Jetzt haben Sie uns ein paar Fachbegriffe um die Ohren geworfen. Zu den
beliebtesten Steuervermeidungspraktiken, die Sie gerade nicht genannt haben, gehören
immer noch Briefkastenfirmen. Schätzungsweise 80 bis 90 Prozent der Investitionen in
den Niederlanden und Luxemburg fließen über solche Firmen. Warum wird das nicht
verboten?
Langen: Die Briefkastenfirmen können durchaus auch einen legalen Zweck haben. Nach den
Untersuchungen haben sie allerdings häufig das Ziel der Geldwäsche, des Versteckens von
Korruptionsgeldern oder auch Erbschaftsprobleme, die gelöst werden sollen. Die Tatsache,
dass man die nicht einfach verbieten kann, entbindet uns nicht von der Notwendigkeit, dass wir
genau darüber nachdenken. Und auf dem Weg zum Verbieten ist der erste Schritt: Mehr
Transparenz. Die tatsächlichen Eigentümer müssen öffentlich werden. Die Bundesregierung hat
zum Beispiel vor wenigen Wochen einen entsprechenden Gesetzentwurf im Deutschen
Bundestag vorberaten, beziehungsweise den Referentenentwurf vorgelegt. Und ich glaube,
auch auf dem Gebiet sind wir auf einem guten Wege, denn nur wenn international die gleichen
Regeln durchgesetzt werden können, dann werden wir auch Erfolg haben in dieser Geschichte.
Und was die Panama-Papiere angeht so gibt’s nach den jüngsten Ermittlungen bereits über
6.500 Fälle, in denen Namen aus diesen Papieren zu Gerichtsprozessen geführt haben.
Theis: Sie sagen, die EU sei auf dem richtigen Weg, Deutschland sei auf dem richtigem
Weg. Jetzt findet zum Beispiel die schleswig-holsteinische Finanzministerin, dass Firmen
künftig verpflichtet werden müssten, anzuzeigen, welche
Steuergestaltungsmöglichkeiten sie nutzen. Fänden Sie das nicht auch sinnvoll?
Langen: Doch, aber das ist keine Erfindung der schleswig-holsteinischen Finanzministerin.
Theis: Es wird aber noch nicht gemacht oder geplant von der Bundesregierung.
Langen: Es steht auf der Agenda.
Theis: Auf wessen?
Langen: Es steht auf der Agenda der europäischen Finanzminister. Es steht auf der Agenda der
OSZE. Die Frage ist, wie setzt man das durch? Steuerfragen müssen zum Beispiel im
Ministerrat einstimmig beschlossen werden. Eine Forderung zu erheben ist in Steuerfragen
relativ einfach, sie durchzusetzen erheblich schwieriger. Es gibt ja mehrere Dimensionen: Die
eine Dimension ist die Steuergestaltung von Großkonzernen und insbesondere kleineren
Mitgliedsstaaten zu Lasten der Größeren, zu Lasten des Mittelstands und der normalen
Arbeitnehmer, die ihre Steuern abführen müssen. Und das Andere ist das aktive Verstecken
von Geld vor der Besteuerung, etwa durch Briefkastenfirmen. Das sind zwei unterschiedliche
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Dimensionen, und auf beiden Gebieten müssen wir Fortschritte erreichen, und der PANAUntersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments ist dort auf dem richtigen Weg. Wir
werden wahrscheinlich in einem guten halben Jahr unseren Abschlussbericht vorlegen, und der
wird mit öffentlichem Druck auch die notwendigen Konsequenzen beschleunigen.
Theis: Ihr Luxleaks-Ausschuss im Europa-Parlament, der ja diesem Panama-Ausschuss
zuvorging, der hat nicht klären können, wer politisch verantwortlich war für
Steuermauscheleien. Meinen Sie, da sind Sie jetzt weitergekommen oder werden
weiterkommen in ihrem neuen Ausschuss?
Langen: Der Vorgängerausschuss, beziehungsweise die beiden Vorgängerausschüsse, waren
keine Untersuchungsausschüsse, sondern Sonderausschüsse, die sich mit der Thematik
befasst haben. Richtig ist, dass Luxemburg, die Niederlande, Irland eine dominierende Rolle
spielen, und wir haben neben den parlamentarischen Beratungen und den Ermittlungen und
Untersuchungen noch die Wettbewerbsfragen. Frau Vestager, die Wettbewerbskommissarin
aus Dänemark, hat zum Beispiel Apple aufgefordert, 13 Milliarden Euro Steuern nachzuzahlen.
Das wird Apple tun müssen. Die Frage ist, wer bekommt am Ende das Geld? Die USA, die
Staaten in Europa oder wer auch immer? Diese Frage wird länger offenbleiben. Ermittlungen
gegen Starbucks, gegen Amazon und weitere internationale Großunternehmen, die extrem
unfaire Steuerpraktiken und Steuersparmodelle mit den Verwaltungen einiger weniger Staaten
durchgesetzt haben, die werden an den Pranger kommen, und die werden auch Steuern
nachzahlen müssen. Sie sehen, die jüngste Entscheidung von Starbucks, den Firmensitz nach
Großbritannien zu verlegen, ist schon ein solches Zeichen. Auch die Frage, wie der Wettbewerb
um die Steuersätze in Zukunft fortgeführt wird, ist eine entscheidende Frage für einen fairen
Wettbewerb und für die Aufgabe, dass alle Teilnehmer am Wirtschaftsleben gerechte Steuern
zahlen.
- Ende Wortlaut -
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