Debakel für Kiew

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DONNERSTAG, 19. FEBRUAR 2015 · PREIS: 2,20 EURO · NR. 20.428*** · DIEPRESSE.COM
Ostukraine. Die prorussischen Rebellen festigen mit
der Eroberung des Verkehrsknotenpunkts Debaltsewo
ihre Herrschaft. Was ist das
Minsker Friedensabkommen
noch wert?
THEMEN
Debakel für Kiew
FILM
Musical im
Urgrund der
Wälder
Aus der Ukraine berichtet
JUTTA SOMMERBAUER
I
n langen Kolonnen aus Panzern und Militärlastkraftwagen trat die ukrainische
Armee am Mittwoch ihren Rückzug aus
dem umkämpften Debaltsewo an. Bis zu
2000 Soldaten sollen im knapp 50 Kilometer
entfernten Artjomowsk eingetroffen sein.
Manche halten die ukrainische Fahne hoch,
andere winken, die Gesichter dreckig. Mindestens 40 haben die Schlacht um die Stadt
nicht überlebt. Im Hof des Artjomowsker
Leichenschauhauses reihen sich Särge aus
hellem Holz aneinander. In die Spitäler der
Kleinstadt wurden mehr als 100 Verwundete
eingeliefert. Der Rückzug fand über die einzige Landstraße statt, die für die ukrainische
Armee offen geblieben war, nachdem die
Versorgungslage der Armee- und Freiwilligenverbände sich in den vergangenen Tagen
zugespitzt hatte. 80 Prozent der in Debaltsewo Stationierten sollen in Sicherheit sein.
Die russische Militärplanung und Unterstützung war in Debaltsewo sehr offensichtlich gewesen. Zurückgekehrte Ukrainer präsentierten Abzeichen russischer Soldaten.
Alexander Lentsow, ein General der russischen Streitkräfte, soll die Offensive der russischen und prorussischen Kämpfer koordiniert haben. „Gegen die modernen Waffen
des Feindes hatten wir keine Chance“, erklärte ein ukrainischer Rückkehrer.
„Geplanter und organisierter Rückzug“
Der ukrainische Präsident, Petro Poroschenko, wollte es nicht in solch drastischen Worten ausgedrückt wissen. Bei einer kurzfristig
anberaumten Visite im Krisengebiet versuchte der Präsident, gekleidet in Militäruniform, die Schlappe schönzureden. Er sprach
von einem „geplanten und organisierten
Rückzug“. Am Abend wurde Poroschenko in
Kiew zur Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates erwartet. In der Ukraine wird über die
Einführung des Kriegsrechts diskutiert, das
die Wirtschaft den Kriegszielen im Osten unterordnen würde.
An Debaltsewo sind die Verhandlungen
in Minsk in der Vorwoche beinahe geschei-
„Into the Woods“
von Regisseur Bob
Marshall erinnert
an das klassische,
allen Wirklichkeiten
trotzende Hollywood-Musical. S. 23
STUDIE
Griechenland:
Was Zahlen
verraten
RBI-Chefanalyst
Brezinschek rückt
das Bild zurecht,
das die Regierung
in Athen von der
griechischen
Lage zeichnet –
und zeigt Verhandlungsspielräume
auf.
S. 4
ÖVAG
tert, die strittige Frage ist letztlich ausgeklammert worden. Doch die andauernden
Kampfhandlungen in Debaltsewo drohten
die Deeskalationsmaßnahmen von Minsk II
sogleich zu unterminieren. Eine Feuerpause
hat es dort – anders als in anderen Abschnitten, wo sich die Lage seit Samstagnacht beruhigt hat – nie gegeben. Die Separatisten
haben offen erklärt, Debaltsewo einnehmen
zu wollen, die Ukrainer anfangs einen Abzug
abgelehnt. Es war klar: Der Stärkere würde
siegen.
Mit der Aufgabe von Debaltsewo verliert
Kiew einen strategischen Vorteil, wie Wolodymyr Gorbatsch vom Kiewer Institut für
Euro-Atlantische Zusammenarbeit im Gespräch mit der „Presse“ sagt: „Mit der Kontrolle von Debaltsewo war die Hoffnung auf
Konfliktregulierung verbunden. Jetzt geht es
eindeutig in Richtung Einfrieren.“ Denn über
Debaltsewo verläuft nicht nur der Straßen-
KOMMENTAR
Die ostukrainische
Armee zog ihre geschlagenen Soldaten aus
Debaltsewo ab.
