Poroschenkos Krieg

Poroschenkos Krieg
Je suis Wolnowacha
Autor: U. Gellermann
Datum: 22. Januar 2015
Nur wenige Tage nach dem zwölf zivile Bus-Passagiere im ukrainischen Ort
Wolnowacha schwerem Beschuss zum Opfer gefallen waren, durfte sich der
Präsident der Ukraine auf einer halben Seite der FRANKFURTER ALLGEMEINEN
in die allgemeine Je suis-Welle einreihen: Jetzt sollen wir alle Wolnowacha
sein, druckt die FAZ schamlos Petro Poroschenko ab und stützt dessen durch
nichts bewiesene Auffassung, die Separatisten hätten den Bus beschossen.
Zwar kam die OSZE-Untersuchung des Vorfalls zu einem anderen Ergebnis.
Aber die OSZE ist für deutsche Medien nur interessant, wenn man sie als
angebliche Entführungsopfer instrumentalisieren kann. - Wolnowacha: Das ist
jener Ort, an dem am 22. Mai des vergangenen Jahres Hubschrauber der
ukrainischen Armee die eigenen Soldaten angegriffen haben. Falls die FAZ das
weiß, will sie es nicht wissen.
Pünktlich einen Tag vor der Mobilisierung weiterer 50.000 Soldaten für den
Bürgerkrieg in der Ukraine darf der ukrainische Präsident, dessen Truppen
Streubomben einsetzen und gern zivile Ziele unter Feuer nehmen, in der FAZ
fordern, dass "alle Europäer heute zu Ukrainern werden". Das mag die
vorgeblich seriöse FAZ natürlich nicht mit einem Hinweis darauf ergänzen,
dass es mindestens zwei Ukraines gibt, einmal Ost und einmal West. Die
Poroschenko-Behauptung, es seien "reguläre russische Truppen" die auf dem
Gebiet der Ukraine die Kontrolle ausüben würden, ist der FAZ keine Rückfrage,
keine Fußnote, kein Kommentar wert. Auch hier ist eine Stellungnahme der
OSZE einfach nicht auffindbar, obwohl die Organisation 217 Beobachter in
Lugansk und Donezk stationiert und bisher keine russischen Truppen gemeldet
hat.
Der Appell des blutigen Petro, "die" Europäer mögen sich doch vermehrt in
seinen Kampf gegen die Ost-Ukraine einschalten, enthält neben einer Serie
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hohler Phrasen aber auch einen halbwegs sachdienlichen Hinweis: Er spricht
von "Kriegs-Gefangenen" die "wir" jüngst befreien konnten. Zwar wurden die
Gefangenen nicht "befreit" sondern ausgetauscht. Aber das ficht den
FAZ-Redakteur nicht an. Passt doch die Lüge von der "Befreiung" einfach besser
in die pathetische Kriegs-Rhetorik, die Poroschenko in der FAZ abspulen darf.
Auch der Begriff Kriegs-Gefangene hätte einen wachen Redakteur aufmerksam
machen müssen. Sprach doch die Kiewer Regierung bisher nur von einem
"Anti-Terror-Einsatz", keinem Krieg. Wer "russische Truppen" und "Krieg"
zusammenzählen kann, der kann die Gefahr in der neuen Sprachreglung
erkennen. Die FAZ kann oder will nicht.
"Ukrainische Truppen starteten am Wochenende eine Offensive zur
Rückeroberung des Flughafens von Donezk", berichtet die TAGESSCHAU.
Parallel hat Kiew die Wiederaufnahme des Artilleriebeschusses der Städte
Donezk und Lugansk begonnen. Das Minsker Abkommen, das die Lage in der
Ost-Ukraine entschärfen sollte, scheint erledigt zu sein. Gerade erst wurde der
Kiewer Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk von Bundeskanzlerin Angela
Merkel und Bundespräsident Gauck feierlich in Berlin empfangen. Niemand hat
den Eindruck, dass die deutschen Autoritäten die Kiewer Regierung zur
Mässigung angehalten haben. Auch die jüngst erfolgte Gründung eines Kiewer
Propaganda-Ministeriums - dem weltweit ersten nach dem Ende des deutschen
"Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" 1945 - wurde
offenkundig nicht thematisiert. Zum Minister berief Präsident Petro
Poroschenko seinen eigenen langjährigen Fernsehchef, den 38-jährigen Juri
Stez. Der Mann war auch lange Chef der Informationsabteilung der
"Nationalgarde", jener militärischen Formation, die ukrainischen Neonazis eine
Heimat gegeben hat.
"Die Heiligkeit von Freiheit, Toleranz, Souveränität und Demokratie", predigt
Poroschenko in der FAZ, "sind bestätigt worden." Bestätigt sind auch die
Nachrichten über den Wehrkunde-Unterricht in den ukrainischen Schulen und
die paramilitärische Schulerziehung. Über die Heiligkeit dieses Themas können
sich der ukrainische Präsident und Joachim Gauck demnächst auf der
Münchner Sicherheitskonferenz austauschen, zu der beide eingeladen sind. Der Krieg in der Ost-Ukraine mit seinen bisher fast 4.000 Toten, kann sich
immer noch zu einem Krieg mit Russland entwickeln. Solange dem
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gefährlichen Oligarchen Poroschenko NATO-Bühnen und Rückendeckung für
seine militanten Parolen geboten werden.
Wegen der BERLINALE-Pressvorführungen kann es zu Verzögerungen bei der
Leserpost kommen.
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