[ Reuters ]
Mehr zum Thema:
Maidan: Blick zurück
auf den Platz, wo alles
anfing. .................. S. 2, 3
„Grüne Männchen“ und
„verdächtige russische“
Waffen ........................ S. 3
diepresse.com/ukraine
VON MICHAEL LACZYNSKI
In Brüssels strenger Kammer
W
ir leben in voyeuristischen
Zeiten. Während dies- und
jenseits des Atlantiks Vorstadtweiber die Kinos stürmen, um die
Verfilmung des Sadomaso-Bestsellers „Fifty Shades of Grey“ zu
sehen, werden in der strengen
Kammer der Europäischen Union
gänzlich andere Unterwerfungsrituale praktiziert – statt Latex, Lack
und Leder gibt es im Brüsseler Folterkeller Statistiken, Spreadsheets,
und Schuldendienste.
Je länger der coram publico
ausgetragene Machtkampf zwischen der neuen griechischen Regierung und ihren europäischen
Gläubigern andauert, desto mehr
überkommt einen unbeteiligten
Beobachter das Gefühl, dass die
Staatsschuld der neue Softporno
des politisch interessierten Euro-
päers ist. Mit einer Mischung aus
Angst und Wollust verfolgt das europäische Bürgertum die jüngsten
Wendungen in dem Kammerspiel,
die von Medien schonungslos ausgebreitet werden: Gelingt es Wolfgang „Geiz ist geil“ Schäuble, den
ungestümen, freiheitsliebenden
griechischen Finanzminister, Yanis
Varoufakis, mit einer Seidenkrawatte an den Verhandlungstisch
zu fesseln? Kann der charismatische Populist Alexis Tsipras der
Berliner Domina Angela Merkel
die Handschellen entwenden? Wie
weit werden die Folterknechte aus
Frankfurt ihre monetären Machenschaften treiben, bevor die
Schmerzen unerträglich werden?
Welches undurchsichtige Spiel
verfolgt Jean-Claude Juncker, der
Chef des Brüsseler Swingerklubs?
Wer schreit als Erster „Ich ergebe
mich! Macht mit mir alles, was ihr
wollt“? Wir wissen es nicht. Und
warten auf die Fortsetzung des prickelnden Abenteuers.
Man könnte diese Faszination
für ein gesundes Symptom halten,
denn das – im wahren Sinn des
Wortes – fesselnde SM-Schauspiel
hat zur Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit beigetragen.
Man kann die Dinge aber auch negativ betrachten – und darauf hinweisen, dass die Schuldenkrise die
EU versaut hat. Oder kann sich jemand künftige Europapolitik ohne
Peitsche vorstellen? Für eingefleischte Masochisten mag das
eine erregende Vorstellung sein.
Für den Rest von uns eher nicht.
verkehr zwischen Donezk und Luhansk, sondern auch die Eisenbahn. „Wer diesen Punkt
kontrolliert, kontrolliert die Kohlelieferungen in die Ukraine oder nach Russland“, sagt
Gorbatsch. Mit dem Verkauf von Kohle können die Separatisten ihr wirtschaftliches
Überleben sichern.
Appelle des Westens
Besteht nach der Einnahme von Debaltsewo
durch die Separatisten eine Chance für
Minsk II? Geben sich die Separatisten wie
angekündigt mit Debaltsewo zufrieden? Diese Fragen sind entscheidend für den weiteren Verlauf des Konflikts. Gorbatsch zeigt
sich skeptisch: „Putin und die Separatisten
haben sich noch nie an die Vereinbarungen
gehalten.“ Die prorussischen Freischärler
könnten auf weitere Gebietsgewinne hoffen;
und auch Kiew hat ein Argument mehr auf
seiner Seite, um den Abzug der schweren
Waffen zu verzögern.
International verstärkten sich jedenfalls
die Appelle zur Einhaltung des Abkommens.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte von Moskau offen den „Abzug all seiner Truppen“ aus der Ostukraine. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini drohte
mit neuen Sanktionen, sollten die Separatisten nicht auf Gewaltanwendung verzichten.
Am Mittwochabend wollte Präsident Franc¸ ois Hollande mit Petro Poroschenko,
Russlands Staatschef, Wladimir Putin, und
der deutschen Bundeskanzlerin, Angela
Merkel, telefonieren: Es dürfte die letzte Rettungsaktion für Minsk II sein.
Brisante
Weisung bei
Ermittlungen
Das Justizministerium kritisiert,
dass die Staatsanwaltschaft gegen
einen Banker nur
unzureichend
ermittle.
S. 15
INLAND
U-Ausschuss:
Feilschen bis
zum Schluss
Kritik an Nationalratspräsidentin
Doris Bures und an
der Auswahl der
Kandidaten, die je
zur Hälfte als rot
oder schwarz gelten. Die Besetzung
könnte noch wichtig
werden.
S. 9
NAVIGATOR
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